Leider selten bedacht (1):

„Jede technische Revolution macht etwas möglich, was vorher so nicht machbar war. Also, so sollte man meinen, hätte der Einsatz von Computern als erstes ein Nachdenken über die bisherigen gravierenden Lernprobleme in der Schule und deren mögliche Behebung durch Computernutzung auslösen müssen." (Bauersfeld)1

Leider selten bedacht (2):

„Der Weg ist dem Ziel im Weg." (Wandspruch an der Hamburger Universität)  

Schöne neue Lern-Welt?
Aktuelle Perspektiven für eine sinnvolle Modernisierung des Bildungswesens – mit und ohne Computer

 

Bildung, insbesondere die Qualität unseres Schul- und Hochschulwesens wie auch deren beider anstehende Modernisierung ist in der jüngeren Vergangenheit zu einem richtigen Megathema geworden, wie es auf neudeutsch so unschön heißt.

Während sich auf der einen Seite die Unzufriedenheit eines großen Teils der Nachfrager nach Bildung über massive Defizite von Schulabgängern immer offener Luft macht (der Schule wird vorgehalten, ihr gelänge es nicht, Kindern insbesondere die Kernfächer wie die eigene Sprache oder Mathematik effektiv zu vermitteln), wird gleichzeitig in einer technologischen Aufrüstung des Bildungswesens, im Anschluß an die computerisierte Global Society ein Ausweg aus der Bildungsmisere gesucht. 

Einen Automatismus freilich sollte man sich nicht erhoffen, der durch die neuen Medien quasi wie von selbst in Gang gebracht würde. Schließlich handelt es sich nicht um ein technisches Problem, wenn vielen Kindern partout nicht einleuchten möchte, daß eine Investition in die eigene Bildung Sinn machen könnte. Kein Computer der Welt kann das Rätsel wegbeamen, weshalb den meisten Kindern und Jugendlichen ausgerechnet das Angebot, daß sie sich eine überaus lange Zeit um nichts als ihre eigene Bildung kümmern können und sollen, als Belästigung, wenn nicht gar als Bedrohung erscheint.2 
 Wenn es denn um eine ernsthafte Klärung der Frage danach geht, welche Rolle genau die neuen Medien bei der auch ohne sie fälligen Reformierung des Bildungswesens spielen sollten und wie mit ihrer Hilfe Kindern ein Weg aus dieser Paradoxie gewiesen werden kann, mit der herumzuschlagen sich ganze Schüler-, Eltern- und Lehrergenerationen mehr schlecht als recht gewöhnt haben, bedarf es mehr als den vorschnellen und übereifrigen Verweis auf die den neuen Techniken angeblich per se innewohnenden Optionen. Und so sympathisch es ist, wenn Kinder und Lehrer mit durchaus berechtigtem Stolz ihre gemeinsamen Anstengungen ins Netz stellen: ob von einer echten Integration des Geräts in den Unterricht gesprochen werden kann und davon, daß unsere Kinder wirklich „fit für die Zukunft" gemacht werden und wieviel damit für eine tatsächliche „Humanisierung" von Schule und ein effektiveres Lernen gewonnen ist, entscheidet sich nicht an einer bunten, netten Homepage.  

Ein Unding: die schleppende Modernisierung der Grundschulen 

Gleichzeitig steht eines fest: es ist überfällig, den Schulen umfassend die modernen Technologien zur Verfügung zu stellen und sie an eine vernünftige Nutzung heranzuführen. Dies gilt in besonderer Weise für die Grundschule, schließlich entscheidet sich maßgeblich in den ersten Jahren, welchen Verlauf die Bildungsbiographie eines Kindes nimmt.

(Nur am Rande sei hier angemerkt, daß eine inhaltsbezogene Modernisierung, die sich nicht von dem inzwischen erreichten Stand der technischen Möglichkeiten den Blick trüben läßt, sehr viel weniger kostet als oft berechnet oder befürchtet!) 

 Während jedoch der Computer aus Arbeit und Beruf nicht mehr wegzudenken ist und längst auch stürmisch sich in jeden Winkel der Privatsphäre einzunisten beginnt, erfolgt sein Einzug in unser Bildungswesen noch reichlich zögerlich. Auch mit großem Medienaufwand vorgenommene Kampagnen (z.B. „Schulen ans Netz") sollten nicht darüber hinwegtäuschen, daß von einer echten Integration des Computers in den Unterricht noch keine Rede sein kann. Beispielhafte Ausnahmen, die meist vom Engagement einzelner Schulleiter, Lehrer oder Elternvertreter leben, bestätigen vorläufig noch diese Regel. 3 Und es ist schade um das enorme Potential, das längst aufbereitet in vielen vernünftigen Angeboten schlummert. 

Aber auch die außerschulische Begeisterung der Kinder und Jugendlichen für das neue Medium ist alles andere als die Gewähr dafür, daß für sie und ihre eigene Entwicklung viel gewonnen ist. Sich immer nur für Action, Action, Action begeistern zu können, ständig auf der Jagd nach den neuesten „megacoolen" Spiele zu sein oder sein Herz an diverse Geschmacklosigkeiten zu hängen (nach dem dummen Motto: je mehr verboten, desto größer der Reiz), mag zwar ab und an in der Konkurrenz mit Gleichaltrigen belohnt werden – daß die Kinder oder Jugendlichen damit sich selbst einen Gefallen tun, darf bezweifelt werden. 

