Nachrichten Juni 2013
WIRTSCHAFT: EU fordert weitere Einsparungen von Den Haag
Den Haag. AF/NRC/VK. 12. Juni 2013.
Der EU-Kommissar für Wirtschaftsfragen, Olli Rehn, besuchte gestern die Regierung in Den Haag. Er machte deutlich, dass die Niederlande im Jahr 2014 weitere sechs Milliarden Euro einsparen müssen, damit die Staatsschuld nicht höher steigt als die von Brüssel geforderten drei Prozent des Bruttoinlandproduktes. Viele Niederländer fürchten nun, dass ihr Land „kaputtgespart“ wird, doch gibt es Handlungsalternativen?
Weitere sechs Milliarden sollen die Niederlande auf Empfehlung der Europäischen Kommission im kommenden Jahr einsparen. Dabei spart das Land bereits wo es nur kann. Im Koalitionsvertrag vergangenen Oktober wurde bereits ein 15 Milliarden starkes Sparpaket geschnürt (NiederlandeNet berichtete). Dieses ergänzte das Kabinett Anfang März 2013 noch einmal um 4,3 Milliarden, da Berechnungen der EU sowie des Centraal Planbureaus (CPB) – ein Beratungsorgan der niederländischen Regierung in Wirtschafts- und Finanzfragen – gezeigt hatten, dass das niederländische Haushaltsloch auch im Jahr 2014 die Brüsseler Norm überschreiten werde (NiederlandeNet berichtete).
Tatsächlich gingen die Ausgaben des niederländischen Staates hierdurch zurück, doch auf der anderen Seite mussten eine sinkende Binnennachfrage, eine sinkende Wirtschaftsleistung und steigende Arbeitslosenzahlen konstatiert werden (NiederlandeNet berichtete). Im Mai 2013 haben „auffällig viele“ niederländische Betriebe Konkurs angemeldet, so das niederländische Statistikamt CBS. Die Wirtschaftsprognosen für die kommenden Monate sind düster: Die Nederlandsche Bank publizierte gestern die neuesten Zahlen, wonach die niederländische Wirtschaft dieses Jahr um 0,8 Prozent schrumpfen wird. Sie empfahl gleichzeitig Einsparungen in einer Höhe von 8 Milliarden Euro, um die Staatsverschuldung unter der Brüsseler Norm von 3 Prozent des BIP zu halten.
Sinkende Kaufkraft Hauptursache für schlechte Wirtschaftlsentwicklung
Doch an welcher Stelle soll weiteres Geld eingespart, beziehungsweise generiert werden? Steuern erhöhen? Nein, sagen die Oppositionsparteien, denn durch höhere Steuern wird die Kaufkraft der Konsumenten noch weiter geschwächt. Auch der Geschäftsführer der Nederlandsche Bank Job Swank warnt vor Steuererhöhungen. „Die stark sinkende Kaufkraft ist die Hauptursache für die schlechte wirtschaftliche Entwicklung“, erklärte er gegenüber der Tageszeitung de Volkskrant. Swank empfahl dem Kabinett, seine eigenen Ausgaben weiter zu senken. Doch Finanzminister Jeroen Dijsselbloem (PvdA) gab gestern Abend in der Ersten Kammer dazu zu bedenken, dass auch staatliche Einsparungen bei der Rente oder im Gesundheitssektor am Ende den einzelnen Bürger träfen.
Insgesamt werden weitere Einsparungen in den Niederlanden kritisch gesehen. „Indem an weiteren Sparmaßnahmen festgehalten wird, bleibt die negative Spirale aus geringem Wirtschaftswachstum, abnehmender Kaufkraft und Einsparungen intakt“, so die Wirtschaftsexperten der Rabobank in deren heute veröffentlichtem Quartalsbericht. „Ist Ankurbeln nicht besser als Sparen?“, fragt deshalb auch Volkskrant-Kolumnist Peter de Waard in der heutigen Zeitungsausgabe. „Wenn die Wirtschaft kaputtgespart wird, dann sind die niedrigen Einkommensgruppen und die Sozialhilfeempfänger die Leidtragenden“, prophezeit er. Werde mittels Investitionen eine neue Seifenblase aufgeblasen, träfe ihr Zerplatzen ebenfalls die Armen. „Die einzige echte Alternative ist eine Revolution“, konkludiert De Waard gleichzeitig scherzhaft und resigniert.
Doch dass gespart werden muss, ist sicher. Die Niederlande sind verpflichtet, den Anweisungen der Europäischen Kommission zu folgen, erklärte Finanzminister Dijsselbloem in einem Brief an die Zweite Kammer. Die Niederlande hätten den neuen Europakt unterschrieben und sich damit verpflichtet, Empfehlungen der Kommission bezüglich der Staatsschuld unverändert zu übernehmen. Wie und wo der niederländische Staat weitere sechs Milliarden Euro einsparen will, entscheidet das Kabinett im August, wenn das CPB seine Wirtschaftsprognose für das kommende Jahr vorlegt.