Nachrichten März 2011
REGIONALWAHL: Rennen um Mehrheit weiter offen
Baarn/Den Haag. TM/NOS/VK. 02. März 2011.
Am heutigen Mittwoch sind die rund zwölf Millionen niederländischen Stimmberechtigten seit 7.30 Uhr aufgerufen, ihre Stimme für die Provinzwahlen (NiederlandeNet berichtete) abzugeben. Glaubt man den letzten Umfragen der Meinungsforschungsinstitute, dann verspricht der Tag sehr spannend zu werden. Denn letztendlich geht es bei der Abstimmung heute nicht nur um die Zusammensetzung der Regionalparlamente, sondern indirekt auch um die Mehrheit im niederländischen Oberhaus und dadurch auch um die Zukunft der aktuell regierenden Minderheitsregierung aus liberaler VVD und christdemokratischem CDA – unter Duldung von Geert Wilders‘ PVV.
Am gestrigen Vorabend der Wahlen fand das vorzeitig letzte Zusammentreffen der Parteiprominenz statt – in der letzten großen Debatte des öffentlich-rechtlichen Fernsehens trafen Loek Hermans (VVD), Elco Brinkman (CDA), Machiel de Graaf (PVV), Job Cohen (PvdA), Emile Roemer (SP), Jolande Sap (GroenLinks), Alexander Pechtold (D66) und André Rouvoet (ChristenUnie) aufeinander. Wie auch in der gesamte Wahlkampfphase zu beobachten, traten die Regierungsparteien samt dem Duldungspartner PVV wiederum mit ihren Spitzenkandidaten für die Erste Parlamentskammer auf; ganz anders die Oppositionsparteien, die auch für die gestrige Debatte wiederum die Fraktionschefs der Zweiten Kammer entsendeten. Dies macht zum einen die landesweite Bedeutung der Wahlen deutlich, andererseits zeigt es aber auch die ursprüngliche Strategie von VVD, CDA und PVV auf, um auf der einen Seite durch Herausstellung der Spitzenkandidaten für die Erste Kammer den ursprünglich regionalen Kontext der Wahlen zu betonen und andererseits auf die aktuelle Popularität der Spitzenpolitiker in der Regierung zu verweisen. Diese Strategie hat sich – zumindest wenn man dem Verlauf der Meinungsumfragen traut – nicht ausgezahlt, was vor allem dadurch deutlich wurde, dass in den vergangenen Tagen auch bei VVD, CDA und PVV immer öfter die Spitzenmänner der Zweiten Kammer – Ministerpräsident Mark Rutte, Fraktionsvorsitzender Maxime Verhagen und Geert Wilders sowieso – im Wahlkampf mitmischten und sichtbar in den Vordergrund traten.
Auch bei der gestrigen Diskussionsrunde, bei der den Politikern die Fragen zur Abwechslung einmal direkt aus dem Publikum gestellt wurden, drehte es sich wieder mehrheitlich um landesweite Themen. Schon zuvor hatte es sich abgezeichnet, dass es sich bei der heutigen Wahl viel mehr um ein indirektes Referendum über das Fortbestehen des Kabinetts Rutte denn um irgendwelche regionalen Themen drehte. Wie de Volkskrant in ihrer heutigen Ausgabe schrieb, dreht sich der Wahlkampf eher um Fragen wie etwa die folgenden: „Straft die GroenLinks-Basis Jolande Sap für ihrer Unterstützung der Afghanistan-Mission ab? Hält Job Cohen als PvdA-Spitzenkandidat dem Druck stand, wo jetzt eine erneute Niederlage droht? Traut sich die CDA mit Duldung der PVV weiter zu regieren, wenn die Stimmen der Partei wiederum halbiert werden? Und wie lange dauert es, bevor Mark Rutte mit seiner Politik festläuft, wenn er im Senat mit seiner Regierung nicht die Mehrheit bekommt?“. Allesamt Fragen, welche den Wahlkampf in den Medien aktuell dominiert.
Wie sich die 75 Sitze der Ersten Kammer in Zukunft zusammensetzen werden, wird sich abschließend erst am 23. Mai klären, wenn die Abgesandten aus den niederländischen Provinzen die dortigen Senatoren wählen. Wie die politischen Größenverhältnisse in den zwölf Provinzen nach heute Abend aussehen werden, lässt sich bislang allerdings nur spekulieren. Die noch am Dienstag veröffentlichten Wahlumfragen zumindest zeichnen kein sicheres Meinungsbild ab – einig sind sich die verschiedenen Institute nur darüber, dass es zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Koalitions- und Oppositionsparteien kommen wird. So kommt das Institut TNS-NIPO in seiner letzten Analyse zu dem Ergebnis, dass VVD, CDA und PVV zusammen 47,5 Prozent erreichen werden – umgerechnet 38 Sitze und damit die denkbar knappste Mehrheit. Die Konkurrenz vom Meinungsforschungsinstitut Maurice de Hond sieht das Ergebnis genau andersherum: Hier prognostiziert man 37 Sitze für die Koalition und 38 für die Opposition, weiß aber, dass es sehr sehr knapp wird. Die Rutte-Koalition benötigt deshalb in der Ersten Kammer eine Mehrheit, damit sie die von ihnen geplanten Gesetzesinitiativen zukünftig durch die beiden Parlamentskammern bringen kann. Momentan verfügt sie dadurch, dass der Duldungspartner PVV nicht im Oberhaus vertreten ist, dort noch über keine eigene Mehrheit. Sollte es wiederum nicht für eine Mehrheit reichen und der CDA wie vorhergesagt schwere Verluste hinnehmen, dann ist es sogar denkbar, dass die aktuell amtierende Minderheitskoalition von Mark Rutte kurz- oder langfristig zerbrechen wird.