Diese Kombination von schleppender schulischer Modernisierung einerseits und der verbreiteten außerschulischen Nutzung des Computers für Un-Sinn andererseits wirkt umso fataler, als unser Bildungswesen dringend darauf angewiesen wäre, sich all der pädagogischen und didaktischen Optionen der modernen Techniken zu bedienen:

    um Kindern wieder vermehrt zur Freude an Schule und Lernen zu verhelfen: weil ihre konkreten Lernbedürfnisse stärker zum Zuge kommen können oder weil, etwa im Rahmen von computerunterstützten Projekten, unterschiedlichste Interessen die schulische Arbeit bereichern helfen.

    um Lehrern zu ermöglichen, endlich dem einzelnen Kind gerecht werden zu können und den Unterricht spannender und wirklichkeitsnäher gestalten zu können; auch unterstützt der PC bei der Integration der „alten", zu Unrecht oft vernachlässigten Medien ins Unterrichtsgeschehen.

    um Eltern bei ihrer oft undankbaren Aufgabe als „Nachhilfelehrer der Nation" zu entlasten und ihnen Freiräume dafür zu verschaffen, sich gemeinsam mit ihren Kindern um interessante Themen zu kümmern – auch am PC und mittels Internet.

Überdies darf eines nicht vergessen werden: die grundsätzliche Beherrschung der neuen Technologien wie die Fähigkeit, sie sachbezogen nutzen zu können, hat sich längst zu einem essentiellen Bestandteil von moderner Allgemeinbildung fortentwickelt. Auch wenn dies noch nicht von allen Kultusministern (öffentlich) eingestanden wird – man befürchtet, es könne eine Lawine von Ansprüchen losgetreten werden – und unter finanzpolitischen Gesichtspunkten lange „gemauert" wurde: es ist längst an der Zeit, die Kinder bereits mit dem ersten Schuljahr systematisch an die neuen Medien heranzuführen.4 

Ein Grund für den übrigens auch im Vergleich zu anderen Ländern viel zu bedächtigen Verlauf der Modernisierung der Bildungslandschaft mag sicher in der immer noch verbreiteten Distanz zahlreicher Eltern und Lehrer gegenüber den Neuen Medien liegen. Die Scheu, sich eines Mediums zu bedienen oder es gar zum Unterrichtsgegenstand machen zu sollen, das die Welt der Kinder längst erobert hat und bei dessen Beherrschung die Schüler viel kompetenter erscheinen, tut sein übriges. Dabei hat niemand zu befürchten, daß er plötzlich zum Computerfreak werden müßte. Und was spricht eigentlich dagegen, sich hier auch einmal von den Kindern etwas beibringen zu lassen?5

Sicher mag in der heutigen, ersten Phase allenfalls ein kleiner Ausschnitt aus all den Möglichkeiten, die durch die neuen Medien für Bildungsprozesse geboten werden, für die Lehr- und Lernbedürfnisse im Grundschulbereich von konkreter Bedeutung sein. Dennoch macht es Sinn, nicht den Blick für die Zukunft einer Entwicklung zu verlieren, die auch im elementaren Bereich längst begonnen hat. Für das Internet etwa kristallisieren sich folgende Perspektiven heraus:

Schulrelevante Potentiale des Internet

    Austausch mit anderen Schulen, Schülern, Forschungs- Einrichtungen

    Beschaffung von Literatur, Information und Material

    Verknüpfung eines bestimmten Themas mit angrenzenden Aspekten Simulation und Veranschaulichung möglicher Ereignisse und Sachverhalte Etablieren virtueller Arbeits- und Diskussionsgruppen „Open-end"-Projekte Dokumentation und Präsentation eigener Ergebnisse

 

Vorerst ist freilich nicht daran zu denken, solche Optionen umfassend auch für die Grundschulen verfügbar zu machen. Dies ist alles andere als ein Manko: denn wenn die Reformierung des Bildungswesens nicht mit seiner technologischen Aufrüstung verwechselt wird, wird deutlich, daß der abgegriffene Spruch, wonach weniger viel mehr sein kann, zumindest hier zutrifft. 

Konturen einer zeitgemäßen Bildungsreform, oder: Müssen Kinder sich wieder mehr anstrengen?

In einer seiner Berliner „Ruck-Reden" hat Roman Herzog dazu aufgefordert, alle Anstrengungen zu unternehmen, unser Bildungswesen wieder zum weltbesten werden zu lassen. Die Resonanz war, wie erhofft und nicht nur dank geschickter PR-Arbeit, schier überwältigend; und von der Bildzeitung bis zur TAZ, quer durch alle Parteien und Verbände wird Herzogs Aufruf, das Bildungswesen in die moderne Freiheit zu entlassen, zumindest mit einem „Endlich kommt die Schuldebatte ins Rollen!" kommentiert.6 

So interessant es nun wäre, unter medienkritischen Gesichtspunkten auf die einzelnen Bestandteile der Rede und ihre facettenreiche Rezeption Bezug zu nehmen: ich bin Herzog vor allem dankbar für zwei Stichworte, die mir gerade im Hinblick darauf besonders am Herzen liegen, was denn eine sinnvolle Modernisierung von Schule, insbesondere auch der Grundschule bedeuten könnte.

Herzog sprach davon, daß Kinder und Lehrer sich wieder auf „Sekundärtugenden" besinnen sollten und in Rechnung stellen müßten, daß Lernen auch Anstrengung, Arbeit bedeute. Daneben fordert er vehement eine Integration des Computers in die Schule.7

Beidem scheint auf den ersten Blick nur zugestimmt werden zu können – allerdings nur auf den allerersten, flüchtigen Blick. Denn bei beiden Seiten bleibt das genaue WOZU, das WOFÜR ein ganzes Stück weit offen. Und schon gar nicht wird klar, wieso Technik und Anstrengung per se Garanten einer zukunftsweisenden Reform von Bildung sein sollen.

Genau darüber aber droht das vorgebliche Patentrezept zu einem Mustervorschlag ohne Wert zu werden. 

