Kommentar |
Als die Soziologie sich als Einzelwissenschaft ausdifferenzierte, musste sie zeigen, dass sie überhaupt als Wissenschaft mit einem eigenen Forschungsgegenstand und einer darauf bezogenen Methodik zu operieren in der Lage ist. Zunächst standen die ersten Bemühungen um die Soziologie als Einzelwissenschaft dabei selbstverständlich in der Tradition jener Disziplinen, aus denen sie sich ausdifferenzierte. Neben der Psychologie und der Nationalökonomie war dies unter anderem die politische Philosophie. Deren normative Erblast geht in die junge Soziologie ein und bestimmt nicht unwesentlich deren Diskurse. Inzwischen gibt es kaum mehr Zweifel daran, dass die Soziologie als Einzelwissenschaft gelten kann. Spätestens seit den 90'iger Jahren zeichnet sich die Soziologie jedoch vornehmlich durch eine Dominanz empirischer Forschungen aus, die es dem Selbstanspruch nach mit den Naturwissenschaften und deren Selbstverständnis einer exakten, objektiven Wissenschaft gleich tun kann. Die philosophisch-normative Erblast, die die Soziologie zunächst noch beschäftigt hatte, scheint damit ad acta gelegt. Offen bleibt dabei die Frage, ob dies für die Soziologie überhaupt möglich und wenn ja, ob dies angesichts ihres normativ aufgeladenen Forschungsgegenstandes auch sinnvoll ist. Um dieser Frage nachzugehen, wird in dem Seminar zunächst anhand klassischer Texte der Soziologie eruiert werden, wie sich die theoretische Ausgangslage der Soziologie bei ihrem Bemühen um den Status einer Einzelwissenschaft dargestellt hat. In einem zweiten Schritt werden dann die aktuellen normativen Bezüge der Soziologie untersucht und die Frage diskutiert, ob die Soziologie überhaupt eine notwendige normative Basis hat und wie eine solche Basis mit dem Selbstverständnis einer objektiven und neutralen Wissenschaftlichkeit zu integrieren wäre. Das Seminar versteht sich damit als Beitrag zu einer Wissenschaftstheorie der Soziologie. |
Literatur |
Johannes Ahrens/ Raphael Beer/ Uwe H. Bittlingmayer/ Jürgen Gerdes: Beschreiben und/oder Bewerten, Bd. 1: Normativität in sozialwissenschaftlichen Forschungsfeldern (Hg.), Münster 2008, Lit-Verlag. Johannes Ahrens/ Raphael Beer/ Uwe H. Bittlingmayer/ Jürgen Gerdes: Beschreiben und/oder Bewerten, Bd. 2: Normativität in sozialwissenschaftlichen Theorien (Hg.), Münster (i. E.), Lit-Verlag.
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