Nachrichten Juli 2012


GESCHICHTE: Entdeckte Fotos zeigen Exekution im kolonialen Indonesien

Amsterdam/Enschede. TM/VK. 13. Juli 2012.

Exekution Indonesien
Aufmacher der Volkskrant vom Dienstag: „Erstes Bild von Exekution in Indonesien“, Quelle: NiederlandeNet

Einen für die niederländische Geschichtsschreibung sensationellen Fund vermeldete Anfang der Woche die in Amsterdam erscheinende Tageszeitung de Volkskrant. Auf mehreren Seiten veröffentlichte die Zeitung Fotos aus dem Tagebuch eines verstorbenen Veteranen aus der niederländischen Kolonialzeit in Indonesien. Das Besondere daran: Auf zwei der Fotos wurde eine Exekutionsszene gezeigt, bei der eine niederländische Spezialtruppe zivil gekleidete Männer exekutierte. Solches Bildmaterial wurde bislang noch nie veröffentlicht. Indonesien war fast 150 Jahre eine niederländische Kolonie. Nach dem zweiten Weltkrieg tobte dort ein blutiger Unabhängigkeitskrieg, bei dem sich die Niederlande erst 1949 geschlagen gaben.

Bisher galt es zwar als sicher, dass es im ehemaligen Niederländisch-Indien – dem heutigen Indonesien – in den kolonialen Jahren bis 1949 des Öfteren zu standesrechtlichen Erschießungen gekommen ist, die Existenz von Film- oder Fotoaufnahmen dieser Aktionen war bislang jedoch nicht bekannt. Mit zur Einstufung als „Sensationsfund“ trägt zudem die Art und Weise bei, wie die Fotos jetzt an die Öffentlichkeit kamen. Wie de Volkskrant berichtete, lagen die Aufnahmen bis vor kurzem in einem Müllcontainer in der ostniederländischen Grenzstadt Enschede. Ein Mitarbeiter des dortigen Gemeindearchivs sah mehrere Alben im Müll liegen und beschloss, sie sich näher anzuschauen. Er zeigte sie auch den Archivaren seines Museums. Diese wurden zunächst durch die Abbildung eines Gefangenentransportes alarmiert und beschlossen, das entsprechende Album noch einmal genauer anzuschauen und stießen schließlich auf die Bilder der Exekution. Auf dem ersten Foto wird die Liquidation von drei Indonesiern gezeigt, die am Rand eines Grabens stehen. Das zweite Bild zeigt den Inhalt des Grabens: etliche Leichen von exekutierten Indonesiern. Am Rand stehen zwei niederländische Soldaten, zu erkennen an ihren Uniformen.

Zweifel an der Echtheit der Aufnahmen kamen bei hinzugezogenen Historikern nicht auf. Experten zweier renommierter Forschungseinrichtungen, dem Institut für Kriegsdokumentation NIOD und dem Institut für Militärgeschichte NIMH geben gegenüber de Volkskrant zudem an, derartige Fotos noch nie zuvor gesehen zu haben: „Es handelt sich hierbei nicht um alltägliche Fotos und es ist ganz sicher nicht so, dass jeder Soldat derartige Fotos mit nach Hause brachte“, so ein Mitarbeiter des NIHM. Und auch für René Kok vom NIOD ist dieser Fund Neuland in der Aufarbeitung der niederländischen Kolonialgeschichte: „Wir haben sehr viele Fotoalben hier. Und man wartet immer auf den Moment, dass ein derartiges Foto auftaucht und das ist jetzt passiert. Zuvor habe ich dies noch nicht gesehen.“

Offizielle Aufzeichnungen über Exekutionen im ehemaligen niederländischen Kolonialgebiet gibt es bislang nur wenige. Am bekanntesten ist dabei wohl ein Blutbad an 431 männlichen Bewohnern des Ortes Rawagede auf der Insel Java. Den Hinterbliebenen der damaligen Opfer wurde im vergangenen Jahr durch ein Aufsehen erregendes Urteil erstmals Schadenersatz zuerkannt und es folgte darauf auch eine erste offizielle Entschuldigung der niederländischen Regierung (NiederlandeNet berichtete). Nach dem Urteil wurden zudem auch Forderungen laut, wonach man die historische Forschung nach den damaligen Geschehnissen während der Kolonialzeit wieder aufnehmen sollte und dafür von der Regierung Gelder einforderte: „Für mich ist die Publikation der Fotos eine Unterstützung für unser Plädoyer für neue Forschungen. Man kann hieran sehen, dass wirklich neue Fakten in den Vordergrund kommen können, und dass mit dem Lauf der Zeit sehr wohl neue Quellen auftauchen können“, so die NIOD-Direktorin Marjan Schwegman.

Der Inhaber und Fotograf des sensationellen Albums ist der mittlerweile verstorbene Soldat Jacobus R. aus Enschede. Er wurde am 8. Mai 1947, kurze Zeit vor dem Beginn der Militäroperationen der Niederlande gegen die Republik Indonesien ins damalige Kolonialgebiet geschickt und kam erst 1950 nach der Souveränitätsübertragung wieder zurück in die Niederlande. Selbst diente der Sohn eines Friseurs, der selbst kinderlos blieb, bei der niederländischen Artillerie. Offiziell überlieferte Meldungen über Exekutionen in seiner Gruppe gibt es nicht. Vermutlich haben die Artilleriesoldaten um Jacobus R. lediglich speziale Truppen oder Infanteristen, die sehr wohl Exekutionen ausführten, bei diesen Aktionen unterstützt.

Mehr zur Geschichte zwischen den Niederlanden und Indonesien in unserem Dossier Entwicklungszusammenarbeit seit 1945.