Natürlich steht eine Computerisierung der Schule an; und es muß auch das Gerät selbst und seine Beherrschung zu einem eigenständigen Bestandteil von moderner Allgemeinbildung werden. Dies haben inzwischen selbst jene Pädagogen eingesehen, die lange Zeit meinten, die Kinder vor dem kalten, emotionslosen Gerät schützen zu müssen. (Leider sind viele von ihnen ins andere Extrem verfallen: wenn der Computer plötzlich als der ultimative Bildungsreformer hofiert wird.)

Doch die PCs – als Arbeitsmittel wie als Unterrichtsgegenstand – einfach nur in die Schulen zu holen und dort letztlich doch wieder alles beim alten zu belassen, macht wohl wenig Sinn. Auf einem neuen Gebiet die alten Fehler zu wiederholen, die offensichtlich ja hartnäckig dazu führen, daß Kinder herzlich wenig aus ihrer Schulzeit mit ins Leben nehmen, rechtfertigt jedenfalls noch keine nationale Anstrengung. Man erinnere sich nur an die leidigen Erfahrung mit den Sprachlabors oder den meist unerquicklichen Informatikunterricht in den höheren Klassen.

Oder anders: was wäre damit gewonnen, wenn Kinder sich eine eigene Homepage basteln können, aber nicht dazu in der Lage sind, sie mit interessanten Inhalten zu füllen oder wenn sie keiner lesen kann oder sie zu schätzen weiß? 

Erfreulicherweise scheint Herzog die in Bezug auf die neuen Medien so verbreitete Hoffnung nicht zu teilen, daß sich, gleichsam als automatischer Nebeneffekt der technologischen Aufrüstung ein ganz, ganz anderes, eigenständiges Lernen und eine ganz, ganz andere Schule einstellen müsse, und daß deshalb alles Nachdenken darüber hinfällig wäre, weshalb trotz der langen Schulzeit die Bildungsergebnisse so dürftig sind. 

So sehr Herzog also dabei zuzustimmen ist, wenn er meint, daß Bildung auch mit Hilfe des Computers kein Kinderspiel wird: die bloße Besinnung auf die Sekundärtugenden, das schlichte Einfordern von Motivation kann kaum die Lösung sein! Denn gerade die Erfahrung mit Kindern, die an unserem Bildungswesen scheitern oder zu scheitern drohen, zeigt, daß es an der fehlenden Bereitschaft nicht liegen kann. Denn Kinder sind dazu bereit, sich anzustrengen – wenn sie denn einen Sinn in diesem Bemühen sehen. Wenn sich diese Bereitschaft jedoch im Laufe ihrer Schullaufbahn verflüchtigt, ist es höchste Zeit, diesem Phänomen nachzuspüren! Sie einfach zu verlangen und umstandslos einzufordern macht jedenfalls für sich wenig Sinn. 

Vielmehr ist es doch gerade umgekehrt: wenn nicht nur beim Bergwandern „der Weg das Ziel" ist, sondern Bildung auch im Verständnis der Kinder aus dem Ruch einer lästigen Pflicht befreit wird, die sich die Erwachsenen aus unerfindlichen Gründen haben einfallen lassen, ist Anstrengung und Engagement kein gesondertes Thema mehr.

Wenn schulische und außerschulische Bildungsangebote vor allem auf inhaltlicher Ebene attraktiv gemacht werden, ist das engagierte Mitmachen von Kindern keine Sache mehr des Köderns oder Einforderns. Darum gilt es, sich heute zu bemühen, gerade auch mit Hilfe der neuen Medien. 

 Oder macht falsches Lernen dumm? 

Horkheimer hat einmal etwas salopp davon gesprochen, daß auch das Lernen dumm machen könne: In seiner Begrüßungsansprache vor Frankfurter Studienanfängern 1952 warnte er sie davor, das, womit sie sich künftig beschäftigen wollen und sollen, nicht auch verstehen zu wollen.8

Horkheimer sprach damit ein Phänomen an, das jedem von uns vertraut ist: Kinder (die großen wie die kleinen) lernen nicht für sich, sondern – für die nächste Prüfung. Und das gilt keineswegs nur für die Schule. Selbst unsere Studenten machen sich selbst ein ganzes Stück weit „dumm": wenn sie sich immer nur für das interessieren, was der jeweilige Dozent verlangt oder als Reizwort erwarten könnte. Es ist ja schon absurd, um wieviel wichtiger oft akribische Vorlesungsmitschriften sind als die Anstrengung, sich einmal selbst einen Sachverhalt zu durchdenken oder zu erarbeiten.

Die Folge von solchem Bildungsverständnis, das mit „Studieren" im eigentlichen Sinne nichts mehr zu tun hat, ist fatal: Subjekt und Stoff bleiben unvermittelt; und es muß gerade heute, im Zeitalter des schier schrankenlos möglichen Zugriffs auf Information absurd erscheinen, wenn ausgerechnet der moderne Mensch danach trachtet, seinen Verstand als ein dummes Speichermedium zu mißbrauchen. 

 Eine große Chance, dieses fatale Mißverständnis von Bildung aufzubrechen – es würde sich nur um einen reinen Paukstoff handeln, den man nicht an sich als Person herankommen lassen müsse –, sehe ich auf zwei Ebenen: 

1. einmal im Bezug auf Fehler und

2. darin, sich mit Hilfe der Elektronik darum zu bemühen, Stück für Stück jene Momente von Bildung einzufangen, für die sich im normalen Unterricht fatalerweise kaum Raum findet, obwohl sie jedem Lehrer aus seinen reformpädagogischen Seminaren nur allzu vertraut sind: Öffnung der Schule, fächerübergreifendes Lernen, Forschen und Studieren, Integration von vor- und außerschulischen Interessen, Berücksichtigung individueller Lernbedürfnisse etcpp. 

