Nachdem sich der Gemüseverkäufer Mohamed Bouazizi am 17. Dezember 2010 in der Klein-stadt Sidi Bouzid in Brand gesteckt hatte, schwappte eine Welle der Empörung über die Politik des langjährigen Machthabers Zine el-Abidine Ben Ali durch Tunesien. Diese Proteste führten am 14. Januar 2011 schließlich zur Flucht des Diktators aus dem Präsidentenpalast in Tunis und in kurzer Zeit zum sogenannten „Arabischen Frühling“ in der Region des Mittleren Osten und Nordafrikas. Heute wissen wir, dass die Hoffnung auf eine Welle der Demokratisierung vieler-orts enttäuscht wurde. Das gilt insbesondere für Ägypten, obwohl Muhammad Husni Mubarak am 11. Februar 2011 in Kairo zum Rücktritt gezwungen worden war und sich dort zwischenzeitlich ein Ende der Diktatur angedeutet hatte. Während Tunesien heute als Demokratie gilt, handelt es sich bei Ägypten um eine Diktatur. Anders als in Tunis wurde der Herrscher in Kairo zwar ausgetauscht, aber die Herrschaftsform als solche hat sich nicht grundlegend verändert.

In der Politikwissenschaft widmet sich die vergleichende Regimeforschung dem Wandel und der Stabilität von Herrschaftsformen. Auf diesem Forschungsfeld wird beispielsweise nach dem Einfluss des Wirtschaftswachstums auf das Überleben von Diktaturen gefragt oder auch nach der Rolle von Streit im Umfeld eines Herrschers für die Aussichten auf Demokratisierung. Im Seminar werden wir uns zunächst mit den Grundtypen politischer Herrschaft und der Logik der empirisch-analytisch ausgerichteten, vergleichenden (Regime-)Forschung vertraut machen. Dann werden wir Klassiker der Transformationsliteratur kennenlernen (Theorie-Referate als Studienleistung). Abschließend werden wir die Theorien anwenden, um die Entwicklungen in Tunesien und Ägypten zu erklären (Fallstudien als Vorbereitung der Prüfungsleistung).
Semester: WiSe 2019/20