Nachrichten August 2013


ZUWANDERUNG: Angst vor Invasion aus Osteuropa

Amsterdam. AF/presseurop.eu/TR/VK. 28. August 2013


Ab 2014 haben Rumänen und Bulgaren freien Zugang zum EU-Arbeitsmarkt. Eine Invasion billiger Arbeitskräfte aus Osteuropa befürchtet deshalb der niederländische Sozial- und Arbeitsminister Lodewijk Asscher (PvdA). In einem offenen Brief in der Tageszeitung de Volkskrant, warnte er die Europäische Union vor den „negativen Konsequenzen“ der zu erwartenden Zuwanderung. Die betroffenen Länder reagierten verschnupft. Der bulgarische Arbeitsminister Hassan Ademov erklärte, Asschers Aussagen erinnerten ihn an solche des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders.

In einem offenen Brief, der in de Volkskrant und The Independent veröffentlicht wurde, warnt Asscher zusammen mit dem Briten David Goodhart, Leiter der Denkfabrik Demos, vor den negativen Folgen, welche die Einwanderung „aus den neuen EU-Mitgliedstaaten Mittel- und Osteuropas“ – sprich Bulgarien und Rumänien – haben könnte. Es sei Zeit einen Code Orange auszurufen. Dieser Alarmcode wird in den Niederlanden ausgegeben, wenn das Wasser der Flüsse einen alarmierend hohen Stand erreicht. „Wir müssen aufpassen“, schreiben Asscher und Goodhart, „an manchen Stellen sind die Deiche im Begriff, zu brechen.“

Vor allem Mitbürger mit geringem Bildungsabschluss, so die Befürchtung Asschers und Goodharts, müssten mit der Öffnung des Arbeitsmarktes für Bulgaren und Rumänen um ihre Jobs bangen. „Die Dringlichkeit des Problems wird in Brüssel noch unzureichend wahrgenommen und darum möchten wir unsere europäischen Kollegen mit Nachdruck bitten, diese negativen Aspekte des freien Arbeitnehmerverkehrs auf der Agenda weit nach oben zu setzen und das Problem gemeinsam anzugehen.“

Asscher bekräftigte seine Ansicht drei Tage nach der Veröffentlichung des Briefes auch in der Talkshow Knevel & Van den Brink. Der Minister sprach sich für strengere Vorschriften bei der Einstellung von ausländischen Arbeitnehmern aus. Auch Betriebe, die Immigranten geringere Löhne bezahlen und somit eine unehrliche Konkurrenzsituation schaffen, müssten härter angepackt werden. „Meine Botschaft an die Europäische Union ist: Unterschätzt und verleugnet dieses Problem nicht und unternehmt etwas!“

„Wenn das die Sozialdemokratie in den Niederlanden ist, lasst uns die Leiche begraben“

Bereits im März 2013 hatte der Sozialdemokrat Asscher in einem Brief an die Zweite Kammer erklärt, er wolle nach dem Sommer ein EU-Gipfeltreffen zum Thema Arbeitsmigration organisieren. „Wir müssen dafür sorgen, dass durch den zu erwartenden Anstieg in der Zahl der Arbeitsmigranten nicht auch die Probleme steigen. Dies ist umso wichtiger im Hinblick auf die Öffnung der Grenzen für bulgarische und rumänische Arbeitnehmer im Jahr 2014.“

Auch Goodhart beschäftigt sich bereits länger mit dem Thema Zuwanderung. Im April 2013 veröffentlichte er das Buch The British Dream: Successes and Failures of Post-war Immigration, in welchem er darlegt, dass hohe Immigrationszahlen die nationale Solidarität schwächen und eine Bedrohung sozialdemokratischer Ideale zum Wohlfahrtstaat darstellen können. Er forderte eine Beschränkung der Immigration bei gleichzeitiger Betonung der Integration bereits Zugewanderter. Das Buch löste noch vor Erscheinen Kontroversen aus.

Der nun veröffentlichte offene Brief fand ebenfalls nicht nur Zustimmung. Der niederländische Schriftsteller Arnon Grunberg kritisierte in einem Kommentar in de Volkskrant, dass Asscher und Goodhart konkrete Vorschläge, was nun zu tun sei, in ihrem Brief vermissen ließen. Auch Fakten, die belegten, dass diese Arbeitsmigration schaden könnte, hätten die Autoren nicht geliefert. Im Hinblick auf Asschers Parteizugehörigkeit zur sozialdemokratischen PvdA lautete Grunbergs Schlusssatz: "Wenn das die Sozialdemokratie in den Niederlanden ist, dann würde ich sagen: Lasst uns die Leiche begraben, bevor sie anfängt zu stinken."

Vergleich mit Geert Wilders

Der bulgarische Arbeitsminster Hasan Ademov erklärte der Zeitung Presa: „Mein Kollege hat Unrecht.“ Bulgarien und die Niederlande hätten „ein bilaterales Abkommen unterzeichnet, das Kontrollmechanismen für den Arbeitsmarkt in beiden Ländern beinhaltet“. Dies schließe die Schwarzarbeit, eine der Befürchtungen von Asscher und Goodhart, aus. Anschließend verglich Ademov Asschers Äußerungen mit denen „seines rechtsradikalen Landesgenossen Geert Wilders“. Dieser hatte im vergangenen Jahr für diplomatische Verstimmungen gesorgt, als seine Partei eine Internetplattform lancierte, die Beschwerden über aus Mittel- und Osteuropa stammende Bürger sammelte (NiederlandeNet berichtete).

Erbost hatten daraufhin zehn Botschafter von Polen, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und weiteren osteuropäischen Ländern in den Niederlanden einen offenen Brief an die Zweite Kammer des niederländischen Parlaments geschrieben und das Abzielen der PVV-Website auf eine bestimmte Personengruppe als „herabwürdigend“ bezeichnet. Auch die Europäische Kommission verurteilte die Website damals scharf (NiederlandeNet berichtete).