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Anicet ou le panorama, roman

(1921)

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Anicet ou le panorama, roman ist Aragons erster Roman. Er schrieb ihn von September 1918 bis März 1920. In den Jahren danach verfaßte er mehrere "Schlüssel", die über die Entstehung und Zielsetzung des Werkes und über die hinter den Romangestalten stehenden realen Persönlichkeiten Auskunft zu geben behaupten.
Der ironisch-satirisch-parodistische Roman vereinigt in sich und kombiniert Züge des psychologischen Romans, des Bildungs-, Kunst-, Künstler- und Kriminalromans. Der Held, der junge Dichter Anicet, bricht mit seiner Vergangenheit, indem er sich einer "société secrète", einem Männerbund anschließt, dessen anarchistische, zum Kriminellen neigende Mitglieder vorwiegend Künstler sind, die ein und derselben Dame, Mirabelle oder Mire, der Verkörperung der "modernen Schönheit", aber auch der Frau als solcher, in erbitterter Konkurrenz zueinander den Hof machen, während eben diese Schönheit Pedro Gonzalès, dem Mann des Geldes, dem Millionär, ihre Gunst schenkt und ihn heiratet. Das Gegenstück zu diesem "Club der sieben Masken" (sie tragen Masken, als Anicet sie kennenlernt) bildet eine kriminelle Vereinigung, deren Ziel die "Ausbeutung der Reichtümer des Quartier du Roule" ist. Ihr Chef ist der Marquis della Robbia, ein Diplomat, der auch dem Club der sieben Masken angehört. So gibt es, ironischerweise vor allem dank der Kunst, zwischen beiden Gruppierungen mancherlei Kontakte. Da Anicet die Doppelrolle des Marquis durchschaut hat und dieser es merkt, sinnt letzterer nach Mitteln, Anicet aus dem Weg zu räumen. Baptiste Ajamais, Anicets bester Freund, unterstützt aktiv die gegen den jungen Dichter gesponnene Intrige. Schließlich wird Anicet für einen Mord, den er nicht begangen hat (da ja Pedro Gonzalès Selbstmord begangen hat), vor Gericht gestellt, aber man beschuldigt ihn zusätzlich aller unaufgeklärt gebliebener Verbrechen der letzten Zeit, unter anderem auch der Tötung Ommes, die der Angeklagte tatsächlich, allerdings in einem Akt der Notwehr, begangen hat. Anicet, dem Leben gegenüber total indifferent, "gesteht" spöttisch alle Verbrechen, die man ihm vorwirft.
Anicet ou le panorama, roman ist bis zu einem gewissen Grade ein Schlüsselroman. Einige seiner Hauptgestalten haben ihr Vorbild in realen Persönlichkeiten der Pariser Literatur- und Kunstszene. So ist Ange Miracle der Dichter Jean Cocteau, Jean Chipre ("l'Homme Pauvre") der Dichter Max Jacob, Professor Omme der Dichter Paul Valéry, Harry James ("l'homme moderne"), der Mirabelle einstmals ein Kind gemacht hat und durch Selbstmord endet, der Exzentriker Jacques Vaché, Baptiste Ajamais, Anicets Freund und sein Verräter, der Dichter André Breton. Züge von Aragon selbst erscheinen in der Titelgestalt Anicet. Pablo Picasso findet sich als Maler Bleu ("l'Homme Arrivé") wieder (Anspielung auf die "blaue Periode Picassos) und Charlie Chaplin als Kellner Pol. Pedro Gonzalès trägt, was seine äußere Erscheinung betrifft, Züge des mexikanischen Malers Diego Rivera; seine Wohnung in der Rue de la Baume hat die des Kunsthändlers Léonce Rosenberg zum Vorbild. Arthur ist Arthur Rimbaud.
Manche Figuren weisen eine doppelte Identität auf. So verbirgt sich hinter dem Kunstkritiker Le Bolonais der amerikanische Detektiv Nick Carter, hinter Mirabelle eine Dame der Gesellschaft, Madame de B*, die aus kleinsten Verhältnissen stammt; sie hieß Elmire Masson, wurde Mamelle genannt und vermochte erst nach zahlreichen unglücklich ausgegangenen Liebesabenteuern sozial aufzusteigen. Ange Miracle heißt eigentlich Perroneau.
Der Roman reflektiert die Modernität seiner Zeit und die ihr adäquaten Ausdrucksmittel. Er kreist um die Konzeption einer ambivalenten neuen Schönheit, die ihren Anhängern als schön, ihren Gegnern als häßlich erscheint und die die verschiedensten Verwandlungen durchmacht. Der Roman legt die Grundlagen jener Liebeskonzeption, der Aragon sein ganzes Leben lang treu bleiben wird: Die von permanenter Eifersucht geprägte Liebe impliziert die totale Selbstaufgabe des männlichen Ichs im Willen der geliebten Frau, ist aber des Mannes einzige Heilschance. Auch das Thema des Verrats von Freunden wird in Anicet von Aragon erstmalig behandelt: Sowohl Baptiste Ajamais als auch der Marquis treiben Anicet in sein Verderben.
Der Roman stellt verschiedene Formen des Verhaltens in einer dem Intellektuellen problematisch gewordenen Welt dar. Er zeugt von einer zutiefst pessimistischen, ja nihilistischen Welt- und Menschensicht. Die Grenzen der Persönlichkeit verschwimmen, das Identitätsprinzip gerät ins Wanken. Der "moderne Mensch" ist der amoralische Mensch, der nur um des Handelns willen handelt, dessen Handeln nicht voraussehbar ist, der zu allem, selbst zum Verbrechen, fähig ist. Man erkennt hier als Vorbild Lafcadio, die Romangestalt André Gides (Die Verliese des Vatikans). Der Künstler ist einerseits ganz und gar emotional bestimmt; die Wirkung des Kunstwerks beruht auf seiner Fähigkeit, die Emotionen des Betrachters oder Lesers zu aktivieren. Andererseits erscheint der Künstler als eine Art Bandit, der sich nicht scheut, gegen die gesellschaftlich anerkannten Werte zu verstoßen.
Auf formaler Ebene übernimmt der Roman Filmtechniken wie Schnitt, Überblendung, Großaufnahme und typische Filmsituationen wie Verfolgungsjagden.

