Nachrichten April 2012
POLITIK: Neue Jugendbewegung G500 will junge Themen auf die politische Agenda setzen
Den Haag. AF/buitenhoftv.nl/G500.nl/NOS/NRC/TR/VK/. 10. April 2012.

Die Politik in den Niederlanden wird von einer grauhaarigen Elite bestimmt und kümmert sich zu wenig um die Interessen zukünftiger Generationen. So die Klage des 21-jährigen Sywert van Lienden, am Ostersonntag in der Fernseh-Talkshow Buitenhof. Um die politische Agenda zu verjüngen, hat Van Lienden zusammen mit anderen jungen, politisch interessierten Niederländern und Niederländerinnen deshalb nun die Initiative G500 gegründet.
Junge Niederländer heutzutage stehen unter enormem Druck. Die Studienfinanzierung soll abgeschafft werden, ein fester Arbeitsvertrag ist die Ausnahme für Arbeitsmarktneulinge, der Wohnungsmarkt ist für junge Leute sehr eng, die Rente ist nicht mehr sicher, genauso wenig wie das Renteneintrittsalter. Doch man hört auffällig wenig Protest von den jungen Leuten. Mit diesen Worten leitete Moderatorin Clairy Polak vergangenen Sonntag die Debatte um die „grenzenlose Generation“ ein. Gäste waren Soziologe Frits Spangenberg, Romanautorin Franka Treur, Moderator Lennart Booij und Sywert van Lienden, Student und Initiator von G500.
Van Lienden, der bereits früher durch Protestaktionen des landesweiten Schüler-Aktions-Komitees (LAKS) in Erscheinung getreten war, erklärte, seine Generation sei zwar einerseits sehr heterogen, könne gleichzeitig aber über die neuen Medien schnell Netzwerke schaffen und somit zu einem politischen Faktor werden. Neben zynischen und politikmüden Jugendlichen gäbe es auch solche, die eigene Initiativen gründeten und ihre Interessen auf die politische Agenda setzen wollten.
G500 möchte, dass 500 junge Leute, die jünger als 35 Jahre alt sind, noch diesen Monat für G500 Mitglied der Liberalen (VVD), Christ- und Sozialdemokraten (CDA und PvdA) werden. Denn diese Zentrumsparteien, so die Argumentation halten die politische Mehrheit in Händen. Die jungen Initiatoren möchten die existierenden politischen Parteien im positiven Sinne infiltrieren und somit von innen heraus zu Reformen anregen. „Die jungen Leute haben sich von der politischen Mitte verabschiedet und sind nun an den Seiten zu finden, zum Beispiel in der ChristenUnie, bei GroenLinks oder der D66. Wir wollen einen Reformkurs in der politischen Mitte kreieren, und wir werden zeigen, dass wir hierfür genügend Unterstützung haben“, so Van Lienden. Frische, verantwortungsbewusste junge Menschen von 35 Jahren und jünger sollen die Themen der jungen Leute in den Niederlanden auf die politische Tagesordnung setzen.
Ehrgeiziger 10-Punkte-Plan
Der Zehn-Punkte-Plan für generationenübergreifende Solidarität der G500 sieht unter anderem vor, mehr Geld in die Bildung zu investieren, die Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung für die letzten Lebensjahre – in denen üblicherweise die meisten Leistungen in Anspruch genommen werden – vermögensabhängig zu gestalten, sowie den niederländischen Kündigungsschutz zu vereinfachen, um längere Arbeitsverträge für Arbeitgeber attraktiver zu machen. Die Sozialversicherung für Selbständige soll günstiger werden, da viele junge Leute inzwischen selbständig arbeiten, sich eine Sozialversicherung jedoch nicht leisten können. Auch das Mietrecht soll flexibilisiert werden, damit junge Leute eine eigene Wohnung bezahlen können; die Möglichkeit, die Hypothekenzinsen von der Steuer abzusetzen soll gleichzeitig eingeschränkt werden. Auf Staatsebene wollen die jungen Politiker die Gewinne aus der niederländischen Erdgasförderung in einem nationalen Investitionsfonds angelegt sehen; zudem sollen die Staatsschulden innerhalb der nächsten zehn Jahre abgebaut werden. Auch in puncto Umwelt setzt sich die junge Bewegung ehrgeizige Ziele: Im Jahr 2030 soll 50 Prozent der niederländischen Energieversorgung durch nachhaltige Energiequellen gedeckt werden.
Ironischerweise plädiert G500 in seinem Zehn-Punkte-Plan für generationenübergreifende Solidarität sehr unsolidarisch für eine Abschaffung des Generationenvertrages hinsichtlich der Renten; individuelle Renten-Sparkonten sollen verhindern, dass die jungen Leute von heute später einmal mit leeren Händen dastehen.
Skepsis bei den Parteien
Die Jungendorganisationen der PvdA und der VVD haben inzwischen auch auf den Vorstoß von Van Lienden reagiert. Es sei eine nette Idee, doch mehr auch nicht. „Lassen Sie mich zunächst klarstellen, dass ich es gut finde, wenn mehr junge Menschen politisch aktiv werden“, so Bram Dirkx, Vorsitzender der niederländischen Jungen Liberalen, JOVD, gestern gegenüber Radio 1, „doch mit 500 Leuten hat man noch lange keine Mehrheit.“ Ähnlich äußerte sich auch Rick Jonker von den niederländischen Jungen Sozialisten: „An sich ist es eine nette Idee, aber 500 Menschen reichen nicht. Die PvdA arbeitet mit einem Abgeordnetensystem. Die Stimme eines normalen Mitglieds zählt weniger als eine Abgeordnetenstimme.“
Beim Nachrichtendienst Twitter war G500 vergangenes Wochenende eines der beherrschenden Themen. Viele halten es für eine gute Initiative, um junge Leute für Politik zu interessieren. Und tatsächlich scheint der Plan aufzugehen. Wie die niederländische Tageszeitung de Volkskrant heute Mittag meldete, hätten sich innerhalb der letzten zwei Tage bereits hunderte junge Leuten bei G500 angemeldet, um die politische Elite mit jungen Themen aufzumischen.