Nachrichten Juni 2013
RÜCKTRITT: Senatsvorsitzender De Graaf stolpert über Geert Wilders
Den Haag. TM/NRC/VK. 14. Juni 2013.
Der Vorsitzende des niederländischen Oberhauses, Fred de Graaf (VVD), hat heute Nacht angekündigt, am kommenden Dienstag von seinem Amt zurückzutreten. Die Entscheidung fiel im Anschluss an eine Sondersitzung des Vorstandes seiner Partei. De Graaf war am Mittwoch in die Kritik geraten, nachdem aus einem Interview in der Tageszeitung de Volkskrant hervorging, dass er die Zusammensetzung der Gruppe von Politikern, die König Willem-Alexander während der Huldigungszeremonie am 30. April begleiteten, bewusst so manipuliert hatte, dass Geert Wilders nicht Teil dieser Gruppe war.
Fred de Graaf hatte noble Absichten. Der Vorsitzende der ersten niederländischen Parlamentskammer wollte in seiner Funktion als Leiter der Thronwechselzeremonie sein Land vor einem Schaden bewahren. Dabei sah er wohl schon die Bilder vor seinem Gesicht, wie der neue niederländische König in seinem hermelinen Mantel vom weit über die Landesgrenzen hinaus berühmten und berüchtigten Populisten, Islam-, Euro- und Monarchiekritiker Geert Wilders flankiert wird . Bilder, die über das Fernsehen und die anwesenden Medienvertreter um die ganze Welt gehen würden und so ein schlechtes Licht auf die Niederlande hätten werfen können. Da Graaf hätte es nach Angaben von de Volkskrant als „sehr schwierig“ empfunden, wenn Wilders Teil der Kommission geworden wäre.
Geschickter Schachzug
Aus dieser Vorstellung heraus, habe De Graaf überlegt, wie er mit einem Kunstgriff die Zusammensetzung der Politikergruppe beeinflussen könnte, denn Wilders wäre aus verschiedenen Gründen Teil dieser Kommission geworden. Wäre man so wie beim vergangenen Thronwechsel 1980 verfahren, wäre Wilders als Fraktionsvorsitzender der VVD Teil der Gruppe geworden. Statt fünf Fraktionen wie zur Amtsübernahme von Beatrix sind aktuell aber elf Fraktionen in der Zweiten Kammer vertreten. Elf Politiker im Schatten von Willem-Alexander waren Fred de Graaf aber zu viele. Somit sollte diesmal ein anderes Kriterium als der Fraktionsvorsitz in der Zweiten Kammer bestimmen, wer Teil der Kommission wird.
Gemeinsam mit Parteikollegin Anouchka van Miltenburg, Vorsitzende des Unterhauses, einigte man sich darauf, dass diesmal sechs Politiker den neuen König begleiten sollten: Die beiden Vorsitzenden der Parlamentskammern selbst sowie jeweils die beiden dienstältesten Abgeordneten beider Kammern. Da De Graaf und Van Miltenburg beide von ihrem Posten her neutral waren, sollten die weiteren vier Posten so breit wie möglich unter den anderen Fraktionen aufgeteilt werden. Aus der Ersten Kammer waren am längsten im Oberhaus vertreten Gerrit Holdijk (SGP, 8.366 Tage), René van der Linden (CDA, 5.062 Tage) und Heleen Dupuis (VVD, 5.062 Tage). In der Zweiten Kammer standen vier Parlamentarier mit jeweils 5.448 Tagen in der Rangfolge ganz oben: Harry van Bommel (SP), Mariëtte Hamer (PvdA), Kees van der Staaij (SGP) und Jan de Wit (SP).
Für die Erste Kammer kamen somit Gerrit Holdijk (SGP) sowie René van der Linden (CDA) eindeutig für die Kommission in Betracht. Für die Zweite Kammer war es komplizierter, denn die beiden SP-Vertreter gaben schon früh bekannt, am 30. April keinen Eid auf den neuen König leisten zu wollen (NiederlandeNet berichtete) und kamen somit nicht in Frage. Ebenfalls weg viel Kees van der Staaij (SGP), da von seiner Partei bereits Gerrit Holdijk aus der Ersten Kammer vertreten war. Blieb von den dienstältesten vier also nur Mariëtte Hamer (PvdA) für die Zweite Kammer übrig, weswegen man weiter in der Liste schaute. Dort folgte mit Kadija Arib (5.357 Tage) eine weitere PvdA-Abgeordnete, weswegen diese nicht in Frage kam. Blieb also der Sechstplatzierte, und das war eben der PVV-Vorsitzende Geert Wilders mit seinen seinerzeit 5.286 Tagen im Parlament.
Da De Graaf Wilders unbedingt als Teil der Kommission verhindern wollte, ging er erneut auf Gerrit Holdijk zu und fragte ihn, ob er freiwillig verzichten würde, dafür Heleen Dupuis (VVD) nachrücken könnte und als Kompensation der SGP-Parteigenosse Van der Staaij in die Kommission einziehen kann. Damit war Holdijk einverstanden aufgrund dieses geschickten Schachzugs fiel Geert Wilders aus der Auswahl heraus. Fred de Graaf sollte dies später damit rechtfertigen, dass Kees van der Staaij 200 Tage länger als dessen Parteikollege Gerrit Holdijk im Parlament sitzt.
An allen möglichen Stellschrauben gedreht
Diese ganze Taktiererei offenbare, dass „an allen Stellschrauben gedreht wurde, um die beabsichtigten Kandidaten zu bekommen“, so Niko Koffeman, Senator der Tierschutzpartei, in einer ersten Bewertung. Ganz offensichtlich kollidierten hier die persönliche Ansichten des Monarchisten und Freundes der Königsfamilie De Graaf mit denen des überparteilichen Kammervorsitzenden De Graaf. Seinen Entschluss zum Verzicht auf den Posten des Vorsitzenden begründe Fred de Graaf heute selber damit, dass „seine Integrität auf dem Spiel stehe“. Seine Funktion als Senator will der VVD-Politiker aber weiterhin ausüben.
Durch seinen Rücktritt hat De Graaf jetzt den Wind aus den Segeln der Affäre genommen. Das Amt seiner Parteikollegin Anouchka van Miltenburg, die als Zweite Kammer-Vorsitzende zunächst auch in der Kritik stand, scheint nach Berichten des NRC Handelsblad nun nicht mehr zur Diskussion zu stehen. Die Fraktionsvorsitzenden des niederländischen Unterhauses schenken Van Miltenbergs Aussage, nichts von der Motivation De Graafs gewusst zu haben, Glauben.
Geert Wilders selbst reagierte empört, als er am Mittwoch erfuhr, wie die Auswahl der Kommissionsmitglieder gelaufen war und gab an, die Präsidien der beiden Parlamentskammern um Aufklärung zu beten. „Wenn der VVD-Senatsvorsitzende wirklich manipuliert hat, muss er sich aus dem Staub machen und abtreten“, so Wilders am Mittwoch über Twitter.
Als de VVD-senaatsvoorzitter de zaak echt heeft gemanipuleerd moet hij zijn biezen pakken en aftreden: http://t.co/KG8opSBkNA
— Geert Wilders (@geertwilderspvv) June 12, 2013