Nachrichten Dezember 2012


WEIHNACHTSANSPRACHE: Königin Beatrix fordert mehr Vertrauen

Den Haag. /NRC/RVD/TR/VK. 28. Dezember 2012

Ein Wort stand in der diesjährigen Weihnachtsansprache der niederländischen Königin Beatrix im Mittelpunkt: Vertrauen. In einer „beschaulichen, leicht spirituellen Analyse des psychologischen Zustandes ihres Landes“, wie der Volkskrant-Kolumnist Bert Wagendorp es ausdrückte, plädierte die niederländische Monarchin für eine verstärkte Zusammengehörigkeit untereinander und die Rückbesinnung auf gemeinschaftliche Werte.

Die im königlichen Palais Huis ten Bosch in Den Haag aufgezeichnete Rede, die am Ersten Weihnachtsfeiertag im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgestrahlt wurde, kursierte in diesem Jahr versehentlich bereits am Heiligabend im Internet. Ein Internetsurfer hatte die Adresse des Videos der letztjährigen Weihnachtsansprache leicht verändert und kam so bereits einen Tag zuvor in den Genuss der königlichen Botschaft. Für den Regierungspressedienst RVD bedeutete dies – nachdem zuletzt im September 2011 der Staatshaushaltsplan auf ähnliche Art und Weise verfrüht an die Öffentlichkeit kam und dies einen mittelgroßen Skandal auslöste (NiederlandeNet berichtete) – erneut einen peinlichen Fehler.

Beatrix dankt für das Mitgefühl für Prinz Friso

Begonnen hatte Königin Beatrix ihre Ansprache mit einem Dank für die breite Unterstützung und das Mitgefühl, welches ihre Familie nach dem lebensgefährlichen Skiunfall von Prinz Friso im Februar (NiederlandeNet berichtete) erfahren habe. Die Worte „Lass Liebe verbinden, lass Hoffnung leben und lass Glaube Kraft geben“ seinen für die Monarchin und ihre Familie in diesem Jahr zur Inspiration geworden und haben für die Mitglieder des Königshauses eine besondere Bedeutung erlangt.

Anschließend kam sie auf die Wichtigkeit von Zusammengehörigkeit zu sprechen. In einer Welt, in der Individualisierungstendenzen immer stärker werden, wird gleichzeitig auch die Gemeinschaft immer bedeutender: „Ohne Gemeinsamkeit und Verbundenheit kann ein Individuum sich nicht entwickeln“, so die Königin. „Wer treu zu sich selber ist, lebt nach eigener Überzeugung und Idealen. Aber niemand lebt für sich alleine. Wir sind auch verantwortlich für unser aller Zukunft“. Mehr als jemals zuvor besteht heute aus Sicht von Beatrix das Verlangen nach gemeinsamen Werten als Basis für Vertrauen. Wichtige Grundsteine dafür liegen in Offenheit und Toleranz: „Durch die Jahrhunderte hinweg schöpfte unsere Gesellschaft Kraft aus der Gegenwart von Menschen mit unterschiedlichem kulturellen und weltanschaulichen Hintergrund. Toleranz hat unser Land stark gemacht. Die Anerkennung von Würde und Gleichwertigkeit eines jeden ist ein wesentliches Element einer friedsamen und gerechten Gesellschaft.“

Auch Vertrauen in Europa sei wichtig

Ein weiteres wichtiges Thema der königlichen Weihnachtsansprache war das steigende Misstrauen in Europa und die Europäische Union in den Niederlanden. Nach den Worten der Monarchin liegt die Stärke ihres Landes traditionell nicht in Isolation, sondern in Verbundenheit. „Die Niederlande sind immer offen und mit der Welt um uns herum verbunden gewesen. Mehr und mehr hat dies zu gegenseitiger Abhängigkeit und Verbundenheit geführt. Die Einsicht, dass unser eigenes Wohlergehen von dem Leben in anderen Ländern abhängt, lässt uns den Blick nach draußen richten“, so das niederländische Staatsoberhaupt.
Die europäische Gemeinschaft habe ihrem Land Wohlfahrt gebracht. „Aber es ist mehr als nur Geld; über allem bietet Europa Frieden. Trotzdem scheint es so, als ob Unfrieden alles überschattet“. So sei nach Ansicht Beatrix‘ in der aktuellen Finanzkrise ein Klima entstanden, bei dem Misstrauen das Sagen hat. „Befreiung aus dieser negativen Einstellung beginnt mit der Erkenntnis, dass Europa nicht eine fremde Macht ist, sondern unsere eigene Gemeinschaft in diesem Weltteil. Europa, das sind wir selbst“.

Reaktionen auf die Weihnachtsansprache

Aus den Reihen der Politik kamen die ersten Reaktionen auf die Ansprache von Königin Beatrix unter anderem vom Sozialdemokraten Diederik Samsom und dem Populisten Geert Wilders. Samsom twitterte, dass die Königin mit ihrer Rede seiner Meinung nach den richtigen Ton für 2013 getroffen habe. „‚Europa‘ und ‚Vertrauen‘ werden kommendes Jahr die entscheidenden Terme“, so der PvdA-Fraktionsvorsitzende. Geert Wilders hingegen äußerte sich kritisch: „Europa, das sind wir selbst“ hätte nach Ansicht des PVV-Parteichefs besser „Europa, das bezahlen wir selbst“ heißen müssen.

Im Nachklang der Weihnachtsansprache nahm eine am heutigen Freitag veröffentlichte Studie über das Vertrauen von Bürgern in sich, die Politik und Europa die von Königin Beatrix mit ihrer Ansprache initiierte Debatte wieder auf. Die vom Planungsbüro für soziale und kulturelle Fragen (SCP) veröffentlichte Untersuchung besagt dabei, dass zwei Drittel der Niederländer aktuell meint, Vertrauen in andere zu haben. Allerdings vermissen beim Umgang miteinander ebenso zwei Drittel viele Respekt und 80 Prozent sind der Ansicht, dass es immer mehr ein „jeder für sich selbst“ wird. Gegensätze sehen die Befragten vor allem zwischen Lagern wie niedrig- und hoch Ausgebildeten, Armen und Reichen, Arbeitslosen und Arbeitenden sowie Niederländern und Migranten. Mit der Mitgliedschaft ihres Landes in der Europäischen Union ist fast die Hälfte der Befragten zufrieden. Jedoch ist auch ein Drittel neutral und ein Fünftel dagegen.

Die gesamte Weihnachtsansprache kann auf der Website des Königshauses nachgelesen werden.