Nachrichten Januar 2012
POLITIK: Politische (Umbruch)Stimmung in den Niederlanden
Den Haag. AF/BN DeStem/CDA.nl/PvdA.nl/ND/NRC/TR. 26. Januar 2012.
Die politische Stimmung in den Niederlanden befindet sich im Umbruch. Wie die letzte Umfrage ergab, würden die meisten Niederländer die Sozialistische Partei (SP) wählen, wenn am nächsten Sonntag Wahlen wären. Die SP, die zum ersten Mal in der Sonntagsumfrage die größte Partei ist, hätte sogar mehr Sitze im Parlament als die traditionellen Volksparteien CDA und PvdA zusammengerechnet. Nicht ganz zufällig haben sowohl Christ- als auch Sozialdemokraten letztes Wochenende auf Konferenzen versucht, ihr Profil zu schärfen.
Die Sozialistische Partei (SP) zöge vor allem Wähler an, die Angst vor der Krise hätten, vor allem vor den Folgen der Rezession und vor den angekündigten Sparmaßnahmen der Regierung, so das Umfrageinstitut Maurice de Hond, welches die Meinungsumfrage durchgeführt hat. Auch Menschen mit niedrigem Einkommen und ehemalige PVV-Wähler würden jetzt SP wählen. Die Sozialisten hatten gegen die jüngsten Sparmaßnahmen im Kabinett gestimmt, gegen die Erhöhung des Renteneintrittsalters und gegen die Euro-Rettungspläne. Zudem sei der Fraktionsvorsitzende der SP in der Zweiten Kammer, Emile Roemer, zurzeit sehr populär. Dieser wurde im Dezember vergangenen Jahres sogar zum beliebtesten Politiker des Landes gewählt (NiederlandeNet berichtete)
„Die freundliche Ausstrahlung von Roemer spielt sicher eine große Rolle“, so der SP-Abgeordnete Farshad Bashir. Doch noch wichtiger sei, dass die SP ihren Worten auch Taten folgen lasse. „Wir sind groß geworden dank unserer Inhalte. Dadurch, dass wir unser Ding durchziehen.“ Auch der Politikwissenschaftler Kees Aarts von der Universität Twente erklärte den Erfolg der SP unter anderem damit, dass die Partei sehr „geradeaus“ sei. Er empfahl der sozialdemokratischen PvdA und dem Christen-Democratisch Appèl (CDA), ihr Profil zu schärfen.
Dies versuchten beide Parteien am vergangenen Wochenende. Der CDA-Kongress war dabei so gut besucht, dass mehrere hunderte Parteimitglieder nicht mehr in die Kongresshalle hineinpassten. Die Parteivorsitzende Ruth Peetoom hatte bereits im Vorfeld erklärt, der CDA werde auf der Versammlung „wirklich festlegen, wo wir stehen“. Der Kongress müsse, so Peetom, den Anfang für eine Diskussion über die Zukunft der Partei darstellen. „Heute bestimmen wir unsere politische Linie für die kommenden zehn bis fünfzehn Jahre.“
„Radikale Mitte“
Im Mittelpunkt des CDA-Kongresses stand der Bericht des Arbeitskreises Strategisch Beraad (dt. Strategische Erwägung), der bereits am Freitag veröffentlicht worden war. Darin wurde für eine Rückkehr der Partei in die „radikale Mitte“ plädiert. Dies bedeute, dass der CDA wieder eine positivere Haltung zum Thema Immigration einnehmen und Themen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit stärker aufgreifen solle. Auch auf das innerhalb der Partei umstrittene Thema, des hypotheekrenteaftrek (dt. Abzug der Hypothekenzinsen von der Steuer) wurde im Bericht des Strategisch Beraad eingegangen. In der heutigen Form könne diese Vergünstigung nicht weitergeführt werden. „Veränderungen sind nötig, doch diese sollen auf eine schonende Art geschehen.“
Bereits zuvor hatte die Kommission „Neue Worte, Neue Bilder“ unter dem Vorsitz von Jacobine Geel die Antwort auf die Frage gegeben, mit welchen Inhalten der CDA seine Grundwerte (verteilte Verantwortung, Solidarität, öffentliche Gerechtigkeit und Verantwortung vor der Schöpfung) im 21. Jahrhundert füllen sollte. Demnach will der CDA zivilgesellschaftliche Initiativen stärker anerkennen, die Menschenwürde schützen, die Verbundenheit der Bürger untereinander fördern und Natur und Kultur für kommende Generationen verteidigen.
Soziale Gerechtigkeit
Während die Christdemokraten in der Nähe von Utrecht neuen Wein in alte Schläuche gossen, betonte derweil die PvdA 50 Kilometer weiter, man wolle sich wieder stärker für die traditionellen sozialdemokratischen Ideale einsetzen. Hans Spekman, der während des Kongresses offiziell zum neuen Parteivorsitzenden ernannt wurde, nach er bereits im Dezember 2011 zum Vorsitzenden gewählt worden war (NiederlandeNet berichtete), erklärte: „Unsere Ideale sind schon hundert Jahre dieselben. Wir wollen Ungerechtigkeit bekämpfen und wir stehen für eine gerechte Verteilung von Wohlstand, Wissen und Macht.“
Von den Medien jedoch weit mehr beachtet wurde die Rede seines Parteikollegen Job Cohen, Fraktionsvorsitzender der Partei in der Zweiten Kammer. Auch Cohen betonte zunächst, dass das alte Ideal der Sozialdemokraten, soziale Gerechtigkeit, auch in Zukunft zu den Kernthemen der PvdA gehören wird. Deshalb müssten auch die Finanzmärkte reformiert werden, so Cohen weiter. In diesem Zuge ging er auch auf die aktuelle wirtschaftliche Krise in Europa ein und warf dem aktuellen Kabinett vor, keine Führungsstärke zu zeigen. Er rief den Premierminister Mark Rutte (VVD) dazu auf, zurückzutreten. „Zu Mark Rutte sage ich: Wenn unter Deiner Führung täglich etwa 200 Menschen arbeitslos werden, dann wird es Zeit, dass Du zurücktrittst.“ Die PvdA sei bereit, das Ruder zu übernehmen, so Cohen. Fraglich nur, ob auch die Wähler dies wünschen.