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Die Neuregelung ist nicht nur umfangreicher als das gültige Duden-Regelwerk, sie übertrifft auch an Kompliziertheit alles bisher Dagewesene. Davon überzeugt schon ein vergleichender Blick in die beiden Werke - wozu sich allerdings viele Befürworter der Reform anscheinend nicht aufraffen können. So schreibt der hessische Kultusminister Holzapfel noch am 25. September 1997 (Az VI A - 601/83) an alle hessischen Bundestagsabgeordneten, das Ziel: "weniger Regeln und überschaubare Regeln" sei erreicht worden. Ähnlich äußern sich seine Kollegen. Sie können das neue Regelwerk nie in der Hand gehabt haben.

Es wird behauptet, die Neuregelung beseitige zahlreiche Ausnahmen und Ausnahmen von Ausnahmen. Daß dies nicht zutrifft, kann nur im Rahmen einer vollständigen Analyse nachgewiesen werden; ich verweise daher auf meinen sprachwissenschaftlichen Kommentar zur Neuregelung. Doch lassen sich auch an dieser Stelle einige wesentliche Beurteilungsgesichtspunkte in Erinnerung rufen:

Die Unterscheidung von Regel und Ausnahme ist weitgehend ein Problem der Darstellung und auf die gültige Dudenrechtschreibung nicht ohne weiteres anwendbar, da man zwischen Ausnahmen und Verfeinerungen (Differenzierungen) unterscheiden muß. Manche Differenzierungen mögen für die Schule irrelevant sein, aber weder die gültige noch die geplante Orthographie sind als reine Schulorthographien gedacht. Die Auswahl des Lernstoffs ist eine pädagogische Aufgabe.

Auch die Neuregelung enthält zahllose Ausnahmen und Ausnahmen von Ausnahmen, zum Beispiel:

Weitere Beispiele in Anhang 2 und Anhang 5.

Varianten und Freiräume sind so willkürlich eingeführt worden, daß der Lernende nicht voraussehen kann, wo er eine Wahl hat und wo nicht. Beispiel: Bisher hieß es zugrunde, zuliebe usw. Die Neuregelung sieht vor, daß man statt zugrunde auch zu Grunde schreiben darf, statt zuliebe aber keineswegs zu Liebe, zwar zutage oder zu Tage, aber nur zugute, nicht zu Gute. Ähnlich in vielen anderen Fällen. Folglich vergrößert sich der Lernaufwand.

Abgesehen von der ganz marginalen Trennbarkeit von st (wo Schüler nach dem zweiten Schuljahr - falls sie überhaupt je trennen - oder gar Erwachsene überhaupt keine Probleme hatten), ist das Ziel, die Ausnahmen zu reduzieren, nicht erreicht worden. Das bezeugen sogar die Reformer selbst:

Aufgrund dieser und anderer Erkenntnisse kann mit großer Sicherheit behauptet werden, daß die Neuregelung, obwohl sie ohne Zweifel die Rechtschreibung durch Aufhebung von Differenzierungsmöglichkeiten vergröbert, den Schülern dennoch keine Erleichterungen verschafft. Kommafehler nicht mehr anzurechnen ist eine rein pädagogische Maßnahme, zu der es keiner Reform der Orthographie bedurft hätte. Wo wirkliche oder scheinbare Freiräume eröffnet werden, wächst eher die Unsicherheit. Hinzugekommen ist eine Fülle zunächst kaum vorhersehbarer neuer Ausnahmen und unplausibler neuer Vorschriften. Eisenberg urteilt abschließend: "Von besserer Lehrbarkeit der Neuregelung kann insgesamt keine Rede sein."

Entsprechendes gilt für das Deutsche als Fremdsprache. Die typischen von Ausländern begangenen Fehler liegen nicht dort, wo die Reform etwas ändert. Hingegen erschwert die Reform das Lesen, und das ist im Ausland auf viel Kritik gestoßen.

schon aus arithmetischen Gründen unmöglich, es sei denn, die Reform nähme sich genau der statistisch ermittelten häufigsten Fehlschreibungen an und erklärte sie nunmehr für korrekt. Davon kann natürlich keine Rede sein. Das am häufigsten falsch geschriebene Einzelwort (in der Schule!) ist wohl die Konjunktion daß. Diese Fehlerquelle bleibt erhalten, denn künftig soll dass geschrieben, die Konjunktion also - vernünftigerweise - weiterhin von Pronomen und Artikel unterschieden werden. Neuschreibungen wie Quäntchen, behände, Ständelwurz, Frigidär, Bonboniere, Nessessär usw. sind irrelevant, weil solche Wörter in Schülertexten nicht vorkommen. Die wenigen Erwachsenen, die Zierat schreiben wollen, dürften auch wissen, wie es geschrieben wird; sie brauchen die volksetymologische "Erleichterung" Zierrat nicht. Bekannte Schwierigkeiten der deutschen Orthographie wie Branntwein, brillant, Gebaren, Grieß, todkrank, Verlies, verwandt, weismachen, widerspiegeln, zu Hause usw. bleiben von der Reform unberührt. - Kurzum: Die Neuregelung kann die versprochenen Erleichterungen weder vom Umfang noch von der Zielrichtung her bringen.

 

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