Nachrichten September 2011
EURO-KRISE: Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit Spannung erwartet
Karlsruhe. AF/TR/NRC/RP/LT/TI/DerSpiegel.de. 05. September 2011.
"Das Schicksal des Euros liegt in den Händen deutscher Richter", so die niederländische Tageszeitung Trouw heute. Gespannt schaut alle Welt nach Karlsruhe, wo morgen das deutsche Bundesverfassungsgericht der Frage nachgeht, ob die deutsche Finanzhilfe für Griechenland aus dem Jahr 2010 grundgesetzwidrig ist oder nicht. Im Mai letzten Jahres hatte der Bundestag dem ersten Notkredit von 22,4 Milliarden Euro zugestimmt. Darüberhinaus einer Bürgschaft Deutschlands für eine Summe in Höhe von 147 Milliarden Euro. Müsste Deutschland dieses Geld auf einen Streich aufbringen, wäre die Hälfte des Bundeshaushaltes gebunden und das Königsrecht des Parlamentes, über das Staatsbudget zu entscheiden, wäre hinfällig. Einige Kritiker wie der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler, haben aus diesem Grund eine Klage angestrengt.
"Als ob es so nicht schon schwierig genug ist, eine Lösung für die Eurokrise zu finden, droht morgen eine neue Hürde zu entstehen", befürchtet der niederländische Wirtschafts-Journalist Gijs Moes. In der Tat, wenn Deutschland aufgrund des morgigen Urteils des Bundesverfassungsgerichts seine Zusagen an Griechenland und den Rettungsfonds EFSF revidieren muss, dann drohen Griechenland - und weiteren Ländern wie Portugal und Irland - die Staatspleite und ein Zusammenbruch der Währungsunion. Das hätte unabsehbare Folgen für die Weltwirtschaft und Europa. "Die Eurokrise", so die Trouw, "wäre dann komplett."
Beobachter gehen jedoch nicht von einem so radikalen Urteil der Karlsruher Richter aus. Man erwartet, dass die Bundesregierung in Zukunft angehalten wird, den Bundestag bei neuen Euro-Hilfen stärker einzubinden. Das NRC Handelsblad betrachtet das kommende Urteil dementsprechend gelassen. Das Urteil sei "entscheidend für die Stimmung im Bundestag, wenn es zur Abstimmung über das zweite Rettungspaket für Griechenland am 29. September geht." In Frankreich, dem Land, das nach Deutschland das meiste Geld in das griechische Schuldenloch stopft, ist man sich sicher, dass das Karlsruher Urteil zu Gunsten der Griechenlandhilfe ausfallen muss. Auch die englische Presse sieht schon ein Urteil "in the Gouvernments favour" voraus. The Independent aus London fordert bereits heute, dass die Kanzlerin nach dem morgigen Gerichtsurteil die längst überfällige Initiative ergreift, um das Führungsvakuum zu füllen und "die Eurozone auf festeren Boden zu stellen."
"Wirklich spannend", findet das Ganze die niederländische Europarlamentarierin Corien Wortmann (CDA), die schon seit einiger Zeit versucht, ein Gesetz zur stärkeren Haushaltskontrolle in der EU durchzusetzen. "Dies ist ein sehr wichtiges Urteil." Allerdings mahnt sie: "Wenn Merkel bei jedem Beschluss in Zukunft erst den Bundestag fragen muss, dann kann das zu Verzögerungen führen." Zweifelhaft also, dass deutsche Regierungen in Krisenzeiten zukünftig so schnell und entschlossen handeln können, wie gefordert.
[UPDATE, 07.09.2011, AF : Das Bundesverfassungsgericht verkündete heute mittag, dass die deutsche Finanzhilfe an Griechenland rechtens ist und wies damit die Klage der Kritiker ab. Gleichzeitig stärkten die Richter, wie erwartet, die Beteiligungsrechte des Bundestages: Künftige Finanzhilfe dürfen nur unter der Voraussetzung erfolgen, dass der Haushaltsausschuss zustimmt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sah im Urteil des BVG eine Bestätigung der von der deutschen Regierung bisher geführten Europapolitik. Die niederländische Zeitung Telegraaf zitierte auf ihrer Website Merkels Aussage, eine der vornehmsten Aufgaben Deutschlands sei es, Europa aus der Krise zu holen: "Deutschland ist die Lokomotive des Wachstums in der Europäischen Union. Der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands kann nicht anhalten, wenn er anderswo in Europa ausbleibt. Die Zukunft Deutschlands ist untrennbar mit der Zukunft Europas verbunden." Die europäischen Börsen reagierten erleichtert auf diese Nachrichten aus Deutschland.]