Nachrichten Februar 2013
FINANZMARKT: Niederlande verstaatlichen SNS Reaal-Bank
Den Haag. AF/NRC/SPON/Twitter/VK. 04. Februar 2013.
„Mit diesem Eingriff wurden große Probleme für die finanzielle Stabilität und die Wirtschaft verhindert,“ so erklärte der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem (PvdA) vergangenen Freitag die Entscheidung, die SNS Reaal zu verstaatlichen. Die viertgrößte Bank der Niederlande stand vor dem Bankrott – die Übernahme wird den Staat 3,7 Milliarden Euro kosten.
Peinlich für den frischgebackenen Eurogruppen-Vorsitzenden Dijsselbloem (NiederlandeNet berichtete), der für Europas Streben nach finanzieller und wirtschaftlicher Stabilität stehen sollte, dass ausgerechnet im eigenen Land eine Bank verstaatlicht werden musste. Doch private Investoren zur Rettung der Bank fanden sich nicht, und das Kapital der SNS Reaal schmolz täglich um mehrere hundert Millionen Euro. Vor allem besorgte Sparer holten ihr Geld vom Konto.
Wie kam es zu der Pleite?
Den Ursprung für den Bankrott sieht das NRC Handelsblad in der Übernahme des Baufonds Property Finance durch die SNS Reaal im Jahr 2006. Damit wird die SNS Reaal auf einen Schlag zum größten Spieler auf dem niederländischen Immobilienmarkt. Doch das neue Ressort ist im Verhältnis zum Rest der Bank zu groß. Kein Problem, solange es dem Markt gutgeht. Doch mit der Lehman-Pleite im September 2008 bricht der Immobilienmarkt zusammen. In der Folge muss die SNS Reaal den niederländischen Staat um Geld bitten und erhält 750 Millionen Euro.
Ab diesem Moment steht die SNS Reaal unter verschärfter Beobachtung durch die Nederlandsche Bank (DNB), die 2011 den Auftrag erteilt: Alles verkaufen. Doch obwohl der Besitz der Bank gewaltig schrumpft, erholt sich die SNS Reaal nicht. Im Gegenteil: Im Dezember 2011 wird deutlich, dass sich Bank aus eigener Kraft nicht schaffen wird.
Verschiedene Szenarien werden durchgespielt: Kapital zuschießen, den Konzern im Ganzen oder in Teilen verkaufen, ihn Pleite gehen lassen, ihn gemeinsam mit anderen Banken stabilisieren, aber auch vollständige Verstaatlichung und Enteignung. Diese Lösungsvorschläge diskutiert der Finanzminister – zuerst Jan Kees de Jager (CDA), ab November 2012 dann Jeroen Dijsselbloem – mit der Zweiten Kammer. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wenn etwas durchsickere, so die Befürchtung, gäbe es einen Run auf die Bank. Und damit nicht genug. Die SNS Reaal sei so mit dem Finanzsektor des Landes verwoben, dass die gesamten Niederlande unter Druck geraten, wenn der Konzern Konkurs anmelden muss, warnt die DNB.
Finanzminister Dijsselbloem gibt dem Konzern also bis zum 31. Januar Zeit, einen realistischen Rettungsplan vorzulegen. Doch die Bank liefert nicht. Der Bankenvorstand tritt einen Tag später zurück. Und Dijsselbloem verkündet die Verstaatlichung der viertgrößten Bank des Landes.
Warum Verstaatlichung?
Eine weniger radikale Lösung als die Verstaatlichung der Bank war aufgrund des niederländischen Interventionsgesetzes nicht möglich. Dieses verbietet es der Nederlandsche Bank, in die Geschäfte des Mutterkonzerns einer Bank oder eines Versicherers einzugreifen. Die DNB darf notleidende Banken und Versicherer teilen und in Teilen verkaufen, doch der Mutterkonzern muss dabei außen vor bleiben. Bei Bankenkonglomeraten wie bei SNS Reaal funktioniert dies nicht.
