Nachrichten Dezember 2011
INDONESIEN: Niederlande entschuldigen sich für Massaker von 1947
Balongsari. TM/NRC/VK. 09. Dezember 2011.
Auf den Tag genau 64 Jahre nach einem Blutbad an 431 männlichen Bewohnern des Ortes Rawagede auf der heute zu Indonesien gehörenden Insel Java hat sich der dortige niederländische Botschafter auf einer Gedenkfeier offiziell für die Taten seines Landes beim schlimmsten Massaker der niederländischen Kolonialgeschichte entschuldigt. Am 9. Dezember 1947 hatten niederländische Truppen auf der Suche nach einem Unabhängigkeitskämpfer das Dorf Rawagede umzingelt und – nachdem die dortigen Bewohner mehrmals bekräftigten, dass der Gesuchte sich nicht im Dorf versteckt hielt – fast alle männlichen Bewohner des Dorfes exekutiert.
„Im Namen der niederländischen Regierung entschuldige ich mich für die Tragödie, die sich zugetragen hat“, so der niederländische Botschafter Tjeerd de Zwaan vor hunderten Dorfbewohnern und etlichen Überlebenden des Massakers von 1947 in dem heute Balongsari genannten Ort in Westjava. De Zwaan sprach vor einem Monument, welches an das Massaker von 1947 erinnert, sowohl in Indonesisch als auch in Englisch zu den Anwesenden. Dabei sprach er die Hoffnung aus, dass die Fügung, welche die Niederlande getroffen habe, helfen soll, dieses Kapitel der eigenen Geschichte abzuschließen. Mitarbeiter der niederländischen Botschaft überreichten den Witwen der seinerzeit exekutierten zudem ein Holzbrett mit einer Windmühle und einer Palme sowie dem Text „Endlich Gerechtigkeit für das Volk von Rawagede“. Ebenfalls aufgeführt war ein Hinweis auf ein Urteil eines Gerichts in Den Haag, welches Mitte September in den Niederlanden und Indonesien für Aufsehen sorgte (NiederlandeNet berichtete). Die Richter wurden aktiv, da Überlebende und Angehörigen der Opfer von 1947 vor gut zwei Jahren eine Klage auf Schadenersatz gegen den niederländischen Staat einreichten. Die Richter urteilten im September, dass die Kläger eine Wiedergutmachung bekommen müssten. Er kürzlich hatte man sich darauf verständigt, jedem der noch lebenden neun Witwen einen Betrag in Höhe von 20.000 Euro auszuzahlen. Der niederländische Außenminister Uri Rosenthal nannte die Entschuldigung in einer Stellungnahme eine angebrachte Geste gegenüber den Hinterbliebenen: „Ich hoffe, dass die Hinterbliebenen mithelfen, diese außerordentlich schwierige Episode in ihrem Leben abzuschließen und in der Lage sind, den Blick auf die Zukunft zu richten.“
Als der niederländische Botschafter heute seine Entschuldigung aussprach, begannen die hunderten Anwesenden zu jubeln und die Überlebenden des Blutbades brachen in Tränen aus. Das NRC Handelsblad berichtet über die erste Reaktion einer Frau, die seinerzeit 20 war, als ihr Ehemann Opfer des Massakers wurde: „Dies gibt mir das Gefühl, dass mein Kampf für Gerechtigkeit nicht für nichts gewesen ist“. In de Volkskrant wird die 93-Jährige Anti Rukiyah als eine weitere Witwe zitiert: „Auf der anderen Seite war es so lange her, dass es passierte. Es macht so viel nicht mehr aus. Solange ich genug zu essen habe und meine Kinder glücklich sind, bin ich auch glücklich.“
Indonesien war fast 150 Jahre eine niederländische Kolonie. Nach dem zweiten Weltkrieg tobte dort ein blutiger Unabhängigkeitskrieg, bei dem sich die Niederlande erst 1949 geschlagen gaben. Seit der offiziellen Anerkennung der Unabhängigkeit Indonesiens im selben Jahr hatte es bis heute keine öffentliche Entschuldigung eines Vertreters des niederländischen Staates gegeben. Von mehreren Personen, darunter auch Entwicklungshilfeminister Jan Pronk 1991, Premier Wim Kok 1995 oder Außenminister Ben Bot 2005, wurde zwar betont, dass ihr Land damals „an der verkehrten Seite der Geschichte“, so Minister Bot 2005 in Jakarta, gestanden hat. Von keinem offiziellen Vertreter der niederländischen Regierung hat es aber nie eine öffentlich geäußerte Entschuldigung für die Taten von damals gegeben; es wurde immer nur gesagt, dass einem die Taten leidtun. Die heute geleistete Entschuldigung kann somit – zusammen mit dem Urteil vom September – als neuer Schritt in der Aufarbeitung der niederländischen Kolonialgeschichte bezeichnet werden.