Kommunikation und Kommunikationsstörungen in Gruppen

 
 
 

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Ausgangspunkt:

Ausgangspunkt ist die Aussage von P.Watzlawick (1974): „Man kann nicht nicht kommuni-zieren.“ Auf Gruppenprozesse übertragen impliziert diese Aussage, daß jede Form der Inter-aktion zwischen Gruppenmitgliedern immer auch einen Kommunikationsprozeß beschreibt, der sich auf unterschiedliche Weise darstellt: beobachtbares Verhalten, Gestik, Mimik oder verbales Verhalten. – Kommunikation als Austauschmedium in Gruppen findet demnach im-mer statt, bewußt gesteuert, durch den Kursleiter gestaltet oder aber vom Willen der Grup-penmitglieder unberührt: sie ist ein konstitutives Element für die Entwicklung des sozialen Systems ‚Gruppe‘.
 


 
 
Bedeutung und Funktion der Gruppenleitung: 

Mit Wellhöfer (1993) ergibt sich aus dem bisherigen Gedankengang eine Steuerungsaufgabe von Gruppenleitern: „Eine wichtige Aufgabe des Gruppenleiters besteht darin, die Interakti-ons- und Kommunikationsprozesse zu beobachten, um zu spüren, ob Störungen vorhanden sind...(diese) Störungen als solche zu erkennen und eine positive Gruppenentwicklung zu för-dern"“(Wellhöfer, 1993, 21).
 


 
 
Das Kommunikationsmodell nach F. Schulz v. Thun als Reflexionshintergrund zur Steuerung von Gruppen:

Dem Zitat nach Wellhöfer (1993) zufolge benötigt der Gruppenleiter drei Schritte, um zur Steuerung von Interaktions- und Kommunikationsprozessen zu gelangen: er muß diese zu-nächst beobachten können, dann erspüren und erkennen, daß hier Störungen vorhanden sind und kann erst zuletzt seiner Wahrnehmung entsprechend in das Gruppengeschehen fördernd eingreifen. Da eine Wahrnehmung von Kommunikationsprozessen nicht ohne eine Vorstel-lung über die Beschaffenheit von Kommunikation auskommt, bedienen wir uns hier dem ‚Vier-Ohren-Modell‘ nach Schulz von Thun (1981/’89). Der Erklärungsgehalt dieses Kom-munikationsmodells beschränkt sich auf die verbale Kommunikation; andere Ebenen der In-teraktion werden nur am Rande behandelt. Entsprechend des ‚Vier-Ohren-Modells‘ hat jede Nachricht prinzipiell vier Ebenen, auf der sie gesendet und empfangen wird:
 a) eine Sachebene, b) eine Beziehungsebene, c) eine Selbstoffenbarungsebene und d) eine Appellebene.
Das Senden der Nachricht kann auch verstanden werden als das Codieren eines Sinngehaltes, der allein beschränkt auf den digitalen Sprachcode (ohne Erfahrungshintergrund, nonverbales Verhalten, situativer Kontext usw.) vom Empfänger nicht auf allen vier Ebenen decodiert werden kann. - Während das Senden der Nachricht also eine Reduktion des Sinngehaltes durch den Sender einschließt, bedeutet das Empfangen der Nachricht eine aktive Wiederher-stellung des Sinngehaltes aus den vorhandenen Restinformationen. Dabei durchläuft die Nachricht vom Sender zum Empfänger einen Interpretationsprozeß. Die Interpretation der Nachricht durch den Empfänger ist störanfällig; die Nachricht kann auf einer anderen Ebene empfangen werden, als sie ursprünglich vom Sender gesendet wurde (Decodierungsfehler!).
Betrachten wir den Interpretationsprozeß des Empfängers auf allen vier Ebenen, so stellt jede Ebene eine andere Frage an den Inhalt der verbal codierten Nachricht: 
a) Sachebene: Wie ist der Sachverhalt zu verstehen?;
b) Beziehungsebene: Wie redet der eigentlich mit mir?, Wen glaubt er vor sich zu ha-ben?;
c) Selbstoffenbarungsebene: Was ist mit ihm?, Was ist das für einer?;
d) Appellebene: Was soll ich tun, denken, fühlen aufgrund seiner Mitteilung?.
 

