Nachrichten DEZember 2013


JAHRESRÜCKBLICK: Die Niederlande 2013

Den Haag. AF/EV/TG/VK. 30. Dezember 2013.

Das Jahr 2013 hatte es in sich: Königin Beatrix feierte ihren 75. Geburtstag und dankte ab, ihr Sohn Willem-Alexander wurde der neue König der Niederlande und Finanzminister Jeroen Dijsselbloem Chef der Eurogruppe. Das renovierte Rijksmuseum wurde wiedereröffnet, der Friedenspalast in Den Haag lud zum 100. Geburtstag ein und die Niederlande selbst feierten ihr 200-jähriges Bestehen. Doch natürlich gab es auch weniger angenehme Nachrichten: Im August verstarb Willem-Alexanders Bruder Prinz Friso, die Inhaftierung der Arctic Sunrise-Crew führte zu weiteren diplomatischen Spannungen mit Russland und die Weihnachtstradition des „Zwarte Piet“ wurde von den Vereinten Nationen kritisiert.

Viele kulturelle Höhepunkte 2013

Obwohl man ja denken sollte, der wichtigste Niederländer im vergangenen Jahr sei der im April ins Amt eingeführte König, wurde Mitte Dezember Wim Pijbes, der Direktor des Rijksmuseums, vom Wochenblatt Elsevier zum Niederländer des Jahres gewählt. Er habe es geschafft, die mediale Aufmerksamkeit im 2013 ständig auf sich zu ziehen, so Chefredakteur Arendo Joustra: „Zuerst vor der Wiederöffnung, wobei er es verstand, in der finalen Renovierungsphase seine Ideen durchzusetzen. Dann während der großen Eröffnungsfeier selbst – nur lobende Rezensionen der nationalen und internationalen Presse. Und dann die Belohnung durch das Publikum.“

Das kunst- und kulturinteressierte Publikum kam 2013 in den Niederlanden in jedem Fall auf seine Kosten. Neben der Wiedereröffnung des Rijksmuseums und der 100-Jahr-Feier im Friedenspalast in Den Haag, feierte man in Amsterdam im den vergangenen 12 Monaten 400 Jahre Grachtengürtel, 225 Jahre Kunst- und Kulturzentrum Felix Meritis, 125 Jahre Concertgebouw und Koninklijk Concertgebouworkest, 175 Jahre Tierpark Artis, 100 Jahre Frans Hals-Museum sowie 40 Jahre Van Gogh-Museum.

Ebenfalls einen runden Geburtstag, den 200., durften die Niederlande selbst feiern. Am 30. November 1813 hatte Prinz Willem Frederik von Oranien, nach 18 Jahren im Exil wieder niederländischen Boden betreten und damit die französische Besatzung beendet. Im Beisein von König Willem-Alexander und seiner Frau Königin Máxima wurde die historische Landung des Prinzen am Stand von Scheveningen von rund 700 Schauspielern und Statisten nachgespielt.

Königshaus im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit

Wenn auch nicht Niederländer des Jahres, so schaffte König Willem-Alexander es dieses Jahr doch beim Ranking der 100 erfolgreichsten Niederländer und Niederländerinnen im Ausland auf Platz neun. Seine Ehegattin Königin Máxima steht auf der Liste, die alljährlich von der Boulevardzeitung De Telegraaf veröffentlicht wird, sogar auf dem dritten Platz und ist damit auch die höchstplatzierte Frau. „Königin Máxima hat durch ihren Charme und Intelligenz unser Königshaus international ins Bewusstsein gebracht“, so die Begründung des Telegraaf. Tatsächlich war Máxima nicht nur während des Thronwechsels der Liebling der Medien, sondern auch während des königlichen Staatsbesuchs in Deutschland und der Niederlande-Tournee des neuen Königspaars. Erst vor einer Woche erhielt die schöne Königin dann auch den Deutschen Medienpreis 2013, da sie „ ihre außergewöhnliche mediale Aufmerksamkeit für ein Schlüsselthema nachhaltiger Globalisierungspolitik“ einsetze: Sie versucht, allen Menschen Zugang zu wirtschaftlichen und finanziellen Ressourcen zu erschließen.

