Kurz nach dem 90. Geburtstag von Jürgen Habermas erschien sein monumentales zweibändiges Werk „Auch eine Geschichte der Philosophie“. Darin spürt er den Rationalisierungsschüben nach, die die Menschheitsgeschichte seit der Antike bis in unsere Zeit geprägt haben. Dafür nimmt er zunächst den durch Karl Jaspers geprägten Begriff der Achsenzeit in Anspruch: In der Phase von etwa 800 bis 200 vor unserer Zeitrechnung kam es parallel und mehr oder weniger zeitgleich in unterschiedlichen Regionen der Welt (vom Mittelmeerraum bis nach China) zu einer ersten entscheidenden Wende. Sie bestand darin, dass aus Mythen und Magie geschlossene religiöse Weltbilder und rituelle Praktiken entstanden, mithin das theoretische und praktische Weltverhältnis neu geordnet und strukturiert wurde. Die Menschen sahen die Welt auf einmal in einem neuen Licht. Im ersten Teil der Vorlesung wird diese interkulturelle Perspektive untersucht und hervorgehoben, wie im Kontext verschiedener Religionen sowohl Formen des Glaubens als auch des Wissens ausgebildet und etabliert werden. Habermas fokussiert dann in einem zweiten Schritt besonders auf die Geistesgeschichte Europas mit ihrem Weg in die säkulare Moderne. Die Konstellation von Glauben und Wissen wandelt sich im Prozess dieser Modernisierung, aber sie verschwindet nicht. Im zweiten Teil der Vorlesung wird dieser Weg nachgezeichnet und Habermas’ Deutung diskutiert. In einem dritten Teil werden schließlich Alternativen zu Habermas’ Deutung der Moderne und der Stellung von Glauben und Wissen, Religion und Philosophie vorgestellt.

 

Kurs im HIS-LSF

Semester: SoSe 2020