Nachrichten August 2012


WAHLEN: Große Fernsehdebatte - Samsom gewinnt

Amsterdam. AF/NOS/NRC/RTL/VK. 27. August 2012.

Zum ersten Mal seit Beginn des Wahlkampfes trafen in einer großen Fernsehdebatte gestern die Spitzenkandidaten der vier Parteien, die laut Umfragen mit den meisten Stimmen rechnen dürfen, aufeinander: Mark Rutte (VVD), Diederik Samsom (PvdA), Geert Wilders (PVV) und Emile Roemer (SP). Die so genannte „Premier-Debatte“ wurde von rund 1,7 Millionen Zuschauern verfolgt. Diese wählten im Anschluss an die Sendung Samsom zum Gewinner des TV-Schlagabtausches.

Die TV-Debatte wurde aus dem Veranstaltungszentrum Rode Hoed in Amsterdam übertragen. Während das Publikum bequem auf Stühlen saß, standen Moderator Frits Wester und die politischen Gästen während der beinahe zwei Stunden dauernden Sendung in der Mitte des Saals. Auf vier Themen wurde ausführlich eingegangen: Europa, Gesundheitswesen, Sparmaßnahmen und Führungsstil.  Bewegung kam immer dann auf, wenn einer der Spitzenkandidaten einen seiner Kontrahenten einmalig zu einer vierminütigen „eins-zu eins-Debatte“ herausforderte.

„In der Gruppendebatte stach Rutte nicht hervor“

Vor allem mit Mark Rutte wollten die potentiellen Premierminister-Kandidaten im persönlichen Gespräch debattieren. Gleich zu Beginn der Sendung forderte Geert Wilders Rutte heraus: „Herr Rutte, Sie geben die Interessen der Niederlande preis. Sie haben mit dem ESM-Vertrag einen Blanko-Scheck von 40 Milliarden Euro unterschrieben und Sie haben niederländische Kompetenzen abgetreten. Gleichzeitig helfen Sie Ländern wie Griechenland und Spanien und Sie lassen die Niederländer dafür bezahlen mit asozialen Sparmaßnahmen. [...] Das ist keine ordentliche Politik.“ Doch Rutte schmetterte diesen Angriff gekonnt ab. Wilders habe mit seinem Rückzug aus den Sparverhandlungen (NiederlandeNet berichtete) der Finanzkrise eine politische Krise hinzugefügt. „Wenn ich daran zurückdenke, werde ich immer noch unglaublich wütend. Sie haben Parteiinteressen über Landesinteressen gestellt“, so Rutte.

Auch aus dem Vieraugengespräch mit Emile Roemer über die steigenden Gesundheitskosten ging Rutte gestärkt hervor. Einzig als Samsom mit ihm seinen Führungsstil diskutierte, sah der demissionierte Premier etwas blass aus. Auf Samsoms Frage, weshalb er zum so genannten Polen-Meldepunkt der PVV (NiederlandeNet berichtete) geschwiegen habe, hatte Rutte keine Antwort. Die Tageszeitung de Volkskrant urteilte: „In den eins-zu-eins-Debatten mit Roemer und Wilders schlug sich Rutte gut. […] Aber in der Gruppendebatte stach er nicht hervor.“

Samsom gewinnt TV-Debatte, Roemer fehlt Ausstrahlung

Diederik Samsom hingegen konnte sowohl im Einzelgespräch als auch in der Gruppendiskussion von sich überzeugen. 51,8 Prozent der Fernsehzuschauer, die sich an der Abstimmung der Fernsehdebatte beteiligten, wählten den Sozialdemokraten Samsom zum Gewinner des TV-Schlagabtauschs.  Vermutlich weil er das alte politische Gesetz ‚bleib bei deiner Botschaft‘ beherzigte. Wie ein Mantra wiederholte der Sozialdemokrat immer wieder, dass man verantwortungsvolle (bzw. vernünftige/soziale) Auswege aus der Krise finden müsse. Neu war nur sein Hinweis, die Haushaltskasse sei bei Sozialdemokraten erfahrungsgemäß in guten Händen.

Wilders fahre in diesem Wahlkampf die Strategie einer aggressiven Flucht nach vorne. Dies könne als Zeichen gelesen werden, dass die PVV in Auflösung begriffen sei, urteilte de Volkskrant. Ausstieg aus dem Euro, Abgrenzung gegenüber der Europäischen Union, „Boss im eigenen Land“ sein … das Thema Europa beherrschte Wilders‘ gesamten Auftritt. Selbst wenn ihm eine Frage über das Gesundheitswesen oder seinen Führungsstil gestellt wurde, sprach er nur über Europa. Die Fernsehzuschauer wählten ihn dafür immerhin mit 9,1 Prozent der Stimmen auf Platz drei.

Emile Roemer wurde von den niederländischen Medien  als der feine Herr in der Debatte charakterisiert. Er mahnte die anderen, nicht durcheinander zu reden, blieb selbst stets ruhig und beherrscht. Wie ein Fels in der Brandung habe er im Studio gestanden, so de Volkskrant. Auch wenn Noch-Premier Rutte den Zuschauern des Öfteren verdeutlichen wollte, dass selbst der stabilste Felsen unter dem Gewicht der aktuellen Herausforderungen zusammenbrechen könne, blieb Roemer ruhig. Diese Standfestigkeit wirke einerseits klar und ehrlich, andererseits müsse Roemer aufpassen, nicht übersehen zu werden. „Roemer fehlte die Ausstrahlung von Samsom,“ hieß es dazu in einem Kommentar der Zeitschrift Elsevier. Man habe ihm nicht angemerkt, dass er Premierminister werden wolle – „er entpuppte sich schlicht als gemütlicher Brabanter“.

In der Abstimmung durch die Fernsehzuschauer erreichte Sozialist Emile Roemer dann auch nur 5,7 Prozent der Stimmen, obwohl seine Partei, die SP, seit Wochen die Umfragen beherrscht. Noch die neuesten nationalen Umfragen von Sonntag wiesen die Socialistische Partei mit 35 Parlamentssitzen als stärkste Fraktion aus.