Kommentar |
oder flieht vor Hunger und Naturkatastrophen. Vergleichsweise kurz ist die Zeit, in der diese Wanderungen als gesellschaftliche oder individuelle Probleme verursachende Phänomene angesehen werden. Die Herausbildung von Nationalstaaten hat zweifelsohne als eine der wichtigsten Komponenten zu dieser Wahrnehmung beigetragen.
Die Notwendigkeit der Mitwirkung der Aufnahmegesellschaft an Integrationsprozessen von Zuwanderern ist eine weitverbreitete Perspektive. So hat unter anderem Hartmut Esser, als einer der wichtigsten Migrationsforscher im deutschsprachigen Raum, darauf verwiesen, dass sich die Eingliederung von zugewanderten Menschen nur unter aktiver Teilnahme der Aufnahmegesellschaft und vor allem erst durch ihre Offenheit erreicht werden kann. Tatsächliche, vor allem politische Konsequenzen folgten in Deutschland jedoch erst seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts.
Jeder kennt die Arbeitsmigranten aus Italien, Griechenland oder der Türkei, die in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs willkommene Gäste waren und zweifelsohne zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in Deutschland und gar dem sozialen Aufstieg vieler Deutscher beigetragen haben. – Allerdings waren es Gäste und Gäste, das weiß jeder, müssen auch wieder gehen. Durch vielfältige politische Regelungen wurde versucht, an dieser Idee festzuhalten und die Arbeitsmigranten zu einer Rückkehr zu bewegen. Viele gingen auch, aber eben nicht alle. Und jene, die blieben, holten sogar ihre Familien nach.
Das fehlende Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland, das Ziel von Einwanderung und vor allem von dauerhaftem Aufenthalt zu sein, führte jedoch dazu, dass bereits Zugewanderte weder integriert, noch weitere willkommen waren. Die Diskussion um das Herabsenken des Höchstalters für einen Nachzug von 18 auf bis zu 6 Jahre ist nur ein konkretes Beispiel für diesen Umstand. Ein weiteres ist die Veränderung der Basis der Migrationsgesetze vor dem Hintergrund des ius sanguinis (Blutsrecht) hin zum ius soli (Bodenrecht), welche erst vor einem Jahrzehnt stattgefunden hat.
Welche Ursachen hat nun die Tatsache, dass sich die Bunderepublik Deutschland so lange weigerte, die Einwanderungskomponente in ihrem Selbstverständnis aufzunehmen? Was führte dazu, dass dies doch geschah? Und wie ist die Diskrepanz der politischen Regelungen und der tatsächlichen Stimmung in der Bevölkerung zu erklären? – Diesen Fragen soll zunächst nachgegangen werden. Anschließend soll herausgearbeitet werden, was genau unter „Integration“ zu verstehen ist und ob es sich um ein realistisches und zeitgemäßes Prinzip handelt, oder ob die Idee der Eingliederung von Zugewanderten eine andere sein sollte.
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Literatur |
Bertels, U. „Einwanderungsland Deutschland. Wie kann Integration aus ethnologischer Sicht gelingen?“, Münster 2014: Waxmann
Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) „Brücken bauen: Perspektiven aus dem Einwanderungsland Deutschland“, Gütersloh 2013
Esser, H./Friedrichs, J. (Hrsg.): „Generation und Identität. Theoretische und empirische Beiträge zur Migrationssoziologie“, Opladen 1990: Westdeutscher Verlag
Han, P. „Soziologie der Migration. Erklärungsmodelle, Fakten, Politische Konsequenzen, Perspektiven“, Stuttgart 2005: Lucius & Lucius
Hell, M. „Einwanderungsland Deutschland? Die Zuwanderungsdiskussion 1998-2002“, Wiesbaden 2005: VS
Meier-Braun, K.H./Weber R. (Hrsg.) „Deutschland, Einwanderungsland. Begriffe, Fakten, Kontroversen“, Stuttgart 2013: Kohlhammer
Meier-Braun, K.H. „Deutschland, Einwanderungsland.“, Frankfurt a.M. 2012: Suhrkamp
Pries, L. (Hrsg.) „Transnationale Migration“, Baden-Baden 1997: Nomos-Verl.-Ges.
Schmidt-Denter, U.: „Die Deutschen und ihre Migranten. Ergebnisse der europäischen Identitätssuche“, Weinheim und Basel 2011: Beltz Juventa
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