 Über den Bezug auf Fehler 

Ich meine, daß sich hier und durchaus auch in der Besinnung auf Piaget ein Ansatzpunkt finden ließe, mit dem sich die übrigens auch die von Herzog erhoffte Freude am Lernen mit dem sinnvollen Einsatz des Computers in der Schule verbinden ließe: Piaget sprach in einem seiner letzten Interviews (dokumentiert vor mehreren Jahren von der Zeitschrift „Psychologie heute") davon, daß er vor allem durch die Auseinandersetzung mit fehlgelaufenen Lernprozessen und ihrer Analyse zu den wichtigsten Bausteinen seines theoretischen Gebäudes gekommen sei. 

Auf die Fehler von Kindern sich ernsthaft beziehen zu können, ist eine „Fähigkeit" von Lehrern, die oft viel zu wenig zum Tragen kommt. Die durch den ‚normalen‘ schulischen Alltag und die konkreten Gegebenheiten im Untericht bedingte Tendenz zur Gleichschrittigkeit und Gleichförmigkeit läßt den Erwerb von sprachlicher wie mathematischer Kompetenz zu einer Angelegenheit werden, bei der den konkreten Entwicklungsschritten des einzelnen Kindes nur unzureichend Aufmerksamkeit gewidmet werden kann.

Hier könnte dem Einsatz des Computers gerade in der Grundschule wie in der Sekundarstufe I eine große Rolle zufallen. 

Nun hat vor etlichen Jahren Karl Popper, ein Theoretiker des wissenschaftlichen Treibens, eine doch etwas seltsame Behauptung aufgestellt: der Fortschritt in Sachen Wissenschaft bestünde vor allem im „Ausmerzen von Fehlern"9 Seltsam deshalb, weil der Fortschritt menschlichen Wissens ausgerechnet dadurch zustande kommen solle, daß man seine Bemühungen, salopp gesagt, einfach ad acta legt (weil sie zwangsläufig von Irrtümern durchsetzt seien) und durch irgendeine andere Behauptung ersetzt: man müsse sich dann eben eine neue „kühne Theorie" ausdenken, der - und da war er sich ganz sicher - freilich früher oder später das gleiche Schicksal blühen werde.10

Daß man aus einem Fehler etwas lernen könne, weil man sich klarmacht, was an der Behauptung verkehrt sei und was in ihr an richtiger Einsicht enthalten ist, war in seinem logischen Gebäude nicht vorgesehen. 

Ob sich je irgend ein Wissenschaftler (und auch er selbst) an dieses Konzept gehalten hat, mag dahingestellt bleiben. Auch ist das Zitat grob verkürzt und aus dem Zusammenhang gerissen. Aber ein Stück von dieser durchaus lockeren Haltung gegenüber geistigen Anstrengungen würde man sich auch für den Umgang mit Fehlern, den Kinder zwangsläufig machen, auch für den Bezug der Schule auf ihre Bemühungen wünschen. Etwa nach dem Motto: Ein Fehler? Halb so schlimm, irren ist schließlich menschlich. Mal sehen, wo der Wurm steckt... 

Stella Baruk, eine engagierte französiche Pädagogik-Professorin, hat sicher nicht recht, wenn sie Lehrern unterstellt, daß es ihnen regelrecht einen Genuß bereite, wenn sie sich mit ihrer roten Farbe zum Richter über die Kinder aufschwingen könnten. 11 Dennoch trifft sie einen ganz entscheidenden Punkt: nämlich den, wie sich die ganze Sache aus der Sicht der Kinder darstellt.

Fehler bekommen in der Schule und, schlimmer noch: in Bezug auf das eigene Selbstbild recht schnell einen wertenden, moralisch-prinzipiellen und gleich auf die ganze Person bezogenen Beigeschmack: man hat sich nicht einfach „nur" verrechnet oder vielleicht auch „bloß" noch nicht ganz verstanden, wie es sich genau mit der Rechtschreibung verhält. Zumindest in der Wahrnehmung des Kindes wird aus einer Antwort, wenn sie nicht voll auf die Zustimmung der Instanz Lehrer stößt, fast automatisch eine reine Blamage: es schiebt sich die Empfindung in den Vordergrund, man habe legitime Erwartungen enttäuscht, sei einfach schlecht, auf jeden Fall schlechter als die anderen und womöglich sogar schlicht dumm. 

Natürlich ist solche Gleichsetzung dumm, auch wenn sie vielen Beteiligten so plausibel erscheint. Sie wird aber umso plausibler, je mehr sich die Rückmeldung von den inhaltlichen Bemühungen des Kindes entfernt und nur noch interessiert, ob man richtig oder falsch gelegen hat oder wenn man sich gleich in jener abstrakten Bewertung verliert, die eine Note nun einmal darstellt. 

Aber man sollte sich gelegentlich durchaus klarzumachen versuchen, daß solche blinde Orientierung der Kinder am Erfolg keinem gut tut – weder den drohenden Verlierern solcher Perspektive: sie werden pseudocoole Hampelmänner oder ängstliche Vorgabengucker, denen recht schnell alle Kreativität und Schwung abhanden kommt; noch den scheinbaren Siegern dieser Erfolgskonkurrenz: wenn diese zu ihrem Glück die Niederlagen der anderen brauchen. 

