Kommentar |
Organisationen gelten als die für die moderne Gesellschaft typische „Sozialform.“ Sie unterschei-den sich beispielsweise von kulturellen Milieus neben ihrer „Formalität“ u.a. durch ihren besonde-ren „Zugriff“ auf Personen. In weiten Teilen der Organisationssoziologie wird dieser „Zugriff“ auf den Begriff der „Mitgliedschaft“ (etwa im Unterschied zur „Zugehörigkeit“) gebracht. Personen sind als Mitglieder einer Organisation nicht in ihrer ganzen Individualität „Teil“ der Organisation. Während die einflussreiche Vorlage der Weberschen Bürokratietheorie die formale Organisation im Prinzip als neutrales Instrument der rationalen Umsetzung organisationsexterner Absichten und Zielsetzungen begreift, radikalisiert die Systemtheorie die Abstandnahme von älteren Organisati-onstheorien, indem sie betont, dass Organisation sich gegenüber dem Wissen, den Interessen und den Handlungen von Personen so verselbständigen, dass sie nicht hinreichend beschrieben, be-griffen und erklärt werden können, wenn man auf „psychologische“ Determinanten zurückgreift. In systemtheoretischer Sicht „dienen“ Organisationen nicht (vornehmlich) einem äußeren Zweck, sondern sie entwickeln „Eigeninteressen“, laborieren z.B. am Problem der Bestands- bzw. Selbst-erhaltung, steuern sich schließlich unabhängig von personalen Intentionen, die sie vielmehr in ihre Umwelt entlassen. Dagegen kann von der Warte des Individuums aus (bzw. auch: von der Warte der Handlungstheorie aus) die „Organisation der Person“ als problematische Fragmentierung, als Spezialisierung, gar als Versagung von Identität oder gar als „Entfremdung“ erscheinen. Diese Spannung zwischen Subjektivität und Spezialisierung (oder selektiver Disziplinierung) der Person im Feld der Organisation, aber auch das Spannungsverhältnis zwischen Handlungs- und Systemtheorie sind Thema des Seminars, das sich anhand von theoretischen, sozialgeschichtli-chen und aktuellen empirischen Untersuchungen der Rekonstruktion von Spielräumen, Funktio-nen und Formen der Subjektivität in der Organisation widmet. |
Literatur |
Einführende Literatur: Scott, W. Richard 1992: Organizations. Rational, Natural, and Open Systems. 3rd ed. Englewood Cliffs u.a.: Prentice Hall, S. 51-75 (Chapter 3: Organizations as Natural Systems) Baethge, Martin, 1991: Arbeit, Vergesellschaftung, Identität. Zur zunehmenden normativen Subjek-tivierung der Arbeit. In: Soziale Welt 42: S. 6-19. Luhmann, Niklas (2000): Organisation und Entscheidung, Opladen, Wiesbaden: westdeutscher Verlag. Tacke, Veronika (Hg.) (2001): Organisation und gesellschaftliche Differenzierung, Opladen: West-deutscher Verlag. |