Nachrichten September 2012


FACEBOOKPARTY: Krawalle in Haren

Haren. MWE/NRC/VK. 27. September 2012.

Nachdem die Ankündigung eines Geburtstagsfestes über Facebook außer Kontrolle geraten war, haben am letzten Wochenende in der niederländischen Stadt Haren tausende Jugendliche randaliert und gewütet. Der Schaden beläuft sich auf mehrere Millionen Euro, verletzt wurden 29 Personen. Die Polizei will nun durch Videoauswertung möglichst viele Täter identifizieren und zur Verantwortung ziehen.

Die 15-jährige Merthe hatte die Einladung zu einem Fest anlässlich ihres 16. Geburtstags über Facebook öffentlich zugänglich gemacht. Dadurch war es möglich, dass auch Freunde von Freunden die Ankündigung einsehen und weitere Personen einladen konnten. Innerhalb weniger Tage wurden so 3.500 Menschen eingeladen. Merthe selbst twitterte anfangs noch: „Das wird ein geselliges Fest am 21., nur 3.500 Leute.“ Gemeinsam mit ihren Eltern beschloss sie dann aber, die Einladung von Facebook zu entfernen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich ihr Fest allerdings schon zum Selbstläufer entwickelt und wurde von anderen Nutzern erneut ins Netz gestellt. Unter dem Namen „Project X Haren“ – in Anspielung auf den Film Project X (2012), der die Eskalation einer Party thematisiert – machte die Einladung im Netz die Runde.

Nachdem auch die Medien über das Thema berichtet hatten, versuchte die Gemeinde Haren gemeinsam mit der Polizei die nötigen Schritte zu unternehmen, um das Ereignis abzuwenden, bereitete sich dann allerdings schnell auf den Ernstfall vor. Am 21. September hatten 30.000 Facebook-Nutzer angegeben, nach Haren reisen zu wollen, um dort zu feiern. Die Deutsche Polizei wurde konsultiert und riet – nach Erfahrungen mit ähnlichen Facebook-Partys – vor allem die Hooligans im Auge zu behalten. Zudem sollte man damit rechnen, dass zehn Prozent der angemeldeten Besucher tatsächlich in Haren erscheinen würden. Die niederländische Polizei hielt daraufhin 250 Mitglieder der Bereitschaftspolizei bereit.

Am Nachmittag des 21. Septembers zogen zunächst nur einige Jugendliche singend durch die Straßen, machten Fotos und trugen Partyhütchen. Auch die Bewohner von Haren betrachteten das Ganze noch entspannt. Einige Stunden später kamen jedoch immer mehr Menschen nach Haren und die Stimmung begann zu kippen. Unter den „Gästen“ waren auch einige bekannte Hooligans. Schnell wurde mit Glas, Steinen und Feuerwerk geworfen, Gärten wurden verwüstet, Autos eingetreten und in Brand gesteckt. Auch Geschäfte wurden geplündert und Bewohner und vor allem Polizisten gezielt angegriffen.

Noch in der Nacht wurden 34 Krawallschläger verhaftet. Eine Kommission, bestehend aus 30 Personen unter Leitung von Job Cohen, ehemaliger Bürgermeister der Stadt Amsterdam, untersucht nun die Vorfälle und wertet Bildmaterial und Videoaufnahmen aus. Bisher hat die Polizei 50 Verdächtige im Auge. Priorität hat die Aufklärung der Misshandlung eines 84-Jährigen, der mit einer Gehwegplatte niedergeschlagen wurde und dabei eine leichte Hirnblutung und einen Kieferbruch erlitt. Zudem soll geprüft werden, was sich im Einzelnen ereignet hat und ob die Krawalle hätten verhindert werden können. So soll es beispielsweise vorab Überlegungen gegeben haben das niederländische Militär einzusetzen.

Die Familie der 16-jährigen Merthe hat sich in einem öffentlichen Brief an die Einwohner Harens gewandt. Rob Bats, Bürgermeister der Stadt Haren, verlas den Brief am Montag während einer Gemeinderatssitzung. Merthes Familie bezeichnete die Vorfälle als fürchterlich und zeigte sich erschüttert: „Es tut uns leid, dass sich eine unschuldige Einladung zu großen Krawallen ausgeweitet hat. Unser Mitgefühl gilt den Bewohnern, die große Angst ertragen mussten und Schaden erlitten haben.“ Weiter dankte die Familie der Polizei und der Gemeinde für die Unterstützung und bat darum, dass man ihre Privatsphäre respektiere.

In Deutschland und anderen Ländern sorgte das Ereignis ebenfalls für viel Aufmerksamkeit. Auch die deutsche Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner meldete sich zu Wort. Facebook sei mitverantwortlich für die Eskalation, „weil der Konzern nicht bereit ist, die Datenschutz-Einstellungen zu verbessern“, sagte Aigner gegenüber der Rheinischen Post. Sie fordert Vorkehrungen, damit Jugendliche nicht aus Versehen eine private Veranstaltung Millionen anderen Nutzern zugänglich machen.