 

 
Übung:

Stellen Sie sich vor, ein Arbeitskollege sagt zu Ihnen: „Der Kaffee ist leer!“ und versuchen Sie jetzt den vier Ebenen entsprechend an diese Nachricht die o.a. Fragen zur Decodierung des Sinngehalts zu stellen. Sie werden bald feststellen, daß sich die Information vom ‚leeren Kaffee‘ auf viererlei Weise verstehen, d.h. interpretieren läßt. Denken Sie sich dann weitere Beispielsätze aus (vielleicht auch im Freundeskreis) und üben Sie sich im Wechsel der Perspektiven von einer Interpretationsebene zur nächsten. – Aufgabe des Gruppenleiters ist es, die Kommunikationsstörungen zu erkennen und die Verwechslung von Kommunikationsebe-nen durch Metakommunikation offenzulegen, um Mißverständnisse in der Gruppe auszuräumen. 
 


 
Ebenen von Steuerung und Intervention:

Die häufigsten Kommunikationsstörungen basieren auf einer Verwechslung von Beziehungs- und Sachebene: eine sachliche Information wird ‚persönlich‘ genommen/ empfangen. Neben dem Aufdecken der verbalen Kommunikationsstörung schlägt Wellhöfer (1993, 25) drei wei-tere Möglichkeiten zur Intervention bei Störungen im Gruppenprozeß vor:
A) Intervention als beobachtbares Verhalten der Kursleitung,
B) Intervention als innere Einstellung/ Haltung der Kursleitung,
C) Intervention als Ausübung einer bestimmten Gesprächstechnik.
Diese Punkte (die bei Wellhöfer, 1993) inhaltlich nicht weiter differenziert werden, sind im Rahmen der Tutoriumsveranstaltung diskutiert worden. 
 


 
Ergebnisse aus Gruppendiskussion: ‚Zum Umgang der Kursleitung mit K.-Störungen‘:

Zu A) 
- Verwarnung aussprechen/ mit Kursabbruch drohen
- Eingreifen durch ‚Offenlegen des Konfliktes‘ auf meta-kommunikativer Ebene
- Kontrahenten ‚entpolarisieren‘, d.h. die Streitenden auseinandersetzen, ihre Zusammenar-beit in gemeinsamen Kleingruppen verhindern usw.
- Eingreifen (Klärung des Konflikts) ‚ja‘, aber nur wenn’s zum Thema paßt und den zeitli-chen Rahmen nicht sprengt. Andernfalls Strategie vereinbaren, mit deren Hilfe der Kon-flikt außerhalb des Seminarkontextes geklärt wird.
- Kontrollierten Dialog einsetzen: Kontrolle dadurch, daß die Kursleitung den zwischen den Teilnehmern aufgetretenen Konflikt umlenkt, d.h. zu ihrem Thema macht.
Zu B)
- Bei Konflikten Haltung der Gelassenheit bewahren, um Eskalation zu vermeiden.
- Den Streitenden bzw. dem Seminarkritiker positive Aufmerksamkeit zuwenden; ihn in seinem Anliegen ernst nehmen, um auf diese Weise sein/ihr ‚offenes Ohr‘ zu gewinnen und die Konfliktbearbeitung zu ermöglichen.
Zu C)
- Vor Kursbeginn Kommunikationsregeln aufstellen: Bei auftretendem Konflikt kann auf diese dann hingewiesen werden.
- Ursache des Konflikts erfragen: „Warum...?“.
- Konkrete Punkte zur Klärung des Sachverhalts erfragen: „Was, wann, wo, wie genau...?“
- Kursleitung setzt TN nach verbalem Angriff auf ihre Persönlichkeit klare Grenze auf Be-ziehungsebene.
 


 
Weiterführende Literatur: 

Wellhöfer, R.: Gruppendynamik und soziales Lernen. 1. Aufl., Stuttgart: 1993.
Schulz von Thun, F.: Miteinander reden: Störungen und Klärungen. Bd.1, Hamburg: 1989.
Watzlawick, P. et al.: Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien. 4.Aufl., Bern u.a.: 1974.
Loriot: Szenen einer Ehe in Wort und Bild. 1.Aufl., Zürich: 1983, S. 23-25.