Kommentar |
Von den Analysen der klassischen „Wissenssoziologie“ bis zur Verkündung einer so genannten „Wissensgesellschaft“ hat sich die soziologische Bedeutung des Ausdrucks „Wissen“ in mancher Hinsicht verändert bzw. angereichert. Es ist nach wie vor eine offene aber relevante Frage, inwieweit die „Wissenssoziologie“ ein Ansatz unter vielen innerhalb einer pluralistischen Soziologie ist, oder aber aufgrund der Charakteristika des Gegenstands eine fachkonstitutive Gesamtperspektive darstellt.
Das Seminar soll sich in einem ersten Zugriff mit Konzepten der Wissenssoziologie befassen und sie auf andere theoretische Positionen beziehen (z.B. hermeneutische Wissenssoziologie vs. makrotheoretische Zugänge).
Die Vielfalt soziologischer Analysen des gesellschaftlichen Wissens lässt sich entlang der Unterscheidung zwischen Formen des Wissens gliedern: Wissen, Können, Kennen, implizites und explizites Wissen, habituelles, praktisches Wissen. Von der lebensweltlichen Gewissheit (Schütz) und der Routine eingespielter Praktiken (z.B. Bourdieu) also vom impliziten Wissen, führt dabei eine Abstufung von Graden der Reflektiertheit des Handelns und der Überzeugungen zu den durch und durch expliziten Formen des abstrakten, schließlich des wissenschaftlichen Wissens (Reflexivität des Wissens - Formen des Wissens vom Wissen - Wissen über Geltung, über Verteilung des Wissens, Wissen vom selektiven Status jeden Wissens, Asymmetrien der Wissensrepräsentation) und ihrer sozialen Konstitution bzw. ihren sozialen Funktionen: Koordination, Legitimation, Ritualisierung, Rationalisierung, Disziplinierung, „Transfer“ u.v.m. stellen dabei Typen von umfassenden Prozessen der Wissenstransformation dar.
Neben der Einführung in die wissenssoziologische Tradition und in aktuelle Forschungsfragen steht im Seminar die Frage im Vordergrund, wieweit und in welcher Weise die Unterscheidung zwischen Formen des Wissens nutzbringend für die soziologische Theorie (Differenzierungs- wie Handlungstheorie) ist. |
Literatur |
Einleitung: I. Sitzung: Einführung und Programm, (Luhmann, Niklas (1995): Die Soziologie des Wissens: Probleme ihrer theoretischen Konstruktion, in: ders., Gesellschaftsstruktur und Semantik, Band 4, Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 151-181.)
II.: Klassiker: II. Sitzung: Scheler, Max (1960): Die Wissensformen und die Gesellschaft (1926), Gesammelte Werke Band 8, Bern, München: Francke. III. Sitzung: Mannheim, Karl (1995): Ideologie und Utopie (1929), Frankfurt/M.: Klostermann. IV. Sitzung: Schütz, Alfred (2004): Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Eine Einleitung in die verstehende Soziologie (1932), hg. v. Martin Endreß und Joachim Renn, ASW Band II, Konstanz: UVK.
III.: Explizites und implizites Wissen: V. Sitzung: Polanyi, Michael (1985): Implizites Wissen, Frankfurt/M.: Suhrkamp. VI. Sitzung: Bourdieu, Pierre (1979): Entwurf einer Theorie der Praxis, Frankfurt/M.: Suhrkamp.
IV.: Reflexion und Verteilung des Wissens: VII. Sitzung: Ryle, Gilbert (1971b): Abstractions, in: ders., Collected Papers, Volume II, Collected Essays 1929-1968, London: Hutchinson, S. 435-446. VIII. Sitzung: Schütz, Alfred (1971a): Der gutinformierte Bürger. ein Versuch über die soziale Vertei-lung des Wissens, in: ders. Gesammelte Aufsätze II, hg. v. A. Brodersen, Den Haag: Nijhoff, S. 85-101.
V.: Populäres und legitimes Wissen IX. Sitzung: Fiske, John (1999): Elvis: Body of Knowledge. Offizielle und populäre Formen des Wissens um Elvis Presley, in: Karl Hörning, Rainer Winter (Hg.), Widerspenstige Kulturen. Cultural Studies als Herausforderung, Frankfurt/M.: Suhrkamp; S. 339-379. X. Sitzung: Habermas, Jürgen (1981): Theorie des kommunikativen Handelns, 2 Bde., Frankfurt/M.: Suhrkamp.
VI.: Wissenschaft XI. Sitzung: Knorr-Cetina (1984): Die Fabrikation von Erkenntnis, Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 17-63. XII. Sitzung: Luhmann, Niklas (1992c): Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 325-361. XIII. Sitzung: Buss, Klaus, Peter, Volker Wittke. (2001): Wissen als Ware. Überlegungen zum Wandel der Modi gesellschaftlicher Wissensproduktion am Beispiel der Biotechnologie, in: Gerd Bender (Hg.), Neue Formen der Wissenserzeugung, Frankfurt/M., New York: Campus, S. 123-147.
VII.: Wissensgesellschaft? XIV. Sitzung: Willke, Helmut (1998), Organisierte Wissensarbeit, in: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 27, Heft 3, Juni 1998, S. 161-177. XV. Sitzung:Stehr, Nico (2000): Die Zerbrechlichkeit moderner Gesellschaften. Die Stagnation der Macht und die Chance des Individuums, Weilerswist: Velbrück, S. 51-78. |