Nachrichten April 2013
URTEIL: Pädophilenvereinigung „Martijn“ darf weiter existieren [UPDATE]
Leeuwarden. TM/DT/krumme13.org/NOS/NRC/VK. 03. April 2013.
Der Gerichtshof im nordniederländischen Leeuwarden hat am Dienstag in einem Berufungsverfahren das Verbot der niederländischen Pädophilen-Vereinigung „Martijn“ zurückgewiesen. Ein Zivilgericht in Assen hatte die Organisation nach einer langen und emotionsgeladenen öffentlichen Diskussion im Juni 2012 verboten und war damit einer geplanten Gesetzesinitiative mehrerer Parlamentsfraktionen zuvorgekommen (NiederlandeNet berichtete).
Das aktuelle Urteil haben die Richter in Leeuwarden damit begründet, dass die Aktivitäten von Martijn zwar mit der öffentlichen Ordnung im Konflikt stehen, von einer drohenden gesellschaftlichen Zerrüttung in den Niederlanden jedoch nicht die Rede sein kann. Deshalb ist ein Verbot der Vereinigung nach Ansicht des Gerichts nicht möglich. Zudem sei nicht bewiesen, dass die Vereinigung strafbare Handlungen getätigt habe. Hierfür sei nicht ausreichend, dass einige Mitglieder der Organisation für Sexualdelikte verurteilt worden sind. Die Vereinigung selbst könne dafür nicht verantwortlich gemacht werden. Nach dem Urteilsspruch des Berufungsverfahrens behält sich die Staatsanwaltschaft nun vor, in Revision zu gehen. Dazu will man untersuchen, ob es Anknüpfungspunkte für eine Überprüfung des Urteils gibt. Einer dieser Punkte könnte die Tatsache sein, dass die Vereinigung Martijn zu dem Zeitpunkt, in dem sie gegen das Urteil in Berufung ging, bereits verboten war. [UPDATE 10. April 2013, TM: Wie das NRC Handelsblad am Dienstag meldete, hat sich die niederländische Staatsanwaltschaft dazu entschlossen, gegen das jüngste Urteil in Revision zu gehen. Wie die Staatsanwaltschaft bekanntgab, habe man den Entschluss ausnahmsweise auch auf Englisch publiziert, da das Urteil von Leeuwarden weit über die niederländischen Grenzen hinaus für Aussehen gesorgt habe.]
Innerhalb des Parlaments wollen die beiden christlichen Parteien CDA und ChristenUnie aus aktuellem Anlass nun einen anderthalb Jahre alten Gesetzentwurf für ein Verbot Martijn-ähnlicher Vereinigungen wieder aus der Schublade holen. Laut Aussage des CDA-Abgeordneten Pieter Omtzigt sei es das Vorhaben der beiden christlichen Parteien, ein Übereinkommen des Europarates zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch aus dem Jahr 2007 auf niederländisches Recht zu übertragen. Die Niederlande haben den Vertrag seinerzeit zwar unterzeichnet, jedoch noch nicht in nationales Recht übertragen. Laut des Vertrages kann eine Organisation dann verboten werden, wenn ein leitendes Mitglied für den Besitz von Kinderpornographie verurteilt wurde: „Martijn ist kein Therapieverein, sondern eine Vereinigung die aktiv propagiert, dass man mit sehr jungen Kindern Sex haben kann. Mit Babys und Kleinkindern. Es ist nicht harmlos, worum es hier geht“, so Omtzigt und weist darauf hin, dass etliche Martijn-Mitglieder für Pädophilie verurteilt wurden.
Reaktionen zum Urteil kommen auch aus anderen im Parlament vertretenen Personen. So bewertet die PVV-Abgeordnete Lilian Helder das Urteil als „sehr schade“. Die D66-Abgeordnete Magda Berndsen tut sich hingegen schwer mit einer klaren Bewertung: „Ich möchte überhaupt nichts von Pädophilie wissen, finde es von allen Seiten verwerflich, aber wir sind sehr wohl ein Rechtstaat. Rechtsstaatlich betrachtet habe ich Verständnis für das Urteil des Richters, emotional finde ich es aber schwierig.“ Von Seiten der regierenden VVD-Fraktion wollte man sich offiziell zunächst noch nicht äußern und erst abwarten, ob die Staatsanwaltschaft noch in Revision gehen wird. In den deutschen Massenmedien fand das Urteil bislang kaum Beachtung. Das hierzulande ansässige Pädophilen-Portal Krumme 13 sprach daraufhin von einem „Medienskandal“ und unterstellte, dass die „Mainstream-Medien in Deutschland“ die Nachricht vom Berufungsurteil „unterschlagen“ würden.
Die Vereinigung Martijn wurde 1982 ins Leben gerufen, um Pädophilen ein Forum zu bieten und eine Stimme zu geben. Erotische Kontakte und sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern, die auf gegenseitigem Einverständnis basieren, schadeten niemandem und sollten gesellschaftlich akzeptiert und gesetzlich erlaubt werden, lautete der Standpunkt des Vereins. Alle drei Monate gab Martijn eine Zeitschrift heraus, worin neben Essays und Leserbriefen, in denen sexuelle Handlungen mit Kindern beschrieben wurden, auch Abbildungen von halbbekleideten oder nackten Kindern zu finden waren. Die Website des Vereins, die nach dem Assener Urteil im Juni 2012 offline ging, bot Informationen über Pädophilie, ein umfangreiches Nachrichtenarchiv, sowie ein Forum für Mitglieder (NiederlandeNet berichtete).