Nachrichten September 2011



POLITIK: (Mögliches) Burka-Verbot in den Niederlanden

Den Haag. AKS/AD/nieuws.nl/TR/VK. 19. September 2011.

Schon seit längerer Zeit wird in den Niederlanden über ein mögliches Verbot der Burka, einem Kleidungsstück, das der vollständigen Verschleierung des Körpers dient und von vielen muslimischen Frauen getragen wird, diskutiert. Ein derartiges Verbot könnte nun bald auch in die Tat umgesetzt werden, denn das niederländische Kabinett hat am vergangenen Freitag einen Gesetzesentwurf für das Verbot des Tragens gesichtsbedeckender Bekleidungen entworfen. „Ein vollständig bedecktes Gesicht passt nicht in unsere Gesellschaft“, erklärte Innenminister Piet Hein Donner (CDA) am vergangenen Freitag nach Beendigung des Ministerrates, auf welchem der Gesetzesentwurf beschlossen wurde. Das Tragen einer Burka stehe im Konflikt mit den Normen und Werten, die in den Niederlanden gelten, sagte Donner weiterhin. Laut dieses Gesetzes soll künftig das Tragen einer Burka, eines Gesichtsschleiers oder anderer gesichtsbedeckender Kleidungsstücke mit einer Geldbuße geahndet werden. Damit wären die Niederlande nach Frankreich und Belgien das dritte europäische Land, welches ein derartiges Gesetz erlassen würde.

„Es steht im Konflikt mit der Art und Weise, wie wir im öffentlichen Raum miteinander umgehen: erkennbar und ansprechbar“, so Donner am Freitag. Das Verbot gesichtsbedeckender Kleidung habe weiterhin nichts Merkwürdiges: „Man darf schließlich auch nicht vollkommen unbekleidet auf die Straße gehen.“ Darüber hinaus erklärte der Innenminister, stehe das Gesetz nicht in Konflikt mit der Religionsfreiheit: „Nicht alles, worauf man sich bei der Religionsfreiheit beruft, darf man auch tun. Diese Freiheit muss zum Wohl des allgemeinen Interesses auch eingeschränkt werden können“. Donner betonte zudem, dass 98 Prozent der islamischen Frauen keine Burka tragen würden. Ob das Tragen einer Burka daher so wichtig für den Islam sei, sei eher fragwürdig, soll laut eines Berichts der niederländischen Tageszeitung de Volkskrant Donners Kernaussage gewesen sein. Wie das Gesetz letztendlich umgesetzt werden soll, ist noch abzuwarten. Der Vorschlag wird nun zunächst dem Raad van State, einem Verfassungsorgan zur Beratung der Regierung, vorgelegt. Erst danach soll der Entwurf der Zweiten Kammer präsentiert werden.

Maximal 380 Euro sollen beim öffentlichen Tragen einer Burka, eines Gesichtsschleiers, eines undurchsichtigen Integralhelms oder einer Biwakmütze in der Öffentlichkeit veranschlagt werden. Das Tragen gesichtsbedeckender Kleidung in öffentlichen Gebäuden – ausgenommen Moscheen und Kirchen –, Bildungseinrichtungen, Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen und im öffentlichen Verkehr wäre somit zukünftig verboten. Und die Geldstrafe läge in den Niederlanden höher als in Frankreich, das bereits im April ein derartiges Gesetz veranlasst hat. Für das Tragen einer Burka in der Öffentlichkeit müssen Frauen dort eine Geldstrafe von 150 Euro bezahlen. Männer, die ihre Frauen verpflichten, eine Gesichtsbedeckung anzulegen, können mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro und einem Freiheitsentzug von zwei Jahren bestraft werden. In Belgien wurde gegen das Gesetz direkt nach seinem Inkrafttreten im Juli von zwei Frauen Klage erhoben, da es sich um eine „überproportionale Maßregelung“ handle. Der Verfassungsgerichtshof in Belgien hat sich in der letzten Woche mit dieser Klage auseinandergesetzt. Es wird erwartet, dass ein Beschluss bereits in wenigen Tagen getroffen werden kann.

Bereits 2008 war ein Verbot für das Tragen gesichtsbedeckender Kleidung an öffentlichen Schulen und Bildungseinrichtungen in den Niederlanden diskutiert worden (NiederlandeNet berichtete). Doch während dies noch für manche eine nachvollziehbare Regelung war, stößt der neue Gesetzesvorschlag auf Unverständnis. Imam Yassin Elforkani erklärte gegenüber de Volkskrant, dass er es nie für möglich gehalten hätte, dass ein derartiges Gesetz in den Niederlanden angedacht sein könnte: „Das ist wirklich beklagenswert. Ich verstehe, dass das Tragen der Burka auf dem Arbeitsmarkt Schwierigkeiten mit sich bringt, aber das Verbot in der Öffentlichkeit passt nicht in einen demokratischen Rechtsstaat. Es besteht seitens des Islam keine Verpflichtung, aber wenn eine Frau sich für das Tragen der Burka entscheidet, sollte sie das dürfen.“ Zudem erklärte Elforkani, glaube er nicht, dass das Verbot etwas ändern würde: „Die Frauen werden die Burka nicht ablegen. Mit Sanktionen kann man ihre Mentalität nicht ändern. Es ist eine einzige Schikane. So etwas sollte eine Regierung nicht tun.“ Auch die Partei GroenLinks äußerte sich kritisch zu den Plänen der Regierung. Eine Sprecherin der Partei erklärte, dass die Polizei dringendere Dinge zu erledigen habe, als „die Handvoll Burka-Trägerinnen in den Niederlanden aufzuspüren und mit einer Geldstrafe zu belegen.“

