Seit der Wiederentdeckung der „Germania“ des Tacitus in der Zeit des Humanismus dienten die „Germanen“ als Projektionsfläche für unterschiedliche Identitätskonstruktionen, vornehmlich innerhalb des römisch-deutschen Reiches. Im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bildete die sogenannte germanische Völkerwanderung einen unhinterfragten Grundbaustein des deutschen Geschichtsbildes, das in Abgrenzung zum römischen Reich, aber auch gegenüber modernen romanischen Staaten und Völkern konstruiert wurde. Mit den Forschungen von Reinhard Wenskus, Herwig Wolfram, Walther Pohl und der übrigen Wiener Schule, aber auch durch die angelsächsische Forschung, deren gemeinsame Bemühungen sich nicht zuletzt in der Reihe „The Transformation of the Roman World“ niedergeschlagen haben, sind die Annahmen der älteren, sogenannten Germanischen Altertumswissenschaft zunehmend ins Wanken geraten. In der Übung sehen wir uns unterschiedliche frühmittelalterliche Quellentexte in synoptischen Ausgaben an und analysieren ihre Aussagen vor dem Deutungshorizont unterschiedlicher wissenschaftlicher Ansätze.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2019/20