Nachrichten Juli 2013
AUSLAND: Niederländische Filmmacher wegen „Homopropaganda“ in Russland vor Gericht
Murmansk. AF/Russian LGBT Network/NOS/Spiegel Online/WDR5. 23. Juli 2013.
„Ein bizarrer Tag“, so umschreibt der Niederländer Kris van der Veen das Abenteuer, dass er zusammen mit drei Mitstreitern in der russischen Hafenstadt Murmansk erlebt hat. Die vier standen gestern vor Gericht, weil sie „Homopropaganda“ betrieben haben sollten. Das entsprechende Gerichtsverfahren wurde inzwischen jedoch eingestellt.
Kris van der Veen, Groninger Gemeinderatsmitglied für GroenLinks und Vorsitzender der Stiftung LGBT, die sich für die soziale Akzeptanz von homosexuellen Personen einsetzt, war mit einem Filmteam nach Russland gereist, um eine Dokumentation zur Situation homosexueller Menschen in Russland zu drehen. Da Murmansk seit 1989 die Partnerstadt Groningens ist, lag es nah, dort zu drehen. Ein Menschenrechtfestival nahe der finnischen Grenze bot die passende Kulisse.
Ein Interview mit einem 17-Jährigen wurde für das Filmteam zum Verhängnis. Da der befragte Jugendliche noch minderjährig war, konnte das Interview von den russischen Behörden als Übertretung des Propagandaverbots für Homosexualität interpretiert werden. Dieses russische Gesetz verbietet es seit Kurzem, unter Minderjährigen Werbung für „nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen“ zu machen.
Van der Veen und sein Team waren am vergangenen Sonntag deshalb verhaftet worden, das Filmmaterial wurde beschlagnahmt. Gestern fand dann die erste Anhörung vor Gericht statt. Die Filmmacher wurden sowohl von Russian LGBT Network als auch vom niederländischen Konsulat unterstützt. Auch Außenminister Frans Timmermans (PvdA) ließ wissen, er sei „besorgt“ über die Ereignisse und sicherte der Gruppe seine Unterstützung zu.
Van der Veen hielt die Welt per Nachrichtendienst Twitter auf dem Laufenden. Gegen Abend dann endlich der erlösende Tweet: „Bekomme gerade vom Gericht mitgeteilt, dass der Fall nicht verhandelt werden wird“. Als Grund für die Ablehnung des Verfahrens nennt die Nederlandse Omroep Stichting (NOS) Fehler im Protokoll.
„Dass Kris van de Veen und seine Kollegen nicht angeklagt werden, ist gut. Es ist aber kennzeichnend, dass dies aufgrund von Fehlern im Protokoll geschehen ist. Nicht das Prozedere ist fehlerhaft, sondern die Anti-Homo-Gesetze selbst sind ein Fehler. Es ist besorgniserregend, dass die russischen Autoritäten die Gesetze wirklich zur Anwendung bringen, trotz des internationalen Drucks. Außenminister Timmermans muss deutlich Protest einlegen“, erklärte Bram van Ojik, Fraktionsvorsitzender von GroenLinks in der Zweiten Kammer.
Das niederländische Filmteam flog noch gestern Abend von Murmansk nach St. Petersburg. Allerdings ging auch das nicht reibungslos vonstatten. „Kurz vor Abflug wurden wir von vier, fünf Polizisten aufgehalten“, so Van der Veen im Telefoninterview mit NOS. Die Polizisten verlangten von den Niederländern, ein Dokument zu unterzeichnen, mit welchem sie das Versprechen abgegeben hätten, für weitere Aussagen nach Murmansk zurückzukehren. Irgendwie schafften die jungen Männer es, ohne Unterschrift zum Flugzeug zu gelangen. Van der Veen: „Das Ganze hat einen doch sehr eingeschüchtert.“