Nachrichten APRIL 2013


FORSCHUNG: Quadratkilometer Land als „Fenster zur Welt“

Dreischor. MWE/TR. 05. April 2013.

Ein Quadratkilometer Land in der niederländischen Provinz Zeeland steht für ein Jahr im Mittelpunkt des Interesses von Ökologen, Botanikern und Geologen. Sie werden die Landschaft gründlich untersuchen und sich anschließend auf die Suche nach Verbindungen mit der Außenwelt begeben, um zu zeigen, wie alles mit allem verbunden ist und dieses Stück Land ein Fenster zur Welt darstellt.

Das Projekt wird von den zwei Wissenschaftlern Joop Schaminée und Anton Stortelder in Zusammenarbeit mit der Stichting Landschapsbeheer (dt. Stiftung Landschafts Landschaftsschutz) Zeeland durchgeführt. Inspiriert wurden sie durch das Buch „PIG 05049“ der Designerin Christien Meindertsma. Zur Darstellung der Zusammenhänge in der fleischverarbeitenden Industrie beschriftete sie die einzelnen Teile eines Ferkels – des Ferkels 05049 – nach dessen Tod und verfolgte ihre Verteilung in die Welt. Die beiden Wissenschaftler Schaminée und Stortelder möchten dieses Vorgehen nun auf die Landschaft in Zeeland übertragen und die Zusammenhänge dieses Gebietes mit der Außenwelt zeigen.

Dazu werden zunächst die Geschichten der Bewohner gesammelt und auf ihre kulturelle und historische Bedeutung untersucht. Denn das ausgewählte Stück Land besteht nicht nur aus Natur. Neben Feldern, auf denen Kartoffeln und Rosenkohl angebaut werden, befinden sich dort auch ein Sägewerk, ein Weingut, ein kleines Landwirtschaftsmuseum sowie die Kornmühle Aeolus und ein kleiner Friedhof. Auch ein Teil der Ortschaften Dreischor und Beldert fallen in das Gebiet. Im Vordergrund steht daher auch die Zusammenarbeit mit den Bewohnern des Gebietes.

Anschließend wird das Gebiet wissenschaftlich untersucht. Ein Botaniker wird die Flora beschreiben, Vogelkundler die Gänsepopulation studieren und ein Bodenkundler den Lehmboden umgraben. Dies dient dazu, die Erzählungen mit wissenschaftlichen Belegen zu verbinden. Ergänzt wird dieser Schritt durch eine Analyse des Kartenmaterials. Die Wissenschaftler versuchen so einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Aspekten zu schaffen und zu schauen, wie das untersuchte Stück Land das Leben an anderen Orten beeinflusst. Woher bekommt beispielsweise das Sägewerk sein Holz und wo geht es hin? Warum wird in Dreischor Wein angebaut und wird dieser auch außerhalb Zeelands verkauft? Und auch der Friedhof weist Verbindungen zur Außenwelt auf. Etwa die Hälfte der Opfer der Hochwasserkatastrophe von 1953 liegt dort begraben. Dazu kann man eine Karte entwerfen, die darstellt, auf welchen Friedhöfen im Umland oder anderen Teilen der Niederlande die anderen Opfer begraben sind.

Mitte nächsten Jahres werden die Erkenntnisse in Buchform erscheinen. Darin werden die Erzählungen der Bewohner und die der Wissenschaftler gebündelt und illustriert. Auch ein Dokumentarfilm über das ungewöhnliche Projekt ist in Planung. Künstler, denen das Projekt als Inspirationsquelle dient, planen für das nächste Jahr eine Ausstellung ihrer Werke. Joep Schaminée und Anton Stortelder betonen vor allem, dass ihr Projekt ein gemeinsames Projekt mit den Menschen vor Ort sei und dass es in jedem Quadratkilometer der Niederlande wiederholt werden könne, denn Geschichten gebe es überall.