Nachrichten November 2011



NL-USA: Premier Mark Rutte zu Besuch im Oval Office

Washington D.C. TM/NOS/TR/VK. 30. November 2011.

Am gestrigen Abend europäischer Zeit wurde der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte vom US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama im Weißen Haus in Washington D.C. empfangen. Gemeinsam mit dem niederländischen Außenminister Uri Rosenthal und der Botschafterin Renée Bos-Jones war der niederländische Premier im berühmten Oval Office zu einem Arbeitsbesuch geladen. Für die bilaterale Unterredung waren ursprünglich 30 Minuten angesetzt. Am Ende sollen es aber fast 60 Minuten gewesen sein, die beide Regierungschefs miteinander über die gegenseitigen Beziehungen und die Weltpolitik gesprochen habe.

Relativ spät – nämlich erst dreizehn Monate nach dem Amtsantritt Mark Ruttes im vergangenen Jahr – kam es zu der Einladung durch Barack Obama in seinen Amtssitz. Laut der Tageszeitung Trouw sei dies ein mögliches Zeichen für die abgenommene Bedeutung  der Niederlande für die USA nach dem Abzug der niederländischen Truppen aus der afghanischen Provinz Uruzgan Mitte des vergangenen Jahres (NiederlandeNet berichtete). In der Zeit seit Ruttes Amtsantritt waren bereits viele andere Staats- und Regierungschefs bei Obama zu Gast. Der Termin wird auf der Diplomatenebene allerdings auch nicht als derart spät gedeutet, dass er beleidigend wäre.

Dieser Hintergrund relativiert ein wenig den Eindruck, den der Besuch gestern in Washington erweckte. So soll die Atmosphäre des Gesprächs entspannt und gut gewesen sein. Barack Obama äußerte sich zu Beginn des Gesprächs zudem auffällig positiv über das Land seines Gastes: Obama gab an, „keinen wichtigeren Partner als die Niederlande zu haben“. Ferner sagte der US-Präsident, gerne einmal die Niederlande besuchen zu wollen: „Ich habe gehört, dass es ein schönes Land mit netten Menschen ist“, so Obama. Mark Rutte, den Obama zunächst zweimal mit „Ruhte“ (mit amerikanischem „R“) ansprach und sodann als „Mark“ bezeichnete, erwiderte, dass er Präsident Obama gerne einmal in seinem Heimatland willkommen heißen würde: „Es wäre eine Ehre.“

Eurokrise war wichtigstes Gesprächsthema

Inhaltlich gab Rutte vor Beginn des bilateralen Gesprächs an, drei Themen ansprechen zu wollen: „Jobs, Jobs and Jobs“, was Obama daraufhin als „gute Themen“ bezeichnete. Bei der wöchentlichen Pressekonferenz in der vergangenen Woche sagte Rutte noch, keine großen Erwartungen an das Gespräch mit Obama zu haben; lobte die USA dabei in den höchsten Tönen und bezeichnete sie als „unsere Befreier“. Tatsächlich ging es während der Unterredung hauptsächlich um das Thema Eurokrise. Wie Außenminister Rosenthal nach Ende des Gesprächs gegenüber der NOS berichtete, habe Obama zu Rutte gesagt, dass er über die Entwicklung in der Europäischen Union sehr besorgt sei. Die Krise müsse nach Ansicht des US-Präsidenten schnell gelöst werden. Ein starker Euro und ein starkes Europa seien auch für die USA von großer Bedeutung. Gemeinsam sei man der Frage nachgegangen, wie eine mögliche Lösung der Krise aussehen kann. Rutte habe dabei betont, dass neben dem europäischen Notfonds auch die Beteiligung des Internationalen Währungsfonds IWF, in dem die USA eine einflussreiche Rolle spielt,  sehr wertvoll wäre.

Neben dem Thema Europa waren laut Aussage Rosenthals auch die bilateralen Beziehungen beider Länder ein wichtiges Thema: „Es ist den USA wohl bewusst, dass die Niederlande für etwa 625.000 Jobs in den USA sorgt. Die Niederlande sind der drittgrößte Investor in den USA.“ Auf der anderen Seite empfangen die Niederlande auch viele Investitionen aus den USA. So gäbe es eine sehr enge Verbundenheit zwischen den USA und Europa – bezogen auf den Handel sogar eine sehr enge Verbundenheit zwischen den USA und den Niederlanden. Aus diesem Grund wurde deshalb auch vereinbart, für das kommende Jahr ein Treffen beider Regierungen mit Vorstandsmitgliedern wichtiger Unternehmen aus den USA und den Niederlande zu organisieren, um die bilateralen Handelsbeziehungen noch weiter zu intensivieren. Weitere Themengebiete, die zwischen Rutte und Obama angesprochen wurden, waren der für Mai 2012 geplante NATO-Gipfel in Chicago sowie die aktuelle Situation im Mittleren Osten. Präsident Obama habe zudem dargelegt, dass er den letzten Militäreinsatz der Niederlande in Afghanistan sowie den aktuellen in Libyen sehr schätze.

„Rolle der Niederlande gar nicht so wichtig“

Wie wichtig die Niederlande wirklich für die USA sind, dazu äußerte sich der US-amerikanische Historiker Prof. James Kennedy von der Universität Amsterdam in einem Interview in  der Trouw. Seiner Meinung nach sind die Beziehungen zu den Niederlanden für Obama nicht wirklich bedeutend, die mit Europa jedoch wohl. „Obama denkt, dass er mit Hilfe der Niederländer die Deutschen weniger stur machen kann“, so Kennedy. „Obama möchte, dass sich die Niederlande im Namen der härteren Euroländer besser aufstellen.“ Das Band zwischen den Niederlanden und den USA sei nach Ansicht Kennedys momentan weniger stark, da die Niederländer ihre Truppen 2010 aus Afghanistan abgezogen haben. „Strategisch sind die Niederlande unwichtig geworden, viel weniger interessant. Amerika hat keine sehr starke Meinung über die Niederlande. Es wird als recht wohlwollendes Land im Westen Europas gesehen. Und das ist es“, bewertete der Geschichtsprofessor den gestrigen Besuch des niederländischen Premiers im Oval Office.

Nach Ablauf des gestrigen Treffens zeigte sich Mark Rutte gegenüber Pressevertretern zufrieden. Es war „ein gutes Gespräch, in dem gut über alle Punkte gesprochen wurde“, so der Ministerpräsident. Als „diplomatischen Erfolg“, wie Trouw schreibt, kann Rutte verbuchen, dass die Unterredung am Ende nicht wie zuvor angesetzt 30 Minuten, sondern fast eine ganze Stunde dauerte. Als Gastgeschenk überreicht Mark Rutte dem US-Präsidenten übrigens ein Shirt des niederländischen Baseballteams, welches seit Oktober Weltmeister ist. Es trägt die Rückennummer 44, eine Anspielung auf Obama als 44. Präsidenten der USA. Dieser überreichte Rutte im Gegenzug die signierten ersten drei Teile der Biographie über den ehemaligen US-Präsidenten Lyndon B. Johnson.