Wenn es nun endlich einmal, gerade auch mit Hilfe der neuen Medien, gelingen würde, das Bemühen um die in jedem Fehler enthaltenen Denkleistungen der Kinder und damit um ihren inhaltlichen Fortschritt wieder etwas mehr in den Vordergrund treten zu lassen, könnte man sogar Goethe zustimmen: „Die Irrtümer des Menschen machen ihn eigentlich liebenswürdig." Weil dann Schwächen und Fehler nicht gleich persönliche Niederlagen bedeuten müssen; sie sind Auftakt für eine gemeinsame Anstrengung von Kind und Lehrer. 

 Welche Software benötigen Kinder und Lehrer? 

Das Monitum von Bauersfeld, das er zu einer Zeit bereits geltend machte, als die meisten Pädagogen den Computer noch als Teufelszeug ansahen – sich nicht von den technischen Möglichkeiten den Blick auf den auch ohne Computer nötigen Reformbedarf verstellen zu lassen – hat nichts von seiner Aktualität verloren. 

Doch so richtig ist sein Hinweis auch heute noch nicht angekommen: weder bei den meisten Entwicklern von Kinder-Lernsoftware, und noch weniger bei den meisten Software-Ratgebern. Inhaltliche Ernsthaftigkeit wird fast durchweg mit technischer Raffinesse gleichgesetzt oder durch sie zu ersetzen versucht: 

„Nutzen Sie die beflügelnden Möglichkeiten des Lernens mit dem Computer", heißt es da vollmundig, denn:

„Im Zusammenspiel mit den interaktiven und multimedialen Lernprogrammen kann Ihr Rechner endlich zu dem werden, was von moderner Computertechnologie schon immer erwartet wurde: das ideale Lernmedium.12
  

Vor lauter Bestreben, im Wettlauf um die Gunst der Videospiel-verwöhnten Kinder nicht das Nachsehen zu haben, steckt man alle Energie und Mittel in die graphische und animatorische Verpackung: eine Lernsoftware, bei der es nicht buchstäblich kracht und scheppert, die weder 3-dimensionale Graphiken noch Browser samt Internetanbindung aufweisen kann, kann einfach nichts taugen, lautet das schnelle Urteil vieler selbsternannter Experten, dem sich leider auch mancher Pädagoge anschließt.13

Ob der spärliche, beigefügte Inhalt freilich zu sehr viel mehr taugt als der Gewissensberuhigung von Eltern (nach dem Motto: „Endlich lernt mein Junge, und das freiwillig!"), spielt eine untergeordnete Rolle. 

Manifest wird das Desinteresse daran, was Kindern, Eltern und Lehrern gerade in den ersten Klassen der Schule wirklich zu schaffen macht, nicht zuletzt an der bei Programmen vorgesehenen Rückmeldung auf Fehler. Spätestens hier scheidet sich die Spreu vom Weizen:

Ob die Möglichkeit, Fehler zu machen, überhaupt vorgesehen ist oder ob das Programm nur auf eine einzige, nämlich die erwartete Eingabe reagiert.

Ob das Kind, etwa durch einen unangenehmen Ton, nur darauf hingewiesen wird, daß der Computer etwas anderes wünscht.

Wie das Programm reagiert, wenn das Kind sich nur einmal vertippt oder aber partout nicht weiterkommt.

Ob es nur die Beschwerde einer „beleidigten Leberwurst" gibt („Willst Du mich jetzt ärgern oder was?", „Streng‘ Dich gefälligst mal an!") oder ob gar Stromschläge für den Helden davon abhalten sollen, Fehler zu machen. 

Immer noch viel zu selten findet man Verzweigungen, die den Kindern einen anderen Zugang zum Stoff vorschlagen oder inhaltliche Hilfestellungen, die wirklich weiterhelfen. Und die große Ausnahme ist, daß sich Programme Fehler merken und womöglich bei der Fehleranalyse unterstützen können. 

Aus diesem Grund habe ich mich mit meinem Team auch dagegen entschieden, unsere Kraft und Zeit bedingungslos ins Aufpeppen der von uns entwickelten Lernprogramme zu stecken. Anstatt uns also an der Jagd nach dem ultimativen Lernprogramm zu beteiligen, haben wir in Ergänzung zur Lernsoftware-Reihe ein Diagnostik- und Übungsprogramm konzipiert. Dieses ist dazu gedacht, Lehrern, Schulpsychologen und engagierten Eltern dabei behilflich zu sein, den konkreten Unterstützungsbedarf der Kinder genauer einzugrenzen: durch Analyse der Fehler, Eingrenzung der Problembereiche, Verweise auf mögliche Fehlerstrategien der Kinder.14 

Denn wenn man Schule und Ausbildung wirklich davon befreien möchte, daß sie sich auf ein Input-Output-Verhältnis reduzieren, bei dem der Inhalt der einzelnen Fächer zu einem Sammelsurium unverstandener Merksätze wird, spielt der Umgang mit Fehlern gerade in den ersten Schuljahren eine ganz entscheidende Rolle! Davon hängt viel ab: ob Kinder den Mut aufbringen, sich selbst zum Subjekt ihrer Bildungsbiographie zu machen; darauf zu achten, ob sie einen Sachverhalt oder notwendigen Lernschritt wirklich verstanden haben oder nicht und dies dann auch geltend machen. Oder ob auch ihnen der irrige Gegensatz von Bildung und Freizeit einleuchtet und sie ihre eigene Bildung als trostloses Ableisten eines lästigen Pensums betreiben. Was ihnen bleibt, ist das zum Scheitern verurteilte Bemühen, nichts als fremde Erwartungen erfüllen zu wollen und um jeden Preis Fehler zu vermeiden suchen statt sich selbst etwas zuzutrauen. 

