Kommentar |
Die Münsteraner Poetikdozentur findet zum 3. Mal statt, nun mit Milo Rau, einem der bekanntesten und provokativsten Theatermacher und Essayisten unsrerer Zeit. Er bietet folgendes Programm an:
Die globale Marktwirtschaft und die grenzübergreifenden Informations- und Flüchtlingsströme sehen sich einer Menschheit gegenüber, die nicht darauf vorbereitet ist. Während sich die globalen Eliten die letzten Ressourcen sichern, beschäftigen sie die Massen mit dem identitätspolitischem Blödsinn des vergangenen Jahrhunderts. Melancholie, Wut und Zynismus machen sich breit. Die Komfortzonen, falls noch vorhanden, werden militärisch geschützt, die internationale Solidarität zerfällt. Jeder gegen jeden, jede für sich selbst. Möglich, dass die Menschheit den Klimakollaps überlebt. Aber wäre diese Welt noch lebenswert? „Die Zeit, in der das Bestehende bloss kritisiert wurde, ist vorbei”, schreibt Milo Rau, „es ist Zeit, für reale politische Alternativen.” Der Film- und Theatermachern rief mitten im kongolesischen Bürgerkrieg einen Weltwirtschaftsgerichtshof ins Leben, der die grossen Minenkonzerne anklagte und den Landvertriebenen ihr Recht verschaffte. In Moskau inszenierte er mit Pussy Riot einen Prozess gegen Putin, in Berlin gründete er ein Weltparlament für den „globalen dritten Stand”, in Italien versucht er mit dem Dreh eines neuen Jesus-Film zeitweilig die von der Mafia kontrollierte Tomatenernte zu stoppen. Als Theaterintendant schuf er das erste komplett internationale Ensemble und inszeniert Stücke auf besetzten brasilianischen Monokulturen oder in der vom IS befreiten irakischen Grossstadt Mossul. Wie funktioniert Selbstermächtigung praktisch? Wie lernt man aus der Geschichte, ohne in ihr zu versinken? Wie können wir wieder in utopische Bewegung kommen? Entlang seiner Erfahrungen als Regisseur und Aktivist zeigt Milo Rau auf, wie ausserhalb der feudalen Herrschaftsinstitutionen neue künstlerische Solidaritäten entstehen können und macht sich auf die Suche nach neuen Formen des Denkens, Fühlens und kollektiven Handelns. Eine Anleitung zur Revolte, ein Aufruf für eine solidarische Welt.
1. Vorlesung: Totale Gegenwart oder Die fünf Reiter der Posthistoire 2. Vorlesung: Lob des Extremismus oder Eine kurze Geschichte der Revolte 3. Vorlesung: Die Rückeroberung der Zukunft oder Der kommende Aufstand
Die öffentliche Lesung wird eine völlig andere Facette meiner Arbeit zeigen: die private, persönliche, poetische Perspektive auf den „globalen Realismus”, wie sie in meinen Stücken und in Büchern wie „Althussers Hände” etc. vorkommt. Titel: „Nachmittag eines Linksfaschisten”
Der Workshop mit den Studenten werden so angelegt sein, dass wir jeweils Ausschnitte von Filmen aus der Arbeit des IIPM und verwandter Künstler (Renzo Martens, Joshua Oppenheimer, Schlingensief etc.) gucken – und danach darüber sprechen. Die Bücher/Texte, die gelesen werden sollen, werde ich im Vorfeld angeben. Es wird ein Diskurs- und Theorie-Seminar sein, kein Poetologie-Seminar. Für den Künstlerabend sind Fabian Scheidler und Ursina Ladli zu einem gemeinsamen Projekt eingeladen. |
Bemerkung |
Studierende, die sich zum Workshop von Milo Rau anmelden und die Leistung verbucht haben möchten, sollen in jedem Fall auch die Vorlesungen besuchen, nach Möglichkeit auch den Künstlerabend und die Lesung.
Sprache-Literatur-Kultur: Offene Veranstaltungen für Fachmasterstudierende des FB 09: LE 1, LE 3, LE 4, KE 1, KE 3, KE 4. KV 1
Voraussetzungen: Schriften von Rau: 1) Wiederholung und Ekstase und 2) Das geschichtliche Gefühl.
Hier Anmeldung im Sekretariat von Prof. Dr. Britta Herrmann, bei Frau Christina Segeler (csege_01@uni-muenster.de), bis spätestens zum 15.10.19. |