Nachrichten APRIL 2009
KREDITKRISE: Sozialist leitet Untersuchungskommission
Den Haag/Büssel. TM/VK/NRC/Trouw. 22. April 2009.
Wie bereits Mitte April von der niederländischen Zweiten Kammer beschlossen wurde, soll es eine parlamentarische Untersuchungskommission zu den Geschehnissen um die Kreditkrise geben. Als Vorsitzender der Kommission wurde jetzt in dieser Woche der Abgeordnete der Sozialistischen Partei (SP) Jan de Wit benannt. Die Fraktionsvorsitzenden stimmten geschlossen für den politisch erfahrenen 63jährigen, der in der Zweiten Kammer hauptsächlich für die Justizpolitik der SP-Fraktion verantwortlich ist.
Die Untersuchungskommission wird ihre Aufarbeitung – wie es zurzeit aussieht – in zwei Phasen aufteilen und den Abschlussbericht so voraussichtlich auch erst im Sommer 2010 präsentieren. Zunächst sollen die Anfänge der Kreditkrise bis hin zum Zusammenbruch der amerikanischen Bank Leman Brothers im September 2008 untersucht werden. In einem zweiten Schritt soll sich die Kommission anschließend der Phase widmen, in der die niederländische Regierung in die Krise eingriff und unter anderem die Banken Fortis und ABN Amro kaufte (NiederlandeNet berichtete) sowie Milliardengelder in Aegon und ING investierte.
Vor dieser zweiten Phase wird sich die Regierung wohl am meisten fürchten, denn neben der parlamentarischen Untersuchungskommission droht dem Kabinett auch eine Aufarbeitung aus Brüssel, wo die Wettbewerbsabteilung der EU-Kommission bereits Anfang April bekannt gab, die milliardenschweren Beihilfen für die Fortis-Bank und die Übernahme der Bank ABN AMRO genauer unter die Lupe zu nehmen. In der EU-Kommission wirft man der niederländischen Regierung vor, womöglich gegen das EU-Beihilferecht verstoßen zu haben. So war es nach Ansicht der EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes zwar richtig, dass der Staat eingesprungen war, um den Konkurs von Banken abzuwenden; die Kommission wird aber untersuchen, ob die Beihilfen auf ein Minimum beschränkt waren und sie nicht zu übermäßigen Wettbewerbsverzerrungen geführt haben, welche zulasten von Banken in anderen Mitgliedsstaaten gehen würden.
Neben den niederländischen Aktivitäten im Bankensektor untersucht die Wettbewerbskommissarin auch Staatshilfen im Bankensektor von Belgien (Dexenia), Groß-Britannien (Northern Rock) und Deutschland (WestLB). Für Brisanz in der Debatte sorgt die Nationalität der Wettbewerbskommissarin – Neelie Kroes ist selbst Niederländerin, weshalb Deutschlands Finanzminister Peer Steinbrück Anfang des Monats auch vermutete, dass sich die Niederlande zurücklehnen könnte, was die Untersuchung der Kommission betreffe. Auch innerhalb der EU-Kommission scheint nach Ansicht der Zeitung de Volkskrant die Meinung vorzuherrschen, dass die Niederlande sich arrogant verhalten und sich durch die eigene Landsfrau an der Spitze der Wettbewerbskommission in einer privilegierten Position sehen. Durch den vermehrten Druck von Außen scheint sich dieser vermeintliche Vorteil aber mehr und mehr zum Nachteil zu entwickeln. So sieht sich der im vergangenen Jahr noch äußerst beliebte niederländische Finanzminister Wouter Bos durch die beiden Untersuchen von Parlament und EU-Kommission mittlerweile immer harscherer Kritik ausgesetzt.