Nachrichten Oktober 2012


ENERGIEWENDE: Niederländischer Netzbetreiber TenneT warnt vor Scheitern

Berlin. /FAZ/FTD/nu.nl. 25. Oktober 2012.

Das ehrgeizige deutsche Ziel, im Jahr 2030 ganze 15 Prozent des deutschen Strombedarfs über Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee zu produzieren, wackelt immer mehr. Bereits seit Monaten ist die Anbindung der Windparks ins Stocken geraten. Den schwarzen Peter schieben sich seitdem die deutsche und die niederländische Seite gegenseitig zu. Sah es noch im August so aus, als sei der Energiestreit zwischen Deutschland und den Niederlanden beigelegt, nimmt die Dramatik nun wieder zu. Konfliktpunkt zwischen beiden Ländern war und ist der Stromnetzbetreiber TenneT, der zu 100 Prozent dem niederländischen Staat gehört und der Anfang 2010 das knapp 11.000 Kilometer lange Teil-Stromnetz der E.ON-Tochter Transpower übernommen hatte (NiederlandeNet berichtete).

TenneT ist seitdem für alle Leitungen auf den deutschen Meeren verantwortlich, wo große Windkraftwerke einen großen Teil zur im letzten Jahr vom Kabinett Merkel beschlossenen Energiewende beitragen sollen. Durch dieses ehrgeizige Projekt steht die deutsche Regierung im eigenen Land zurzeit stark unter Druck, Maßnahmen einzuleiten, um mit der Umsetzung der Energiewende zu beginnen. Von Gesetz her ist TenneT dazu verpflichtet, weitere 15 Milliarden Euro zusätzlich in den deutschen Teil seines Stromnetzes zu investieren, vom niederländischen Staat stehen allerdings keinerlei finanzielle Mittel mehr zur Verfügung. Aus diesem Grund einigten sich die beiden Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Maxime Verhagen (CDA) im August auf den Kompromiss, dass sich TenneT um private Geldgeber für die notwendigen Investitionen bemühe. Bedingung der niederländischen Seite war zudem, dass möglichst schnell geklärt werden soll, wer für die bislang entstandenen Verzögerungen und Ausfälle bei der Netzanbindung haftet (NiederlandeNet berichtet).

Private Geldgeber gibt es bislang keine, dafür kam es aber am Montag in Berlin zu einer Anhörung über einen aktuellen deutschen Gesetzentwurf über Haftungsregeln bei Offshore-Windparks. So ist geplant, dass Übertragungsnetzbetreiber wie TenneT bei fahrlässigem Verhalten bis zu 100 Millionen Euro jährlich an Schadenersatzzahlung droht. Die Haftungsregeln würden bereits bei leichter Fahrlässigkeit greifen und laut TenneT-Geschäftsführer Lex Hartman somit unrealistisch hoch sein. Durch die neuartigen Technologien müsste man zudem immer wieder mit Problemen rechnen. Dadurch, dass die Jahreshaftung in etwa so hoch ist wie der Jahresgewinn des Unternehmens, würde dies potentielle Kapitalgeber nur noch mehr vergraulen. Diese seien aber notwendig, um bei der stockenden Anbindung der Windparks auf dem Meer wieder Fahrt aufzunehmen, so Hartman. Der deutschen Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) warf Hartman persönlich vor, für die umstrittenen Haftungspassagen im Gesetzentwurf verantwortlich zu sein: „Das Gesetz ist der Tod von Offshore“ so Hartman laut FAZ am Montag in Berlin.

Der TenneT-Geschäftsführer forderte zu Beginn der Woche neben klaren Haftungsregeln auch einen konkreten Plan für den Ausbau der Windkraft. TenneT setzt sich bei der Bundesregierung dafür ein, die noch zu errichtenden Anschlüsse über eine längere Periode als bisher geplant zu strecken: „Dadurch, dass die deutsche Regierung so viel Druck macht, laufen wir regelmäßig gegen Hindernisse“, wird Hartman auf nu.nl zitiert. „Die Industrie ist einfach nicht im Stande, um innerhalb von drei Jahren zu schaffen, was erst in zehn Jahren abgeschlossen sein muss. Es gibt weltweit nur drei Unternehmen, die die richtigen Techniken liefern können.“

Durch das Geld, welches TenneT für den Ausbau des Netzes und die Anbindung der Offshore-Plattformen in der Nordsee fehlt, aber auch durch Lieferprobleme und die beschriebenen fehlenden Haftungsregeln wird das niederländische Staatsunternehmen mehr und mehr zum größten Hindernis der deutschen Energiewende. Die Verzögerungen bei den notwendigen Investitionen in die Netze bringen den Betreibern der Windparks große Verluste ein. So hatte das dänische Energieunternehmen DONG Energy erst vor kurzem angekündigt, den Ausbau seines Windparks vor der Küste der Insel Borkum zu stoppen, da TenneT kein Datum nennen könne, wann die Leitungen stehen, welche die auf dem Meer produzierte Energie zu den Stromnetzen an Land transportieren sollen.

Weitere Informationen zur niederländischen Energiepolitik in unserem Hintergrunddossier Energiewirtschaft in den Niederlanden