Nachrichten Januar 2013
MEDIZIN: Umstrittener niederländischer Arzt arbeitete in deutschem Klinikum
Heilbronn. AF/HS/NOS/Parool/SLK-Kliniken/VK. 07. Januar 2013.
„Die Zusammenarbeit mit Ernst J. S. wurde mit Bekanntwerden der Vorwürfe beendet“, so die SL-Kliniken Heilbronn am vergangenen Freitag. Dort war der Neurologe Ernst J. S. seit 2011 als Honorararzt beschäftigt gewesen, obwohl er in den Niederlanden aufgrund falschgestellter Diagnosen strafrechtlich verfolgt wurde und seine Approbation hatte abgeben müssen. Die niederländische Gesundheitsministerin Edith Schippers (VVD) hat inzwischen reagiert und mit ihren europäischen Amtskolleginnen und -kollegen über die Möglichkeiten gesprochen, Daten über suspendierte und verurteilte Ärzte auszutauschen.
Dem Arzt wird vorgeworfen als Neurologe am Medisch Spectrum Twente (MST) in Enschede zwischen 1998 und 2003 viele falsche Diagnosen gestellt zu haben. Nicht nur, dass daraufhin unnötige Operationen anberaumt und falsche Medikamente verordnet wurden – eine Patientin beging Selbstmord, nachdem ihr fälschlicherweise mitgeteilt worden war, sie leide an Alzheimer. Zudem wird J. S. vorgeworfen, Rezeptblöcke gestohlen zu haben sowie tausende Euros einer Forschungsstiftung veruntreut zu haben. 2004 wurde er vom MST entlassen. Genau wie die finanziell entschädigten Patienten bekam er eine Schweigepflicht auferlegt. Außerdem verpflichtete sich J. S. gegenüber dem MST dazu, nicht weiter als Arzt zu arbeiten.
Erst fünf Jahre später führte das MST zwei Untersuchungen der Ereignisse durch. Auch die Inspektion für das Gesundheitswesen (IGZ), der vorgeworfen wurde, ihrer Kontrollpflicht nicht nachgekommen zu sein, untersuchte die Vorfälle in Enschede. Im Endergebnis führten diese Untersuchungen dazu, dass J. S. sich vor Gericht für seine Taten verantworten muss. Ihm werden schwere Körperverletzung in mindestens 21 Fällen vorgeworfen. Die Vorverhandlung begann am 28. November 2012. Das Gericht in Almelo erklärte, es handle sich hierbei um das größte medizinische Strafverfahren, welches die Niederlande je erlebt hätten.
Keine Patienten in Heilbronn geschädigt
Der Absprache mit dem MST zum Trotz ging J. S. nach seiner Entlassung 2004 nach Deutschland und arbeitete in verschiedenen Privat-Kliniken. Zuletzt in der Klinik am Gesundbrunnen in Heilbronn. In der Stellungnahme des Klinikums heißt es: „Alle erforderlichen Qualifikationsnachweise (u.a. auch eine deutsche Approbation und die Facharztanerkennung aus dem Jahr 2006) lagen dem Klinikum bei der Einstellung vor. Die gegen ihn laufende Strafverfolgung in den Niederlanden sowie der angebliche Entzug der dortigen Ärzteapprobation waren dem Klinikum nicht bekannt.“
Die Lokalzeitung Heilbronner Stimme hingegen zitiert den Geschäftsführer der SL-Kliniken, Thomas Jendges mit den Worten, man habe seit Mitte 2011 gewusst, dass im Nachbarland ein Verfahren gegen J. S. laufe. „Kurz nach Beginn seiner Tätigkeit gab es einen Hinweis, dass Ernst J. S. seine Zulassung zurückgab und es ein Verfahren gegen ihn gebe“, sagte Jendges. Wer genau im Gesundbrunnen von den Hinweisen wusste, konnte Jendges gestern nicht sagen. „Mir persönlich war es nicht bekannt.“ Da J. S. nicht verurteilt war und es auch keinen Haftbefehl gab, habe die Personaldirektion entschieden, ihn weiter zu beschäftigen.
Anfragen des niederländischen Fernsehsenders NOS und Berichte in der Heilbronner Stimme führten vergangenen Freitag schließlich zu J. S. Entlassung. „Als Stations- und Konsilarzt hat er im Klinikum keine Eingriffe durchgeführt oder für die Patienten kritische Therapien eingeleitet. Das Klinikum schließt daher derzeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus, dass Patienten in Heilbronn geschädigt wurden“, beruhigte das Klinikum in seiner Presseerklärung seine Patienten.
Europaweite Schwarze Liste für suspendierte Ärzte?
Die niederländische Politik zeigte sich geschockt. Die Sozialdemokraten forderten eine europaweite Schwarze Liste für Ärzte, die ihre Patienten gefährden. Der CDA hat eine kurzfristige Debatte zum Fall J. S. im Parlament beantragt und die Gesundheitsministerin Edith Schippers (VVD) hat mit ihren europäischen Amtskolleginnen und -kollegen über die Möglichkeiten gesprochen, Daten über suspendierte und verurteilte Ärzte auszutauschen.
„Gegen J. S. läuft in den Niederlanden ein Verfahren, darauf kann ich nicht näher eingehen. Doch er steht nicht mehr im niederländischen Ärzteregister und darf in den Niederlanden deshalb seinen Beruf nicht mehr ausüben. Meiner Meinung nach sollten wir in Europa nicht nur die landeseigenen Diplome anerkennen, sondern auch die landeseigenen Sanktionen. Wer in den Niederlanden nicht mehr als Arzt praktizieren darf, darf dies auch in keinem anderen Land mehr“, so Schippers gegenüber Het Parool.