Nachrichten Juni 2013


MEDIZIN: Niederländische Ärzte dürfen todkranken Babys das Sterben erleichtern

Utrecht. MWE/knmg.nl/VK. 12. Juni 2013.

Niederländische Ärzte dürfen die Behandlung todkranker Babys einstellen und den Sterbeprozess beschleunigen, um ihnen unnötige Qualen zu ersparen. Das hat die Ärzteorganisation KNMG in einem heute veröffentlichten Bericht festgelegt. Sie klärt damit eine Frage, die immer wieder für Diskussionen und Unsicherheit gesorgt hat.

Es geht um Neugeborene mit einer geringen Lebenserwartung, deren Weiterbehandlung durch die Ärzte als chancenlos angesehen wird. Wenn dann die Beatmung eingestellt wird, versterben die meisten Kinder recht schnell. Ein kleiner Teil bleibt jedoch unter großen Qualen noch einige Zeit am Leben. Niederländischen Ärzten ist es fortan erlaubt Muskelentspanner zu verabreichen, die innerhalb weniger Minuten zum Tod führen. Auch wenn während des Sterbeprozesses sichtbare Qualen erkennbar sind, können Ärzte den Prozess beschleunigen.

Schon seit Jahren sind sich Kinderärzte und Juristen uneinig über diese Sterbehilfe. Für einige ist es die Tötung eines Kindes, andere betrachten es als Hilfe, die auf humane Weise das Sterben ermöglicht. Mit dem Bericht Medische beslissingen rond het levenseinde bij pasgeborene met zeer ernstige afwijkingen (dt. Medizinische Entscheidungen bezüglich des Lebensendes von Neugeborenen mit sehr schweren Anomalien) der Ärzteorganisation KNMG hat man nun einen Leitfaden vorgelegt, der Regelungen zur Sterbehilfe bei todkranken Babys enthält.

Der Kinderarzt Eduard Verhagen vom UMC Groningen, der an der Erstellung des Berichts beteiligt war, sagte gegenüber de Volkskrant, dass dies in der Praxis schon lange geschehe. Durch den vorliegenden Bericht herrsche nun Klarheit: es ist erlaubt, muss jedoch einer eigens dafür eingerichteten Kommission gemeldet werden, um totale Offenheit zu garantieren. Darüber hinaus dient der Bericht Ärzten auch als Hilfe, wie zu verfahren ist, wenn eine Weiterbehandlung aussichtslos ist und Eltern als Erklärung, um die Entscheidung eines Arztes nachvollziehen zu können.

Denn auch für die Eltern sei es emotional extrem belastend, ein Kind im Sterbeprozess zu begleiten und zu sehen, wie dieses sich entsetzlich quält. Zwar teilt Verhagen die Auffassung einiger Kritiker, dass es Aufgabe der Ärzte sei, die Eltern besser auf die Situation vorzubereiten, doch auch dann bleibe es fürchterlich mitanzusehen, wie das Kind grau und kalt werde, die Lippen blau und es nach Atem ringe. Und das möglicherweise über Stunden und Tage. Darum sei die Beschleunigung des Sterbeprozesses auch als Form der Palliativmedizin zu verstehen, so Verhagen, die den Eltern bei der Bewältigung der Trauer helfen könne.

Jährlich sterben in den Niederlanden etwa 650 Neugeborene, von denen die Hälfte Frühgeburten ohne reelle Lebenserwartungen sind. Die andere Hälfte sind Kinder mit Anomalien, beispielsweise der Lungen, des Herzens oder des Gehirns.

Mehr zum Thema in unserem Dossier Sterbehilfe in den Niederlanden.