Für traurige Schlagzeilen rund um die Königliche Familie sorgte der Tod Prinz Frisos im August. Seit einem Skiunfall im Februar 2012 hatte Prinz Friso im Koma gelegen und nur noch Zeichen von minimalem Bewusstsein gezeigt. Trotz allem kam Prinz Frisos Tod überraschend – noch im Juli hatte die Familie den Prinzen aus einer Londoner Klinik nach Den Haag verlegen lassen.

Wirtschaft: Rezession und Ankündigung von Sozialreformen

Von der Regenbogenpresse naturgemäß weniger intensiv abgehandelt, wurden die negativen Nachrichten aus der Wirtschaft: Eine das Jahr über sinkende Binnenachfrage und weiteres negatives oder stagnierendes Wachstum gepaart mit der Brüsseler Forderung nach weiteren Einsparungen, ließ die Niederländer zwischenzeitlich das Vertrauen in ihre Ökonomie verlieren. Gegen Ende des Jahres erholte sich die Wirtschaftslage zwar leicht, dennoch erkannte die Ratingagentur Standard & Poor’s den Niederlanden die Spitzenbonitäts-Note „AAA“ ab, da die Prognosen für das Wirtschaftswachstum des Landes als schwach eingestuft wurden. Finanzminister Jeroen Dijsselbloem versuchte, dennoch den Optimismus nicht zu verlieren. Er sollte von der parlamentarischen Presse unter anderem wegen seines auch in Stresssituationen souveränen Auftretens zum Politiker des Jahres 2013 gewählt werden.

Trotz vieler Warnhinweise aus Expertenkreisen, die Regierung solle die Wirtschaft „nicht kaputtsparen“, fuhr das Kabinett unter Premier Mark Rutte (VVD) mit seinem Haushaltsplan für 2014 weiterhin einen harten Sparkurs. Kritik an der Finanzpolitik der Regierung war bereits zuvor vom Parteiführer der Christdemokraten, Sybrand van Haersma Buma, geäußert worden. Er nannte die Niederlande gar den kranken Mann von Europa und lobte die Sozialreformen der deutschen Agenda 2010. Im Gegensatz zu Deutschland hätten die Niederlande zu wenige Reformen durchgeführt. „Deutschland war der kranke Mann, jetzt haben die Niederlande diesen Staffelstab übernommen“.

Ebenfalls von Reformzwängen sprach im September dann König Willem-Alexander während seiner ersten Thronrede zur Eröffnung des parlamentarischen Jahres. „Die Arbeitslosigkeit steigt, die Zahl der Insolvenzen nimmt zu, Wohnimmobilien verlieren an Wert, die Renten stehen unter Druck und die Kaufkraft bleibt zurück“. Aus diesem Grund müsse die niederländische Gesellschaft in Zukunft selbst wieder mehr Verantwortung übernehmen und sich langsam aber sicher vom klassischen Versorgungsstaat verabschieden. Der Neologismus„participatiesamenleving“ (dt. Teilhabegesellschaft), den der König verwendete, um die zu erwartenden Veränderungen für die Bürger zu beschreiben, rief ein großes mediales Echo hervor.

