2014 Plakat Jenkins

Karl Jenkins:

The Armed Man – A Mass for Peace

Samstag, 15. November 2014, 19:30 Uhr
Überwasserkirche Münster

Beschreibung

2014 jährt sich der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum einhundertsten Mal. Er gilt als der erste moderne Krieg mit neuen Technologien, die dem Schrecken ein weit größeres Ausmaß gaben, als die vielen Kriege davor. Krieg ist bis heute der ständige Schatten, der über unserer Erde hängt, sei es der Irakkrieg oder der weitaus aktuellere Bürgerkrieg in Syrien, welche nur zu den am meisten kommunizierten gehören.
Karl Jenkins komponierte das im Jahr 2000 uraufgeführte “The Armed Man: A Mass for Peace” im Gedenken an die Opfer der Kosovo-Krise. Ähnlich wie Brittens “War Requiem” handelt es sich um ein Anti-Kriegs Opus im Rahmen der Katholischen Messe. Neben den typischen Bestandteilen “Kyrie”, “Sanctus”, “Agnus Dei” und “Benedictus” verwendet Karl Jenkins eine Vielzahl von Texten verschiedenster Autoren, wie zum Beispiel Kipling, Dryden, Swift und Toge Sankichi, der die Bombadierung von Hiroshima miterlebte und kurze Zeit später an den Spätfolgen verstarb. Das Werk ist eine Reflexion über das Eintreten in den Krieg, die Schlacht und die verheerenden Folgen, die er für Menschen, Tiere und die Erde nach sich zieht. Ein besonderes Merkmal des Stückes sind auch die verschiedenen kulturellen Einflüsse der Inhalte, so taucht als zweites Stück der Gebetsruf eines Muezzins auf und das Stück “Torches” verwendet Textmaterial aus dem indischen Mahàbhàrata.
Studenten des Instituts für Musikpädagogik haben es sich zum Ziel gesetzt, dieses klang- und emotionsgeladene Werk in studentischer Leitung und Organisation im Rahmen des Gedenkens an den Ersten Weltkrieg auf die Bühne zu bringen.

