Nachrichten August 2012
ENERGIESTREIT: Niederlande präsentiert Deutschland Lösung für geforderte TenneT-Investitionen
Den Haag. TM/BNR/DFT/FTD. 17. August 2012.
Der deutsche Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) tourt zurzeit durch Nordeuropa. Bei seinem Aufenthalt am Donnerstag in den Niederlanden ging es bei dem Gespräch mit seinem niederländischen Amtskollegen Maxime Verhagen (CDA) unter anderem um einen binationalen Konflikt auf dem Energiemarkt. Dieser scheint jetzt zunächst gelöst zu sein.
Konfliktpunkt zwischen beiden Ländern ist der Stromnetzbetreiber TenneT, der zu 100 Prozent dem niederländischen Staat gehört. TenneT hatte Anfang 2010 das knapp 11.000 Kilometer lange Teil-Stromnetz der E.ON-Tochter Transpower übernommen (NiederlandeNet berichtete). Seitdem ist TenneT für alle Leitungen auf den deutschen Meeren verantwortlich – dort, wo große Windkraftwerke einen großen Teil zur im letzten Jahr vom Kabinett Merkel beschlossenen Energiewende bis zum Jahr 2022 beitragen sollen. Durch dieses ehrgeizige Projekt steht die deutsche Regierung im eigenen Land zurzeit stark unter Druck, Maßnahmen einzuleiten, um mit der Umsetzung der Energiewende zu beginnen. Allein der Bau einer Windkraftplattform auf See würde schon vier Jahre dauern.
Investitionen von rund 15 Milliarden Euro notwendig
Aus diesem Grund hatte die deutsche Regierung zuletzt auch darauf gedrängt, dass TenneT und damit der niederländische Staat seinen Verpflichtungen nachkommt, um vermehrt in den deutschen Teil seines Stromnetzes zu investieren. Bislang hat TenneT bereits rund sechs Milliarden Euro investiert – 15 Milliarden Euro stehen noch aus. Die niederländische Seite müsse für das notwendige Geld sorgen, da das Land auf den Finanzmärkten zurzeit zu günstigen Konditionen Geld leihen kann. Von niederländischer Seite wurde jedoch bekräftigt, dass aktuell keinerlei finanzielle Mittel vorhanden seien, um Investitionen durchzuführen. Der niederländische Staat als Eigentümer möchte nicht noch mehr Schulden machen. Laut Minister Verhagen sei dies „abwegig“, da dies zu einer weiteren Erhöhung der bereits jetzt hohen niederländischen Staatsschulden führen würde. Zu Beginn dieser Woche sprachen niederländische Medien sodann von einem „Energiekrieg“ und spekulierten, dass Deutschland es auf einen Bruch mit TenneT anlegen wollte.
Philipp Rösler besitzt keine Machtmittel, um TenneT zu den Investitionen zu zwingen, hat aber die Möglichkeit in der Hinterhand, die Konzession von TenneT nicht zu verlängern. Dies ist möglich, wenn TenneT nicht über genügend Kapital verfügt, um langfristig in den deutschen Teil seines Stromnetzes zu investieren. Zu diesem äußersten Mittel wird es nach dem Gespräch zwischen Rösler und Verhagen am Donnerstag aber wohl nicht kommen, da der niederländische Wirtschaftsminister seinem deutschen Amtskollegen gestern einen Lösungsvorschlag für den Konflikt präsentierte. So wird sich TenneT jetzt darum bemühen, für sein deutsches Netz private Finanzierer zu suchen, um die für die deutsche Energiewende notwendigen Investitionen durchführen zu können. Auch TenneT ließ im Verlauf dieser Woche wissen, mit privaten Parteien zusammenarbeiten zu wollen. Aus Regierungskreisen verlautet zudem, dass einige große Versicherungen und institutionelle Anleger Interesse an der Investition, die ihnen eine staatlich garantierte Rendite von neun Prozent bringen würde, bekundet haben. Spekuliert wird dabei über die beiden deutschen Versicherer Münchener Rück und Allianz.
Philipp Rösler zeigte sich am Donnerstag über die Zugeständnisse der niederländischen Seite zufrieden und nannte die Zusage einen „Durchbruch“. „Der Weg für die Offshore-Windenergie ist frei.“ Dabei äußerte er auch Verständnis dafür, dass die niederländische Seite die noch ausstehenden 15 Milliarden Euro an Kapital nicht selbst aufbringen kann. Maxime Verhagen gab seinem deutschen Amtskollegen allerdings auch mit auf den Weg, dass es zukünftig notwendig sei, Regeln und Planungen rund um die deutschen Offshore-Projekte transparent zu gestalten. Zudem solle schnellst möglichst geklärt werden, wer für bislang entstandene Verzögerungen und Ausfälle bei der Netzanbindung haftet. Dies sei laut Verhagen Bedingung der Zusammenarbeit.
Weitere Informationen zur niederländischen Energiepolitik in unserem Hintergrunddossier Energiewirtschaft in den Niederlanden