Nachrichten Juli 2012


POLITIK: Historischer Beschluss zur Anhebung des Rentenalters

Den Haag. MWE/NRC/TR/VK. 11. Juli 2012.

Gestern wurde in den Niederlanden der Gesetzesvorschlag zur schrittweisen Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre durch eine Mehrheit in der Ersten Kammer beschlossen. Es handelte sich hierbei um einen historischen Beschluss, denn seit Einführung der gesetzlichen Altersrente im Jahr 1957 lag das Rentenalter konstant bei 65 Jahren. Bereits im Lenteakkoord (NiederlandeNet berichtete) hatten VVD, CDA, D66, GroenLinks und ChristenUnie abgesprochen, das Rentenalter jedes Jahr um ein paar Monate anzuheben.

Ab dem 1. Januar 2013 steigt das Rentenalter zunächst jedes Jahr um einen Monat und ab 2015 um zwei Monate, sodass es 2019 bereits bei 66 Jahren liegt. Ab 2019 wird das Rentenalter jährlich um drei Monate angehoben, um im Jahr 2023 bei 67 Jahren zu liegen. In den Jahren nach 2023 wird das Rentenalter erneut an die eventuell steigenden Lebenserwartungen angepasst.

Nach dieser Rechnung müssten bereits im nächsten Jahr 200.000 Menschen einen Monat später in Rente als erwartet. Auch für Leute im Vorruhestand ergeben sich Probleme, denn die Laufzeit entsprechender Bestimmungen und Regelungen endet mit dem 65. Lebensjahr, dem bisherigen Renteneintrittsalter. Frührentner müssen nun möglicherweise über einen Zeitraum von einem Monat bis hin zu anderthalb Jahren ohne Geld auskommen. Auf Ersuchen des GroenLinks-Senators Tof Thissen wurde zugesagt, dass geprüft würde, welche Übergangsregelungen in diesem Fall getroffen werden könnten, um Menschen zu unterstützen, die diese Situation nicht finanziell auffangen könnten. Eine Möglichkeit besteht bisher in einem Vorschuss auf die Rente, der allerdings später zurückgezahlt werden muss. Eine weitere Folge des Gesetzes ist, dass nun auch damit zusammenhängende Gesetze verändert und Arbeitsverträge angepasst werden müssen. In den meisten Arbeitsverträgen ist festgelegt, dass der Arbeitnehmer mit Eingang des 65. Lebensjahres entlassen wird.

Die gesetzliche Altersrente in den Niederlanden, das Algemene Ouderdomswet (AOW), ist eine Basisrentenversicherung, bei der jeder Niederländer versichert ist, ohne Unterschied zwischen arbeitenden und nicht-arbeitenden Personen. Bei der Gesetzeseinführung im Jahr 1957 hatte der damalige Ministerpräsident Willem Drees (PvdA) bereits darauf angespielt, dass durch steigende Lebenserwartungen eine Anhebung des Rentenalters notwendig werden würde. Doch bis jetzt hatten sich keine Änderungen für das gesetzliche Rentenalter ergeben, obwohl es bereits seit 20 Jahren immer wieder Diskussionen darüber gab. Nun wurde diese wichtige Veränderung in nur fünf Wochen beschlossen. Das NRC Handelsblad schrieb dazu: „Die Eile rund um das Gesetz zeigt nicht so sehr die Tatkraft der Lente-Koalition, sondern eher die mangelnde Tatkraft der Jahre zuvor“.

Fast alle Parteien kritisierten die überstürzte Behandlung des Gesetzes und dass dies auf Kosten der sorgfältigen Überprüfung und Beurteilung geschehe. Innerhalb kürzester Zeit musste der Gesetzesvorschlag von Sozialminister Henk Kamp (VVD) sowohl in der Zweiten als auch in der Ersten Kammer behandelt werden. Die Erste Kammer hatte nur drei Tage Zeit, um eine Entscheidung zu fällen. Gegen die Anhebung des Rentenalters stimmten PVV, SP und PvdA, während sowohl VVD, CDA und D66 bereits in ihren Wahlprogrammen verlauten ließen, die Rente mit 67 Jahren schon 2018, 2020 beziehungsweise 2021 erreichen zu wollen.