Nachrichten Juli 2012
POLITIK: Niederländisches Parlament geht in die Sommerpause
Den Haag. MWE/NRC/TR/VK. 06. Juli 2012.
Gestern fand in der Zweiten Kammer die letzte Sitzung dieses Parlamentsjahres statt. Bis weit nach Mitternacht kamen die Abgeordneten in dieser Besetzung ein letztes Mal zusammen, um noch einige wichtige Entscheidungen zu treffen und um über gut 70 Anträge abzustimmen und zu debattieren. Nach diesem Marathon ging das niederländische Parlament in die Sommerferien, an die sich im September die Neuwahlen anschließen werden.
Bereits um neun Uhr morgens begann der letzte Sitzungstag in der Zweiten Kammer. Insgesamt wurde die Tagesordnung elfmal überarbeitet und abgeändert, sodass diese Sitzung den Rekord des längsten Sitzungstages aus dem Jahr 2006, der bis 5:38 Uhr ging, doch nicht brechen konnte. Man war davon ausgegangen, dass diese Sitzung ebenfalls besonders lang werden würde, da Entscheidungen aufgrund der Neuwahlen im September nicht aufgeschoben werden konnten. Doch bereits um 1:35 Uhr, nachdem viele Debatten von der Agenda gestrichen und die Redezeit verkürzt worden war, beendete die Vorsitzende Gerdi Verbeet die Sitzung. Sie riet allen Abgeordneten, die Ferien zu nutzen, um sich zu erholen und anschließend vor allem fair wieder in den Wahlkampf zu starten.
Zu den wichtigsten Themen gehörte die Diskussion um das Projekt der Joint Strike Fighter (JSF). Seit 2002 investierten die Niederlande gut 800 Millionen Euro in die Entwicklung der F-35 Maschinen als Nachfolger der F-16 Flugzeuge. Die PvdA hatte zu Beginn dieser Woche angekündigt, die Teilnahme an diesem Projekt aus Kostengründen beenden zu wollen, da es zu viele Undeutlichkeiten gebe und wenig über die tatsächlichen Kosten und Nutzen bekannt sei. Für einen entsprechenden Antrag ergab sich daraufhin im Parlament eine Mehrheit. Verteidigungsminister Hans Hillen (CDA) ließ allerdings verlauten, einem solchen Antrag nicht Folge leisten zu wollen, da die aktuelle Regierung bereits zurückgetreten sei. Eine Entscheidung über die Beendigung der Teilnahme an diesem Projekt, könne erst das folgende Kabinett treffen. GroenLinks kündigte daraufhin an, einen Misstrauensantrag zu erwägen.
Gestern entschied sich nun, dass das Verteidigungsministerium einer Analyse der tatsächlichen Kosten des Projektes durch ein unabhängiges Institut zustimmt. Damit war der Misstrauensantrag der Grünen vom Tisch. Auch der Antrag der SP auf Beendigung des Projektes, der eine Mehrheit von 77 zu 71 Stimmen erhielt, lief nach Ankündigung der Kostenanalyse ein wenig ins Leere.
Zu weiteren Themen, die gestern zum Ende des Parlamentsjahres noch behandelt wurden, gehörten beispielsweise auch die freien Zahnarzttarife, die nun wieder abgeschafft werden sollen. Seit Beginn des Jahres konnten niederländische Zahnärzte die Preise für ihre Behandlungen selbst bestimmten. Dieses Experiment wird auf Wunsch der Zweiten Kammer nun beendet, da die Preise im ersten Quartal um durchschnittlich 6,1 Prozent gestiegen waren. Ab 1. Januar 2013 wird erneut das alte System mit festen Preisen eingeführt. Auch die Einsparungen auf dem Gebiet der Raumfahrt werden rückgängig gemacht. Eine Mehrheit von D66, CDA, SP, GroenLinks und PvdA sprach sich gegen Kürzungen aus, da dadurch auch die European Space Research and Technology Centre (Estec) oder die European Space Agency (ESA) betroffen seien und Arbeitsplätze wegfallen könnten.
Laut NRC Handesblad fiel auf, dass alle Debatten durch die anstehenden Neuwahlen beherrscht wurden und der letzte Sitzungstag nicht genutzt wurde, um miteinander zu arbeiten, sondern sich auf Kosten vieler Themen zu profilieren.
Fast mehr Aufmerksamkeit als die eigentliche Debatte fand eine Anekdote am Rande der Sitzung: Während Sozialminister Henk Kamp (VVD) im Saal den Debatten beiwohnte, nistete sich unter der Motorhaube seines Dienstwagens vor dem Parlamentsgebäude ein Frettchen ein. Erst nach einigen Stunden gelang es dem Tierrettungsdienst das Tier aus dem Auto zu befreien.