Auf Zustimmung hingegen stößt der Vorschlag bei den Regierungsparteien VVD und CDA und ihrem Duldungspartner PVV. Die Partei von Geert Wilders tritt schon seit langer Zeit für ein derartiges Gesetz ein. Für Joram van Klaveren, Mitglied der Zweiten Kammer für die PVV, ist das geplante Verbot des Tragens einer Burka ein deutliches Signal. „Es ist strafbar geworden. Das ist ein Zeichen der De-Islamisierung“, wird Van Klaveren in de Volkskrant zitiert. Ein Sprecher des CDA erklärte zudem, dass man in den Niederlanden in der Lage sein sollte, einander in die Augen zu schauen, die Kommunikation würde durch das Tragen gesichtsbedeckender Kleidung äußerst schwierig. „Religionsfreiheit ist ein wichtiges Gut in den Niederlanden, aber nicht unbegrenzt“, so der Vertreter des CDA.

In den Niederlanden soll das Verbot nicht in Flugzeugen und für Passagiere auf der Durchreise gelten. Außerdem soll eine Sonderregelung für Gesichtsbedeckungen getroffen werden, die im Falle einer Krankheit, bei Fragen der Sicherheit, der Ausübung eines Berufs oder einer Sportart notwendig seien. Bürgermeister können die Regelung ebenfalls aufheben. Auch während besonderer Feierlichkeiten, wie Sinterklaas und Karneval, soll eine Ausnahme gemacht werden.

Genau diese Ausnahme hat sich nun der Webshop Feestkleding 365, der im Internet Kostüme vertreibt, zu Herzen genommen. Der Internetvertreiber für Verkleidungen gab zu verstehen von nun an Burkas und Gesichtsschleier verkaufen und so ein Zeichen setzen zu wollen. „Wir verkaufen Burkas und Gesichtsschleier als Karnevalskostüme. Normalerweise würden wir das aus Respekt vor dem Islam nicht tun. Aber da unsere Regierung plant, Menschen das Tragen dieser Kleidung zu verbieten, wollen wir ein Statement setzen: Es geht uns dabei um den Schutz der Freiheit von allen. Es ist nicht gut, wenn wir erlauben, dass eine nicht ganz so populäre Gruppe oder die Bekundung der eigenen Religion verboten wird“, erklärte José Cabrera y Charro, Geschäftsführer von Feestkleding 365. Ein spezieller Kassenzettel, der bei Verkauf der Burka vergeben wird, soll bei einer Überprüfung durch einen Polizisten kenntlich machen, dass es sich lediglich um eine Karnevalsverkleidung handelt. Falls man dennoch eine Strafe bekommen sollte, wird das Unternehmen einen Anwalt zur Verfügung stellen, der das Gericht davon überzeugen soll, dass tatsächlich eine Kostümierung vorliegt. Sollte man die Strafe dennoch bezahlen müssen, übernimmt Feestkleding 365 diese. „Lasst doch jeden tun, was er/sie will. Jeder soll nach seiner Fasson selig werden“, so Cabrera y Charro.

Aber nicht nur der Internetvertreiber setzt sich für die Rechte der Burka tragenden Frauen ein. Der Geschäftsmann Rachid Nekkaz hat in Frankreich ein Fonds mit einer Million Euro eingerichtet, mit welchem er für die Strafgelder von Frauen aufkommt, die in der Öffentlichkeit eine Burka tragen. „Niederländische Frauen, die freiwillig eine Burka tragen und ein Strafgeld auferlegt bekommen, können im Internet meine Telefonnummer finden. Ich werde die Strafe bezahlen“, sagte Nekkaz in der vergangenen Woche in einem Interview mit dem Fernsehsender RTL 4. Nekkaz unterstützt seit Inkrafttreten der Gesetze bereits Frauen in Frankreich und Belgien. Nach Ansicht des gebürtigen Algeriers, sei das Verbot des Tragens von gesichtsbedeckender Kleidung in der Öffentlichkeit eine Verletzung der Europäischen Grundrechte und der fundamentalen Freiheit.

[UPDATE, 19.09.2011, AKS: Der Onlineshop für Verkleidungen Feestkleding 365 wird Burkas und Gesichtsschleier wieder aus seinem Sortiment nehmen. Dies erklärte ein Sprecher des Internetanbieters am heutigen Nachmittag. Zwar waren in den letzten Tagen mehr als 50 Bestellungen für Burkas eingegangen, das Geschäft verfüge aber nicht über „unendlich viel Geld“, wie die Tageszeitung Trouw berichtet. Geschäftsführer José Cabrera y Charro hatte in der vergangenen Woche versprochen, bei anfallenden Bußgeldern die Kosten für diese zu übernehmen. Derzeit würden insgesamt 20.000 Euro an Strafgeldern fällig, sollten alle Käufer der Burkas angezeigt werden. Wie der Sprecher erklärte, befürchte der Shop aber keinen Strom an Bußgeldern. "Wir müssen noch abwarten, wie dies alles gehandhabt werden soll." Neben vielen positiven Reaktionen habe der Vertrieb auch „sehr viele bösartige E-Mails“ erhalten. Dennoch sei die "Diskussion angefacht worden."]