Der Roman umfaßt 15 Kapitel:
  1. "Arthur" (Zitate)
  2. ">Récit d'Anicet" (Zitate
  3. "Aventure de la chambre" (Zitate )
  4. "Anicet chez l'homme pauvre" (Zitate )
  5. "La carte du monde" (Zitate )
  6. "Mouvements" (Zitate )
  7. "Mirabelle ou le dialogue interrompu" (Zitate )
  8. "Les seuils du coeur" (Zitate )
  9. "Décès" (Zitate )
  10. "La soirée chez Mirabelle" (Zitate )
  11. "Prélude, choral et fugue" (Zitate )
  12. "Le tour des choses" (Zitate )
  13. "Le corps en cage" (Zitate )
  14. "Duel" (Zitate )
  15. "Le café du commerce à Commercy" (Zitate )
Erhalten sind folgende "Schlüssel":
  • "Clé d'Anicet"
  • "Anicet 1923" (27.03.1923)
  • "Clef d'Anicet et critique de moi-même" (26.09.1930)
  • "Écrit dans les marges d'Anicet"
In seinem "Avant-lire" von 1964 wird Aragon einen Teil der in "Clé d'Anicet" von ihm gemachten Angaben korrigieren.
Zitate
Neuere französische Ausgaben
  • OEuvres romanesques croisées d'Elsa Triolet et Aragon, tome 2. Paris: Robert Laffont, 1964, pp. 42-209
  • Aragon: Anicet ou le panorama, roman. Paris: Gallimard/Folio 195. 1972, Neuausgabe 1997
  • Aragon: Anicet ou le panorama, roman. Texte établi, présenté et annoté par Daniel Bougnoux in Aragon: OEuvres romanesques complètes, t. I. Édition publiée sous la direction de Daniel Bougnoux avec, pour ce volume, la collaboration de Philippe Forest. Paris: Gallimard, 1997 (Bibliothèque de la Pléiade), pp. 1-166 (Diese Ausgabe enthält als Anhang Aragons vier "Clefs d'Anicet", pp. 167-182)

Deutsche Übersetzung
  • Louis Aragon: Anicet oder das Panorama, Roman. Aus dem Französischen von Lydia Babilas. Stuttgart: Verlag Werner Gebühr, 1972;
  • Louis Aragon: Anicet oder das Panorama, Roman. Aus dem Französischen von Lydia Babilas. Berlin: Verlag Volk und Welt, 1978 (Ausgabe der Übersetzung von Lydia Babilas für die DDR)
  • Louis Aragon: Anicet oder das Panorama, Roman. Aus dem Französischen von Lydia Babilas. München: Wilhelm Heyne Verlag, 1980 (Das besondere Taschenbuch)

Bibliographie
Meinungen und Urteile der Kritik



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Letzte Änderung: 19.06.97
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