Das Pech solcher Kinder ist es, daß diese so radikal erfolgsorientierte und zugleich kreuzbrave Haltung nur sehr bedingt honoriert wird: ob sie damit zum Schulerfolg und guten Noten kommen, bleibt mehr als fraglich, und – was viel mehr als der pure formale Erfolg zählt – sie laufen Gefahr, sich mit solcher eindimensional-linearen Identität (auf die sie sich selbst reduzieren) mehr und mehr von jenem modernen Bildungsideal zu entfernen, das doch eine selbstbewußte Persönlichkeit mit sehr viel Kreativität und Phantasie samt inhaltlicher Kompetenz einfordert. 

Wenn dann auch noch eigene Fehler immer identifiziert werden und werden müssen mit einer Bewertung, mit einer Be- und Verurteilung durch die Instanz Lehrer, ist es kein Wunder, wenn eine Lernhaltung um sich greift, bei denen Kinder sich nicht die Muße gönnen, ein Problem zu durchdenken. Denn das ist es ja gerade, womit wir in der Arbeit mit sog. lernschwachen Kindern immer wieder zu kämpfen haben: sie rechnen einfach drauf los und vermengen z.B. bei Textaufgaben oft genug willkürlich die Zahlen, nur um überhaupt zu einem Ergebnis zu gelangen. Etwa nach dem Motto: Hauptsache, Auftrag erfüllt!15 

Insofern ist die durch die neuen Medien gebotene Möglichkeit nicht hoch genug einzuschätzen, auch einmal ohne das ängstliche Schielen auf den Lehrer, die Mutter oder den Vater und ohne zeitlichen Druck am Stoff zu arbeiten. 

Weil aber umgekehrt in aller Regel in jedem Fehler eine Denkleistung des Kindes steckt, wird deutlich, welche Aufgabe künftig für den Lehrer mit Hilfe der neuen Medien in den Mittelpunkt rücken muß. Keineswegs darf er sich, wie leider so oft suggeriert wird, auf die Rolle eines Moderators von ansonsten autonom ablaufenden Lernprozessen der Kinder zurückziehen, weil ihm ja der Computer mit seinen vielfältigen Mölgichkeiten des aktiv-entdeckenden Lernens die inhaltliche Arbeit weitgehend abnehme. 

Vielmehr gilt es, die unvermeidlichen Fehler und Irrwege der Kinder zu analysieren und ihre darin enthaltenen Denkleistungen herauszufinden und diese nicht einfach durch die Rückmeldung richtig/falsch pauschal zu entwerten. Dies sollte die wesentliche Aufgabe eines Lehrers sein, für die ihm – noch in aller Regel die Zeit fehlt, für die ihm aber oft genug auch das Gespür und die inhaltliche Kompetenz abhanden gekommen ist – weil in der ‚normalen‘ Schule so wenig Raum dafür ist. 

Lehrer werden in Zukunft also sehr viel mehr unterstützt und gefordert zugleich werden: weil ihnen der Computereinsatz in der Schule völlig neue Freiräume verschafft, die es sinnvoll zu nutzen gilt. Auch wird die mit dem Einsatz von Computern möglich gewordene Individualisierung und Differenzierung von ihnen sehr viel mehr verlangen; an inhaltlicher, fachdidaktischer Kompetenz ebenso wie hinsichtlich sozialpädagogischer und lernpsychologischer Kompetenz – ganz abgesehen von der Beherrschung der neuen Medien selbst. 

 Einige Thesen zur Zukunft von Schule und Lernen 

Als Ausblick für die Gestaltung einer modernen Schule, wie sie sich heute ansatzweise skizzieren läßt, könnten die folgenden programmatischen Thesen dienen. Dabei sind sie zum Teil keineswegs neu. Neu ist vielmehr die Chance, sie nicht nur ständig als das bessere (schlechte) Gewissen pflegen zu müssen. 

1.  Der Einsatz der neuen Technologien (in der Schule wie zu Hause) hat sich daran zu orientieren, daß Kinder in die Lage versetzt werden, Bildung als ihre eigene Angelegenheit anzusehen. Schule muß wieder mehr zum Angebot statt zum lästigen Bündel von lauter Anforderungen werden. 

2. Die Orientierung an formalen Erfolgen muß so weit als möglich zurückgedrängt werden. Das Bewertungssystem, an das wir uns leider gewöhnt haben, muß grundlegend überdacht werden. Dem dummen Fixiert-Sein auf die Noten, auf die nächste Prüfung darf nicht ständig recht gegeben werden. 

3. Der Bruch zwischen außer- bzw. vorschulischer Zeit und der eigentlichen Schul-Zeit muß gerade auch unter entsprechendem Rückgriff auf die neuen Medien verhindert werden; es darf nicht vernachlässigt werden, daß gerade in den ersten sechs, sieben Klassen die Stellung der Kinder zu sich und ihrer eigenen Bildung weitgehend fixiert werden! 

4. Die Hilfe zur Korrektur prekärer Bildungsbiographien hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn Kindern Wege aufgezeigt werden, wie sie sich, mit kompetenter Unterstützung durch den Lehrer ebenso wie mit Hilfe ernsthafter Lernprogramme oder über attraktive Angebote aus dem Internet, selbst sowohl die wichtigen und die sie je interessierenden Bildungsgebiete erobern können – auch und gerade dann, wenn für sie der Zug im eigentlichen Sinne schon abgefahren erscheint. 

5. Für alle Kinder gilt: ihr Vorwissen und ihre besonderen Interessen müssen stärker mit in den Unterricht einbezogen werden; die Vorgabe durch den Lehrplan relativiert sich entsprechend. 

