Nachrichten August 2012
POLITIK: SGP-Spitzenkandidat nach Aussage über Vergewaltigung in der Kritik
Den Haag. AF/NYT/RD/RTL/TG/VK. 29. August 2012.
„Die Wahrscheinlichkeit, nach einer Vergewaltigung schwanger zu werden, ist sehr klein“, so der Spitzenkandidat der orthodox-protestantischen Partei SGP, Kees van der Staaij, gestern in einem Interview mit dem Fernsehsender RTL. Werde das Vergewaltigungsopfer dennoch schwanger, sei die SGP gegen Abtreibung. Der Politiker, der mit seinen Aussagen viel Kritik hervorrief, steht inzwischen unter Personenschutz. Ein direkter Zusammenhang zwischen der Erhöhung der Sicherheitsvorkehrungen um Van der Staaijs Person und seinen Aussagen wird von offizieller Seite jedoch dementiert.
Schutz des ungeborenen Lebens an erster Stelle
Der RTL-Journalist Frits Wester hatte den SGP-Vorsitzenden Van der Staaij auf den US-amerikanischen Politiker Todd Akins, Republikaner aus Missouri, angesprochen. Dieser hatte vergangenes Wochenende in einem Fernsehinterview erklärt, dass Frauen durch Vergewaltigung nicht schwanger werden könnten: „Schwangerschaft nach erzwungenem Sex ist sehr selten. Wenn es sich um eine Vergewaltigung handelt, hat der weibliche Körper Mittel und Wege, den Betrieb einzustellen.“ Da die SGP als Abtreibungsgegnerin bekannt ist, wollte Wester Van der Staaijs Meinung zu Akins Aussage erfragen, die in den USA für viel Kritik gesorgt hatte.
Van der Staaij antwortete: „Mir ist in der Debatte im Wesentlichen aufgefallen, dass es sehr häufig schiefgeht, wenn man nicht auf die enormen Probleme eingeht, die Frauen erleben können, wenn sie vergewaltigt werden. Immer erleben. Die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft ist dann zwar sehr klein, aber die Probleme sind natürlich immens, wenn das passiert. Wir denken zwar, dass mit sehr viel Mitgefühl hiermit umgegangen werden muss, gleichzeitig bringt uns das nicht von unserem Standpunkt ab, dass der Schutz des [ungeborenen] Lebens an erster Stelle steht.“
Von Wester danach gefragt, ob Van der Staaij wie Akins glaube, dass es einen Mechanismus im weiblichen Körper gebe, der eine Schwangerschaft verhindere, antwortete der niederländische Politiker: „Es ist eine Tatsache, dass das [Anm. der Red.: eine Schwangerschaft] sehr selten passiert. Doch das bedeutet nicht, dass es nicht durchaus passieren kann; also dass es sehr wohl ein Problem ist, ein schreckliches Problem, mit dem Menschen zu tun haben können. Das will ich auch nicht herunterspielen. Aber wir müssen auch nicht so tun als ob die meisten Abtreibungsfälle in den Niederlanden damit zu tun haben. Da geht es um ganz andere Situationen, ganz andere Gründe.“ Der Frage, ob die SGP eine Abtreibung im Falle einer Vergewaltigung akzeptabel findet, erteilte Van der Staaij eine Absage. Die SGP habe und behalte den Standpunkt, dass das ungeborene Leben – falls nicht gerade das Leben der Mutter auf dem Spiel stehe – an erster Stelle stehe.
SGP nimmt Frauen absolut nicht ernst
Van der Staaijs Aussagen riefen viel Kritik hervor. Die sozialdemokratische PvdA forderte Van der Staaij zu einer Entschuldigung bei allen niederländischen Frauen auf. „Ich bin schockiert“, so PvdA-Parlamentarierin Jetta Klijnsma, „diese Aussage zeigt, dass die SGP Frauen absolut nicht ernst nimmt. Die PvdA wird das Recht auf Abtreibung verteidigen.“ Auch Mark Rutte erklärte, die VVD setze sich weiterhin für das Recht auf Abtreibung ein. GroenLinks-Parteimitglied Tofik Dibi beurteilte Van der Staaijs Worte als „abscheulich“. Etwas zu bissig reagierte der Amsterdamer D66-Fraktionsmitarbeiter Pieter Rietman. Er twitterte: „Eigentlich ironisch: Van der Staaij selbst ist doch der ultimative Beweis dafür, dass Abtreibung manchmal nötig ist.“ Noch am selben Abend entschuldigte sich Rietman für den „zu sarkastischen“ Tweet.
Van der Staaij verteidigte sich gegen die Kritik. Das größte Problem sei, dass es in den Neiderlanden selbstverständlich geworden sei, jedes Jahr mehr als 30.000 ungeborene Kinder abzutreiben. „Ob Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung weniger oder genauso häufig vorkommt wie in anderen Fällen, ist für die SGP nicht der Hauptpunkt. Tatsache ist, dass von allen Schwangerschaftsabbrüchen nur ein kleiner Prozentsatz aufgrund von Schwangerschaft nach Vergewaltigung durchgeführt wird.“
Im Rahmen dieser Debatte und der Kritik an Van der Staaij fiel auf, dass der SGP-Mann auf einer Zusammenkunft seiner Partei am Dienstagabend mit Personenschutz auftrat. Dies habe allerdings nichts mit seinen Aussagen oder der Kritik daran zu tun, erklärte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsdienstes NCTV. Im Laufe des Wahlkampfes würde insgesamt „etwas schärfer“ auf die Spitzenkandidaten der Parteien aufgepasst, wenn sie öffentliche Auftritte absolvierten.
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