Nachrichten Januar 2012


HOLOCAUST: Niederländische Regierung soll sich fürs Wegsehen entschuldigen

Den Haag. AF/De Pers/Telegraaf/VK. 04. Januar 2012.

Wie die niederländische Gratiszeitung De Pers heute meldet, fordern verschiedene Stimmen eine offizielle Entschuldigung der Niederlande für die passive Haltung der niederländischen Exilregierung hinsichtlich der Judenverfolgung während des Zweiten Weltkrieges. Zitiert werden Gerrit Zalm, ehemaliger Finanzminister (VVD), und Els Borst, ehemalige Gesundheitsministerin (D66), in dem letzten Sommer erschienenen Buch Judging The Netherlands des israelischen Holocaust-Forschers Manfred Gerstenfeld. Auch der Populist Geert Wilders (PVV) hat inzwischen für eine offizielle Entschuldigung plädiert.

Während des Zweiten Weltkriegs war die niederländische Regierung ins Exil nach London geflüchtet. Mit ihren BBC-Ansprachen wurde Königin Wilhelmina zur moralischen Leitfigur des niederländischen Widerstands, doch dem Thema Judenverfolgung widmete Wilhelmina in ihren Reden nur wenige Sätze. Für diese Untätigkeit der Regierung damals fordern verschiedene Stimmen nun eine offizielle Entschuldigung der heutigen Regierung.

Gerstenfelds Buch Judging the Netherlands (2011) befasst sich mit den Entschädigungsverhandlungen in den Jahren 1997 bis 2000. Damals zahlten die Niederlande der jüdischen Gemeinschaft 314 Millionen Gulden zur Kompensation für im Zweiten Weltkrieg geraubten jüdischen Besitz und Ministerpräsident Wim Kok bekundete tiefes Bedauern über die Behandlung der Juden nach dem Krieg.

Zalm und Borst, die an den damaligen Verhandlungen beteiligt waren, ging das jedoch noch nicht weit genug. „Ich hätte kein Problem damit gehabt, dafür um Entschuldigung zu bitten“, so Zalm in Gerstenfelds Buch. Borst prangert die Tatenlosigkeit der Regierung in London mit harten Worten an: „Ich glaube, wenn alle Katholiken oder Reformierten nach Deutschland deportiert worden wären, hätte die Londoner Regierung der Bevölkerung in den besetzten Niederlanden sehr wohl Instruktionen gegeben.“ Borst zufolge betrachtete die damalige Regierung unter Ministerpräsident Gerbrandy die jüdischen Niederländer nicht als „echte Niederländer“ sondern als eine Sondergruppe. Kok selbst erklärte in Gerstenfelds Buch, dass er es nicht gut fände, sich für etwas zu entschuldigen, was er selbst nicht getan habe.

Gerstenfeld, der 1937 in Wien geboren wurde, in Amsterdam aufwuchs und 1968 nach Israel emigrierte, drängt schon länger auf eine Entschuldigung Den Haags. Die Entschuldigung der niederländischen Regierung für das Blutbad im indonesischen Rawagede (NiederlandeNet bereichtete) werfe ein neues Licht auf das Ganze. „Die Niederlande können jetzt nicht mehr sagen: Wir entschuldigen uns nie, also auch nicht für die Judenverfolgung“, wird Gerstenfeld von De Pers zitiert.

Der Rechtspopulist Geert Wilders (PVV), der sich selbst als „besessen vom Nahostkonflikt“ bezeichnet, sprang jetzt auf den fahrenden Zug mit auf und plädierte ebenfalls für eine nachträgliche Entschuldigung der niederländischen Regierung für die Passivität der niederländischen Exilregierung in London während des zweiten Weltkriegs.