"The Armed Man" – ein Bericht von Anke Schinner

Am 15. November 2014 wird in der Überwasserkirche ein Stück Institutsgeschichte geschrieben. Um die 1000 Zuhörer verfolgen gebannt die Aufführung des zweiten vollständig studentisch organisierten Großprojekts des Instituts für Musikpädagogik: Karl Jenkins, „The Armed Man“. Fast 100 Studierende der Musikpädagogik, unterstützt von der Kantorei der Christuskirche Minden und Studierenden anderer Fachbereiche, haben dieses Projekt selbstständig auf die Beine gestellt und bringen es nun nach über einem halben Jahr intensiven Probens zur Aufführung. Das Publikum wird hineingezogen in eine Geschichte voller Hoffnung und Verzweiflung, wird Zeuge von Krieg und Frieden, erlebt Kampf und Versöhnung hautnah.
The-armed-man 1 300pxUnter dem Dirigat von Konstantin Voßhoff erklingt zunächst, wie aus weiter Ferne, eine einsame Trommel. Von irgendwo hört man Schritte. Im Gleichschritt marschieren über sechzig Sänger durch die Kirche nach vorne. „L’homme armé doibt on doubter“ – den bewaffneten Mann muss man fürchten, warnen sie mit einer 500 Jahre alten Weise, zunächst leise, beinahe ängstlich, später in einem aufgeregten Fugato, zuletzt laut und eindringlich. Doch der Instrumentation (Flöten, Trommeln und Blech) ist das unaufhaltsam nahende Unheil bereits anzuhören. Weder der Ruf des Muezzin zum Gebet - Recep Akin entführt die Zuhörer minutenlang in eine orientalische Ferne - noch das Kyrie, in dem zunächst die Sopranistin Lisa Holeisen und schließlich der ganze Chor Gott um Erbarmen anfleht, vermögen es aufzuhalten. Die verzweifelte Bitte eines einzelnen Mannes: „Save Me From Bloody Men“, inbrünstig a capella vorgetragen von den Männerstimmen, wird bereits durch einen Paukenschlag, vielleicht der erste Bombeneinschlag, unterbrochen.
Im Sanctus - eigentlich ein dreifach gesteigerter Lobpreis Gottes - formiert sich das Heer. Es beginnt in einer zweifelnden Moll-Tonalität; selbst die Ehre Gottes, „gloria tua“, ist von Seufzern geprägt. Angespornt von Trommelschlägen und Trompetensignalen kann sich der Chor zu einigen hoffnungsvollen Wiederholungen des Lobpreises „Hosanna in excelsis“ durchringen, bevor - nun in Wechselgesängen der Frauen- und Männerstimmen - der Zug in die Schlacht zum Mantra-artigen „Sanctus“ fortgesetzt wird. Die Ausweglosigkeit der Lage wird noch einmal durch ein Gedicht von Rudyard Kipling hervorgehoben, in dem die Kämpfenden Gott um Kraft bitten - um Kraft für den Kampf, aber ebenso um Kraft zum Sterben.
Nun sind alle Zweifel und Zaghaftigkeit vergessen. „The trumpet’s loud clangour“ und „The double, double beat of the thundering drum“ treiben das Heer in den Kampf, unterstützt vom engelsgleichen Ansporn der Frauenstimmen “How blest is he who for his country dies“. Unter lautem Kampfgeschrei („Charge! Charge!“) beginnt die Schlacht. Zunächst ansteigendes, dann verebbendes Geschrei erzeugen vor dem inneren Auge Bilder der Zerstörung, der Panik, des totalen Chaos’. Danach - Stille. Ein leiser Regen und der Schall einer einzelnen Trompete sind die letzten Boten der vergangenen Schrecken. Eine Totenglocke läutet.
Während das Publikum in angespannter Fassungslosigkeit verharrt, gibt Konstantin Voßhoff nach einer halben Stunde überzeugend präzisen und vielseitigen Dirigats den Stab an Miriam Kords weiter, die gefühlvoll die Beschreibung der Nachkriegsszenerie anleitet. Lisa Holeisen, Hannah Meurer (Alt), Stefan Sbonnik (Tenor) und Enno Kinast (Bariton) interpretieren solistisch auf einmalig einfühlsame Art und Weise „Angry flames“, Worte des Hiroshima-Zeugen und -Opfers Tōge Sankichi, unterstützt durch gelegentliche Einwürfe des Chores.
Auch „Torches“, nach dem indischen Epos Mahābhārata, beschreibt die Nachkriegs-stimmung. Hier nimmt jedoch die Verzweiflung überhand; zornige Paukenschläge reißen die Zuhörer aus Bestürzung und Trance und schildern ein verstörendes Bild von Menschen, die wie Fackeln von den Flammen verzehrt werden.
Auf zwei finale Paukenschläge folgt eine tiefe Stille, aus der sich ein liebliches „Agnus Dei“ der Frauenstimmen erhebt. Die Bitte um die Hinwegnahme der Schuld und die Gabe des Friedens Gottes ist inständig, behält jedoch ihren nüchternen Charakter bei.
The-armed-man 2 200pxDiese Stimmung wird bewahrt, als sich die Aufmerksamkeit erneut auf die Empfindungen eines Einzelnen richtet: In „Now the Guns have Stopped“ schildert Guy Wilson den Schmerz und die innere Leere eines überlebenden Soldaten, der um einen gefallenen Freund trauert. Hannah Meurer erzeugt mit ihrer gefühlvollen, eindringlichen Interpretation Gänsehaut.
Mit dem „Benedictus“ schließt sich ein Kreis: Nachdem der Krieg überstanden ist, kehren Ruhe und Frieden ein. Rüdiger Noeske bezaubert mit einem sanften, beruhigenden Cellosolo. Der Chor nimmt die Melodie in einem wunderbar fließenden Übergang auf und kommt endlich zum jubelnden „Hosanna in excelsis“, der Vollendung des „Sanctus’“, die wenige Stücke zuvor noch so unmöglich schien.
Zum Schluss lässt Komponist Karl Jenkins die Geschehnisse der letzten Stunde noch einmal Revue passieren. Miriam Kords führt mit beeindruckender Souveränität durch ein Feuerwerk der Emotionen und Kontraste; die Melodie des „Homme Armé“ wird umgedeutet zur Erkenntnis „Better is peace than always war“. Mit Pauken, Trompeten und Glockenklang läuten Chor und Orchester das große Finale ein: „Ring in the Christ that is to be“.
Den letzten Eindruck verleiht der Messe jedoch ein schlichter und umso wirkungsvollerer Schlusschoral: „God shall wipe away all tears. Praise the Lord“.

Nach gefühlt ewigem andächtigen Schweigen brandet Applaus auf; das Publikum feiert die über 100 Musiker mit zehnminütigem Beifall und Standing Ovations.

Die engagierten Studierenden boten ihrem begeisterten Publikum eine rundherum gelungene Aufführung. Die enorme Leistung des Orchesters, das die rhythmischen und harmonischen Ansprüche der Messe gekonnt meisterte, ging dabei einher mit der glanzvollen Darbietung des Chores, der durch außergewöhnlich gute Textverständlichkeit und feinste Nuancen in der Dynamik bestach. Es bleibt nur zu hoffen, dass Projekte wie dieses sich im Institutsleben verankern und dass sich Studierende finden, die diese Tradition fortleben lassen!