Kommentar |
Die Erfüllungsbedingungen von "Sinn" unterscheiden sich nach den Erwartungen, die an die Suche von Sinn geknüpft werden. So erfüllt sich der Sinn eines sprachlichen Ausdrucks durch die Kenntnis der Intention, die ein Sprecher damit verknüpft hat. Man kann jemanden danach fragen. Der Sinn eines Satzes in einem Buch, dessen Autor abwesend, unbekannt oder tot ist, erfüllt sich bereits ungleich schwerer, je nach Verfahren und Zeitstelle der Interpretation. Der Sinn einer Handlung erweist sich erst in ihrer Verkettung mit anderen. Wie aber kommt es zu einem übergreifenden Sinnzusammenhang, der nicht in den Intentionen der Handlungsurheber aufgeht? Noch abstrakter ist der Alltagssinn: Dessen Erfüllungsbedingung ist das "taken for granted" wenn nicht für jedermann, so aber doch für unbestimmt viele. Doch wie kommt es dazu? Abermals ätherischer, und gleichwohl existentiell ernster, wird es mit der von der Religion seit dem 19. Jahrhundert auf sich gezogenen Erwartung, für den Sinn des Lebens zuständig zu sein. Im Seminar wird in Anschluss an Max Weber von der religiös motivierten Sinnsuche ausgegangen. Anschließend soll der Weg verfolgt werden, wie daraus die für Weber mit "Kultur" geradezu identische Frage nach "Sinn und Bedeutung" hatte werden können, ehe die Sinnsuche von Weber zu einem für die Soziologie höchst folgenreichen "deutendem Verstehen" methodologisiert worden ist.
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Literatur |
Hartmann Tyrell: Intellektuellenreligiosität, "Sinn"-Semantik, Brüderlichkeitsethik - Max Weber im Verhältnis zu Tolstoi und Dostojewski. In: Ders., "Religion" in der Soziologie Max Webers, Wiesbaden 2014, S. 225-251 |