6. Trotz aller Entgrenzung von Familie und Schule, trotz aller Tendenzen hin zu einer Privatisierung des Bildungswesens: Allgemeinbildung muß weiterhin öffentliche Aufgabe bleiben; allerdings ist das Netzwerk von Schule, Elternhaus und außerschulischen Einrichtungen sinnvoll aufeinander abzustimmen. Dies setzt auch eine entsprechende Ausstattung der Schulen mit Hard- und vernünftiger Software voraus. Es setzt aber auch voraus, daß die Möglichkeit der Computernutzung nicht am schmalen Budget von Familien scheitert. Und es setzt schließlich voraus, daß sich die Verlage wie Hochschulen um einen entsprechenden Ausbau von Bildungsangeboten bemühen.

7. Es ist durchaus legitim, die Offenheit der Kinder gegenüber dem neuen Medium für ihre Bildung zu nutzen. Dies setzt u.a. auch voraus, daß Kindern in Teilbereichen ermöglicht wird, ihre Hausaufgaben auch am PC zuhause zu erledigen. Es setzt aber auch eine vernünftige Ausstattung der Schule mit den neuen Gerätschaften voraus. 

8. Wenn Kinder dazu in die Lage versetzt werden sollen, ihre eigenen Lernprozesse zu steuern, muß der Lehrer im weitesten Sinne mehr zum Lern-Helfer werden können. Dies bedingt eine enorme Zusatzqualifikation der Lehrer, u.a. in fachlicher, lernpsychologischer und medienpädagogischer Hinsicht. 

9. Die Lehrpläne der einzelnen Fächer müssen entrümpelt werden; verstärkt muß Gewicht darauf gelegt werden, daß Kinder primär die Prinzipien der einzelnen Fächer vermittelt bekommen und sich davon ausgehend den Stoff forschend erarbeiten können. Neugierde gilt es zu fördern statt vermeintlich fertige Rezepte pauken zu lassen. 

10. Die neuen Medien müssen dafür genutzt werden, fächerübergreifend zu arbeiten.

Projektarbeit und Zusammenwirken der Lehrkräfte darf nicht länger die Ausnahme sein. Auch darf die Kooperation von Lehrern nicht an der eigenen Schultüre ihre engen Grenzen finden. 

11. Der selbständige, kompetente Umgang mit den Medien und Informationsmanagement (also die Möglichkeiten der Beschaffung, Bewertung und Bearbeitung von Information) muß vermittelt und fortlaufend aktualisiert werden. 

12. Außerschulische Angebote (von der Lernförderung, Computerfortbildung bis hin zu sportlichen und kulturellen Bereichen: Museen, Stadtbibliotheken, Umweltinitiativen etcpp.) müssen verstärkt genutzt und integriert werden. 

13. Der starre 45-Minuten-Rhythmus muß endlich aufgebrochen werden, und auch die schulische Präsenz darf auf lange Sicht nicht Dogma bleiben. Wieso sollen nicht einzelne Arbeitsgruppen in einem Museum, beim Landesbund für Vogelschutz oder bei einem Mitschüler tagen? 

Daß eine permanente Modernisierung der Aus- und Fortbildung der Lehrer damit gleichzeitig notwendig ist, versteht sich von selbst. Unter dem hier skizzierten Vorzeichen ist dafür kein gesonderter Erlaß nötig: die eigenverantwortliche Sicherung der Qualität der Unterrichtstätigkeit wird vielmehr zum integralen Bestandteil einer neuen, für alle Beteiligten befriedigenderen Lern- und Lehrkultur. 

Wenn also Bildung nicht mit Bildschirmzauberei verwechselt wird, kann der Computer als Lern-, Förder- und Diagnosemedium wesentlich zur Entlastung von Kindern, Eltern und Lehrern beitragen. Und wenn sich die Rigidität von Lehrplänen zugunsten des gemeinschaftlichen Erforschens und Erarbeitens der unterschiedlichsten Themenbereiche zumindest ein Stück weit aufbrechen läßt – dann kann der Einzug des Computer im Bildungswesen durchaus auch als inhaltliche Zäsur und wirklicher Fortschritt gewertet werden. Warum sollte sich nicht auch das tradierte und oft genug reichlich trostlose Lehrer-Schüler-Verhältnis ein bißchen auflösen lassen können, an das man sich (wie an so vieles) gewöhnt hat: wenn das mitgebrachte oder durch den Lehrer geweckte Interesse an einer eigenständigen Auseinandersetzung mit den Inhalten Schule wieder mit wirklichem Leben zu füllen verhilft.

Sich für solche neuen Möglichkeiten für ein unbeschwertes Lernen, für die Rückgewinnung des inhaltlichen Interesses und eine eigenständige Auseinandersetzung mit den Unterrichtsgegenständen zu engagieren und dafür, Fehler endlich nicht mehr zur Schicksalsfrage werden zu lassen – all dies ist letztlich auch für alle Beteiligten viel befriedigender, als sich in der Psychologie des Mißerfolgs einzurichten, die den verbreiteten Kult der Technik letztlich plausibel macht und die sich auch durch einen „Ruck in den Köpfen" 16, der aus der künftigen Hauptstadt angemahnt wird, nicht einfach wegbeamen läßt.