„Das Interventionsgesetz besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil, in dem die DNB Regie führt, war [in diesem Fall] unbrauchbar, weil er auf Holdings nicht angewendet werden kann. Der zweite Teil des Gesetzes, der die Enteignung durch den Staat vorsieht, wurde angewendet. Das Gesetz ist für diese Fälle ausgerüstet mit einer Knallpistole in der einen und einer Atombombe in der anderen Hand“, so der ehemalige DNB-Geschäftsführer Lex Hoogduin gegenüber de Volkskrant.
Auch Finanzminister Dijsselbloem erklärte vergangenen Sonntag in der TV-Sendung Buitenhof, dass die Verstaatlichung der Bank größtenteils aufgrund der Gesetzeslage zu geschehen hatte. Experten hatten das Ministerium und die Zweite Kammer bereits im April 2011 explizit auf den Denkfehler im Gesetzestext hingewiesen. Doch der Rat wurde ignoriert. Wahrscheinlich, so Dijsselbloem im Fernsehinterview, müsse das Gesetz nun geändert werden.
Wirklich systemrelevant?
Viele niederländische Steuerzahler machten ihrer Wut nach der Meldung, dass die SNS mit 3,7 Milliarden Euro an staatlichen Mitteln gerettet werde, im Internet Luft. Neben vielen erbosten Meldungen auf dem Nachrichtendienst Twitter, wurde auch ein „digitaler Schandpfahl“ errichtet, der (Ex-)Verwaltungsräte der SNS Reaal mit Foto und ihren Einkünften zwischen 2006 und 2011 an den Pranger stellt: „Diese (Ex-)Mitglieder des Verwaltungsrates der SNS Reaal schröpften die Niederlande“. Neben der Frage, warum erst so spät gehandelt wurde, drängte die Bürger vor allem die Frage, ob es sich bei der SNS wirklich um eine systemrelevante Bank gehandelt habe.
Auch Wirtschaftswissenschaftler hinterfragen diesen Punkt. „Es ist zweifelhaft, ob die Demontage einer Bank von der Größe der SNS eine Gefahr für die Finanzmärkte darstellt“, erklärte der Volkswirt Roel Beetsma von der Universität Amsterdam gegenüber dem NRC Handelsblad.
Verständlich ist für viele Ökonomen hingegen, dass der Staat die Bank nicht pleitegehen lassen wollte. Selbst wenn die SNS zu Unrecht als systemrelevante Bank wahrgenommen worden sei. Die allgemeine Stimmung sei momentan so verunsichert, dass ein Bankrott das ohnehin geringe Vertrauen in den Finanzsektor völlig zerstören würde. Ein Bankensturm, Chaos, selbst Anarchie sei in diesem Klima nicht auszuschließen.
Die Folgen?
Zwei der vier systemrelevanten Banken in den Niederlanden sind nun verstaatlicht. Die Schulden der niederländischen Regierung steigen nach der jüngsten Rettungsaktion um 1,6 Prozentpunkte nach oben und das Haushaltsloch wächst auf 3,3 Prozent des Bruttoinlandproduktes – womit es deutlich über der Brüsseler Norm von 3 Prozent liegt. Dies alles wirke sich negativ auf die Reputation des Landes als Vorbild in der Eurozone aus, befürchtet das NRC Handelsblad. Auch Dijsselbloems Position als Eurogruppenchef wird so geschwächt.
Neben politischen Folgen, hat die Verstaatlichung der Bank natürlich auch Auswirkungen für das Privatleben vieler Niederländer. Die höhere Staatsschuld wird vermutlich zu weiteren Sparmaßnahmen führen, die alle Bürger treffen. Sparer, die ihr Konto bei der SNS Reaal haben, müssen sich keine Sorgen machen, hieß es. Bis zu einem Betrag von 100.000 Euro sei das Ersparte durch eine Garantieregel abgesichert. Doch Aktionäre und Investoren mit nachrangigen Darlehen sehen ihr Geld wohl nicht wieder.