Description |
Daß ein solcher Mensch geschrieben hat, so urteilt Friedrich Nietzsche über Montaigne, dadurch ist wahrlich die Lust auf dieser Erde zu leben vermehrt worden. Montaigne gilt als der Erfinder der neuen Gattung des Essays, die Essais stehen am Anfang der aphoristischen Schreibweise der Moralistik. Die Essais erschienen zunächst 1580 in zwei Bänden und 1588 um einen dritten Band erweitert. Die essayistische Schreibweise gehorcht nicht dem Muster der systematisch logischen Darstellungsweise, der Autor nimmt nicht in Anspruch einen definitiven Begriff von einer Sache zu haben. Anhand ausgewählter Essais werden wir uns im Seminar zunächst in folgende Aspekte einarbeiten: Wissenstradition, memoria und Erfahrung, Autorschaft und Darstellung des Ich, Rezeption der Antike und moderne Welt (die Entdeckung der Wilden), um in einem zweiten Schritt die Rezeption Montaignes zu verstehen.
Im Frankreich des 17. Jahrhunderts treten Literatur, Philosophie und Theologie insbesondere René Descartes Rationalismus und Blaise Pascals Apologie des christlichen Glaubens in einen kritischen Dialog mit Montaignes Essais. Die Freidenker, die Libertins, beziehen sich in ihrer Forderung nach Autonomie im Denken und Urteilen sowie in einer skeptischen Grundhaltung auf Montaigne. In ihrem Versuch, die menschliche Natur in ihren zahlreichen Erscheinungsformen und ihrer Wandelbarkeit zu ergründen, erscheint den Moralisten die offene Form und nicht-normative Sprache der Essais geeigneter als ein systematischer Diskurs. In den Pariser Salons, in denen sich Vertreter eines entmachteten Hochadels zur Unterhaltung versammeln, wendet sich eine durch Wortspiele, Pointen und Esprit, inhaltliche Vielfalt und rasche Themenwechsel gekennzeichnete Konversation gegen die Universalitätsansprüche der Ratio.
Neben der grundlegenden Beschäftigung mit Montaigne soll das Hauptseminar einen Einblick in dessen vielfältige Rezeption im 17. Jahrhundert und damit in die Epochenstrukturen von Renaissance und Klassik vermitteln. |
Literature |
Textgrundlage sind die Essais sowie Auszüge aus Descartes Discours de la méthode, Pascals Pensées, Maximen von La Rochefoucauld, Briefe der Mme de Sévigné und Fabeln La Fontaines.
Zur Einführung:
Friedrich, Hugo, Montaigne, Tübingen; Basel 31993.
Stierle, Karlheinz, Sprachliche und menschliche Natur in der klassischen Moralistik Frankreichs, Konstanz 1985.
Westerwelle, Karin, Michel de Montaigne. Les Essais, in: Joachim Leeker (Hg.), Renaissance, Tübingen 2003, S. 213-236.
Zur Anschaffung empfohlen:
Montaigne, Les Essais, édition de Pierre Villey, Paris 31999, 3 Bde. |