Fussnoten:

1  Heinrich Bauersfeld: Computer und Schule – Fragen zur humanen Dimension, in: Neue Sammlung 1985 (2), S. 116
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2  Vgl. hierzu: Friedrich Schönweiss: Bildung als Bedrohung? Zur Grundlegung einer Sozialen Pädagogik, Opladen 1994. Diese Publikation, die zur Zeit vergriffen ist, wird demnächst neu aufgelegt erscheinen – der vorliegende Beitrag wird hierbei auch eine kleine Rolle spielen.
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3  Hier sei stellvertretend für viele die (Privat-) Inititative von Margit Fischbach angeführt: ihre ZUM.de ist inzwischen zu einer wichtigen Anlaufstelle auch für interessierte Grundschullehrer geworden.
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4  Es ist nicht auszuschließen, daß sich durch die Dynamik, die mit dem jüngsten Regierungswechsel verbunden sein könnte und dank eines auch dadurch forcierten Wettstreits der Bundesländer hier einiges in Bewegung kommt.
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5  Um diese für große Teile der Lehrerschaft noch gegebene Fortbildungslücke etwas schließen zu helfen, wurde die CD-ROM "Jugend und Neue Medien" entwickelt. Mit ihrer Hilfe können sich interessierte Lehrer oder Eltern in aller Ruhe im Selbststudium mit dem neuen Medium, seinen zahlreichen Funktionen und wichtigen Einsatzgebieten (Lernen mit dem PC, Computerspiele und Lernsoftware, Internet, Rehabilitation mittels PC etc.) vertraut machen. So können sie am eigenen Computer ihre Fortbildung selbst in die Hand nehmen und sich ganz einfach und doch auf höchst zeitgemäße Weise einen eigenen Überblick über den aktuellen Stand der Dinge auf jenem weiten Feld verschaffen, das die meisten ihrer (Schul-) Kinder längst für sich erobert haben.
Gleichzeitig möchten wir alle interessierten Leser, "User" oder "Surfer" dazu einladen, die Chancen der Neuen Medien mit uns zu nutzen: die CD-ROM "Jugend und Neue Medien" ist kein einmaliges, endgültiges Projekt, sondern soll fortlaufend aktualisiert und ergänzt werden. Wer hierzu etwas beitragen möchte, sollte mit Anregungen und Kritik nicht sparen. Die Autoren, der Herausgeber und der Verlag würden sich jedenfalls darüber freuen, wenn die so oft beschworene "Interaktivität" der Neuen Medien keine der vielen neumodischen Floskeln bleiben muß, bei denen technische Fortschritte mit einer Bereicherung des wirklichen Lebens verwechselt werden. (Eine "Demoversion" kann über das Internet besucht werden: http://www.uni-muenster.de/Medienpaedagogik)
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6  Vgl. hierzu etwa jene an der Freien Universität erstellte Dokumentation, die sich unter der URL am 30.01.98 fand: http://www.wiwiss.fu-berlin.de/dialekt/bildung/bbf_presse.html
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7  Vgl. hierzu neben den Veröffentlichungen des Bundespräsidialamtes z.B. die Dokumentation in der Süddeutschen Zeitung vom 6.11.97, aber auch das Interview von Roman Herzog mit der BILD-Zeitung, das am 4.11.98 unter dem Aufmacher "Herzog mahnt die Deutschen" veröffentlicht wurde.
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8  Max Horkheimer: Akademisches Studium (Immatrikulations-Rede Sommersemester 1952), in: ders.: Gegenwärtige Probleme der Universität, Frankfurt/Main 1953
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9  Karl R. Popper: Objektive Erkenntnis. Ein evolutionärer Entwurf, 1974, S. 189
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10  Vgl. ebd., z.B. S. 28, 67, 95
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11  Stelle Baruk: Wie alt ist der Kapitän? Über den Irrtum in der Mathematik, Basel-Boston-Berlin 1989, S. 11
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12  Noch immer versuchen viele Verlage, mit solchen oder ähnlichen haltlosen Versprechungen, aus der Orientierungslosigkeit von Eltern (und der fehlenden Kenntnis von Lehrern) ein schnelles Geschäft zu machen.
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13  Es ist verständlich, wenn Eltern zu jedem noch so hohlen Strohhalm greifen, um sich angesichts der Fülle an Programmen wenigstens etwas Orientierung zu verschaffen. Dennoch ist es ein Ärgernis, wie skrupel- und niveaulos dieses Bedürfnis von manchem benutzt wird, sich in die Rolle eines Software-Papstes zu schreiben. Dabei verfügt jede Mutter, die nur einmal zusammen mit ihrem Kind die Hausaufgaben durchgesehen und dabei nicht nur stur abgefragt hat, über mehr Urteilsvermögen; sie (wie sicher auch mancher Lehrer) spricht sich dieses freilich gleichzeitig wieder ab, weil sie sich angesichts der durchgesetzten Verwechslung von inhaltlicher Qualität und technischen Gags als prinzipiell inkompetent betrachtet. Umso absurder ist es, wenn gestandene Hochschullehrer, die es besser wissen sollten, solchen Schund als solides Nachschlagewerk weiterempfehlen.
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14  Die hier angesprochenen Alfons-Diagnostik-Programme sind ein Baustein in einem vor kurzem an der Universität Münster angelaufenen Computer- und Internet-Projekt "Aus Fehlern lernen. Ermittlung des Rechtschreib-Förderbedarfs in der gymnasialen Eingangsphase und die Möglichkeiten computerunterstützter Intervention in Gymnasium und Grundschule": in Kooperation mit den Fachlehrern von zunächst 17 Schulen wird für knapp 2000 Kinder der konkrete Förderbedarf eingegrenzt und gemeinsam diskutiert, welche Konsequenzen aus dem Herausfinden von Fehlerschwerpunkten gezogen werden könnten. Die Fortschritte und Zwischenergebnisse dieses Projekts, das selbst einen "open-end"-Charakter hat, können über das Netz verfolgt werden: http://www.uni-muenster.de/Medienpaedagogik .
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15  Leider tendieren immer noch viele Lehrer dazu, im Interesse einer verqueren Notenfindung Kinder unter einen künstlichen, von der Sache her überaus dysfunktionalen Zeitdruck zu bringen. Sie scheinen da etwas mit ihrem Parallelfach Physik durcheinanderzubringen...
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16  Roman Herzog, in einem Interview mit dem SPIEGEL vom 6.4.1998
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