Nachrichten August 2012
WAHLKAMPF: Spitzenreiter bleiben Debatten vorerst fern
Den Haag. MWE/NRC/VK. 24. August 2012.
Zwar hat der Wahlkampf in den Niederlanden bereits begonnen, doch auch bei der ersten Fernsehdebatte am Mittwochabend im niederländischen Fernsehen, glänzten die drei Spitzenkandidaten Mark Rutte (VVD), Emile Roemer (SP) und Geert Wilders (PVV) durch Abwesenheit. Die Spitzenkandidaten der Parteien PvdA, CDA, D66, GroenLinks, ChristenUnie, SGP, PvdD und DPK bestritten die Debatte alleine.
Durch das Fehlen der politischen linken und rechten Flanken, verlief die Debatte sehr einträchtig. CDA, PvdA, D66, GroenLinks und ChristenUnie betonten ausnahmslos die Notwendigkeit der Zusammenarbeit. Die Abwesenheit von Roemer, Wilders und vor allem von Rutte im bisherigen Wahlkampf wurde jedoch, wie schon häufig zuvor, kritisch angemerkt. Die vier Parteien vermuten, dass VVD und SP darauf spekulieren, dass sich die übrigen Parteien gegenseitig attackieren und dadurch einen Imageschaden erleiden und Rutte und Roemer durch einen späten Einstieg in den Wahlkampf sowohl davon verschont bleiben als auch vom Verlust der anderen Spitzenkandidaten profitieren. Aus diesem Grund vermieden die anwesenden Parteien jegliche Attacke und konzentrierten sich auf die Übermittlung von Inhalten, was besonders dem Spitzenkandidaten der PvdA, Diederik Samsom, besonders gut gelang.
Trotz seiner Abwesenheit war Mark Rutte dennoch Gegenstand der Debatte. Bislang hatte er sich aus dem Wahlkampf herausgehalten. Erst am Mittwoch meldete er sich mit dem Vorschlag zu Wort, jedem Arbeitnehmer Steuern in Höhe von 1.000 Euro zu erlassen: „Wer arbeitet, muss das in seinem Portemonnaie sehen.“ Zudem will die VVD die beschlossenen Einsparungen von je 250 Millionen Euro in den Bereichen Kinderbetreuung und Infrastruktur nach den Wahlen rückgängig machen. Bereits im Juni hatte Rutte angekündigt, einige Maßnahmen aus dem Sparpaket, das als Kompromiss nach Scheitern der Regierung entstanden sei, ersetzen zu wollen (NiederlandeNet berichtete). Die Reaktionen anderer Parteien waren kritisch. Alexander Pechtold (D66) sagte, Rutte dürfe „keine Geschenke austeilen, die er nicht finanzieren kann“. Und auch Sybrand van Haersma Buma (CDA) fragte sich, woher Rutte die finanziellen Mittel für dieses Wahlversprechen nehmen wolle. Nach diesem kurzen Auftritt zog sich Rutte wieder aus dem Rampenlicht zurück und wird laut Aussage von Parteikollegen erst ab dem kommenden Wochenende aktiv in den Wahlkampf einsteigen.
Der Spitzenkandidat der SP, Emile Roemer, nimmt zwar im Gegensatz zu Rutte bereits aktiv am Wahlkampf teil, doch bei Debatten ist auch er vorläufig noch nicht zugegen. In den Umfragen steht die SP schon längere Zeit gut dar. Der zu erwartende historische Erfolg der Sozialisten ist nicht nur über die Grenze bis nach Deutschland, sondern auch bis in die Vereinigten Staaten und nach Japan vorgedrungen. Und so ist das Medieninteresse an Roemer groß. Doch es scheint, als hätten seine politischen Gegner die guten Umfrageergebnisse bisher nicht sehr ernst genommen. Zu lange schien der Erfolg Roemers illusionär. Nun sind es nur noch drei Wochen bis zu den Wahlen, Roemer wird immer mehr als Gefahr wahrgenommen und der Ton wird immer rauer. In dieser Woche sorgte das Magazin Quote mit einem großen Faltposter für Aufsehen. Darauf ist Roemer abgebildet – blutverschmiert, in der Hand eine Kettensäge. Viele Anhänger der SP reagierten schockiert. Doch Roemer verstand die Aktion als Reaktion auf seine Aussage, dass der diesjährige Wahlkampf noch härter und persönlicher werde. Auch für VVD, CDA und D66 hat sich Roemer zu einer Zielscheibe entwickelt. Zuletzt erntete er viel Kritik für seine Aussage, dass er bei Überschreitung des aus Brüssel vorgegebenen Haushaltsdefizits nicht bereit sie die damit verbundene Geldstrafe zu zahlen (NiederlandeNet berichtete).
Geert Wilders hält sich bislang ebenfalls zurück. Offiziell wird er erst am Freitag in den Wahlkampf starten. Doch am Mittwoch meldete er sich kurz zu Wort und teilte mit, die PVV verfolge den Plan Asylbewerber, die sich in den Niederlanden melden, zunächst im Ausland - beispielsweise in Rumänien - unterzubringen. Doch an der ersten Fernsehdebatte nahm auch er nicht teil.
Die aktuellen Meinungsumfragen weisen keine großen Veränderungen auf. Nach der Prognose von Maurice de Hond liegt der Abstand zwischen SP und VVD aktuell bei vier Sitzen. Im Vergleich zur Vorwoche verliert die SP einen Sitz (36) und gewinnt die VVD einen hinzu (32). Die übrigen Parteien folgen erst mit einigem Abstand: PVV (18), PvdA (16), D66 (15) und der CDA (14). Die Unterschiede zwischen den einzelnen Instituten sind jedoch groß. Nach Analyse des Instituts Ipsos Synovate liegt die VVD mit 35 Sitzen vor der SP (29). Darauf folgt die PvdA (23), PVV (18), CDA (14) und D66 (14). GroenLinks erreicht laut beider Prognosen nur vier Sitze, die ChristenUnie zwischen fünf und sieben Sitzen und die Parteien SGP, PvdD und 50+ haben sich um die zwei bis drei Sitze eingependelt. Dasselbe gilt für die Meinungsumfrage von TNS Nipo, das SP und VVD aktuell allerdings mit je 34 Sitzen gleichauf sieht. Die PvdA macht im Vergleich zu letzten Prognose zwei Sitze gut (21). Darauf folgen CDA (16), PVV (14) und D66 (13).
Mehr über die Wahlprogramme, alle Spitzenkandidaten und das niederländische Wahlsystem erfahren Sie in unserem Dossier Parlamentswahlen 2012.