Gesellschaft: Angst vor Zuwanderung und Rassismusvorwürfe

Auf diesem Nährboden aus wirtschaftlicher Rezession und angekündigten Sozialkürzungen ließen xenophobe Stimmen nicht lange auf sich warten. Das einzig Überraschende war, dass der offene Brief an die Tageszeitung de Volkskrant, der die Europäische Union vor den „negativen Konsequenzen“ der zu erwartenden Zuwanderung aus Osteuropa warnte, nicht von Rechtspopulist Geert Wilders, sondern vom sozialdemokratischen Sozial- und Arbeitsminister Lodewijk Asscher stammte. Vor allem Mitbürger mit geringem Bildungsabschluss, so die Befürchtung Asschers, müssten mit der Öffnung des Arbeitsmarktes für Bulgaren und Rumänen ab 2014 um ihre Jobs bangen. „Die Dringlichkeit des Problems wird in Brüssel noch unzureichend wahrgenommen und darum möchten wir unsere europäischen Kollegen mit Nachdruck bitten, diese negativen Aspekte des freien Arbeitnehmerverkehrs auf der Agenda weit nach oben zu setzen und das Problem gemeinsam anzugehen.“

Wilders machte erst im Herbst wieder von sich reden als er die Parteichefin der französischen Partei Front National, Marine Le Pen, in Den Haag traf, um über die Zusammenarbeit zwischen nationalistischen Parteien in Europa zu sprechen.

Den Vorwurf des Rassismus kassierten die Niederlanden 2013 wegen der niederländischen Nikolaus-Tradition des „Zwarte Piet“. Der seit Langem bestehende Vorwurf, die Darstellung der schwarzen Helfer des Heiligen Nikolaus sei rassistisch hatte im Oktober neue Nahrung erhalten als eine UN-Arbeitsgruppe erklärt hatte, sie wolle untersuchen, inwieweit die Figur des Zwarte Piet in seiner Rolle als „Dummkopf und Diener“ das stereotype Bild von Afrikanern als „Bürger zweiten Ranges“ bedienen würde. Seit Jahren klagen Kritiker, die niederländische Version des Knechts Ruprechts mit schwarzem Gesicht, roten Lippen, krausen Perücken und goldenen Ohrringen sei rassistisch. Der diesjährige Einzug des Sinterklaas und seiner Helfer wurde deshalb mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt.

Russland

Das ganze Jahr über für Schlagzeilen sorgten die niederländisch-russischen Beziehungen. Das Niederlande-Russlandjahr 2013 hatte die bilateralen Beziehungen stärken sollen, doch bereits im Januar standen die Zeichen erstmals auf Konflikt, als ein russischer Asylsuchender in einem niederländischen Gefängnis Selbstmord beging. Im April dann demonstrierten tausende Homosexuelle gegen den Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in den Niederlanden. Im Juli wurde ein niederländischer Filmemacher wegen „Homopropaganda“ in Russland vor Gericht gestellt.

Das wohl bedeutendste Ereignis für die Beziehungen der beiden Länder war jedoch die Inhaftierung von 30 Greenpeace-Aktivisten – darunter zwei Niederländer –, die noch im September auf dem unter niederländischer Flagge fahrenden Schiff Arctic Sunrise in der Barenzsee eine Protestaktion durchgeführt hatten. Die Aktivisten wurden der Piraterie beschuldigt – ein Delikt, welches in Russland mit 15 Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Die Niederlande als Flaggenstaat verklagten Russland vor dem Internationalen Seegerichtshof in Hamburg. Alle ausländischen Crewmitglieder sind inzwischen freigelassen worden und nach Hause zurückgekehrt.

Weit besser bestellt war es 2013 um die bilateralen deutsch-niederländischen Beziehungen. Dies unterstrichen neben dem bereits erwähnten Staatsbesuch des jungen Königspaars sowohl die gemeinsamen Regierungskonsultationen, die Vertreter der Kabinette von Angela Merkel (CDU) und Mark Rutte (VVD) im Mai zusammen im deutschen Grenzstädtchen Kleve abhielten, als auch der Beschluss, auf militärischem Gebiet enger zusammenzuarbeiten.

Auch im kommenden Jahr werden Deutschland und die Niederlande eng zusammenarbeiten. Abzulesen beispielsweise an der exponierten Stellung der