Einführung in die Soziologie der Gewalt - Einzelansicht

Die Frage, was einen Täter oder eine Tätergruppe umgetrieben hat (Motiv!), bevor oder während er/sie eine Gewalttat ausübte(n), interessiert nicht nur die Gerichte in ihrer nachträglichen juristi-schen Beurteilung der Tat. Sie steht auch im Fokus allgemeinerer handlungstheoretischer Überle-gungen der soziologischen Gewaltforschung. Geht man etwa davon aus, dass Individuen auf der Basis planvollen Handelns und einer gewissen Entscheidungsmächtigkeit tun, was sie eben tun, ergeben sich bestimmte Schwierigkeiten und Hürden, wie zum Beispiel das Problem der Unver-fügbarkeit des unmittelbaren Zugangs zu diesen immanenten Wissensvorräten (Man kann niemandem »in den Kopf schauen«). Gerichte stabilisieren die damit einhergehende Unruhe etwa durch Implementation anderswo legitimierter Wissensbestände (durch Befragung von Experten foren-sisch-psychiatrischer Begutachtung) einerseits und einer speziellen Terminologie (bspw. die diffizile Unterscheidung von dolus directus ersten und zweiten Grades bzw. eventualis bei Fragen des Vorsatzes). Soziologische Ansätze dieser Richtung suchen entweder Auswege in der Evaluation der die Wissensvorräte konstituierenden Bedingungen, etwa der familiären Bedingungen der Sozialisation, oder sie wenden sich ganz ab und ziehen sich (aufgrund der verquickten situativen Be-dingungen) auf eine Position zurück, erst einmal »nur« beschreiben zu wollen, was überhaupt vor sich geht. Aber wie steht es um die soziologisch interessante Frage, wie denn nun Einflüsse gesellschaftlicher »Makro«-Kontexte in die vermeintlich nur aus sich selbst heraus zu verstehenden (»autoteli-schen«) Gewaltsituationen aussehen? Vor dem Hintergrund dieser Problemstellung nähert sich das in soziologische Theorie(n) einfüh-rende Seminar dem Forschungsbereich »Gewalt« auf der Basis der Lektüre relevanter Texte. In der ersten Sitzung wird die für das Seminar relevante Literatur bekanntgegeben und die Termine für die Referate vergeben.

Reemtsma, Jan Philipp (2008): Vertrauen und Gewalt. Hamburg: HIS. Trotha, Trutz von (1997): Zur Soziologie der Gewalt. In: Trutz von Trotha (Hg.): Soziologie der Ge-walt. Opladen: Westdt. Verl., S. 9–56.

Es werden keine Klausuren angeboten.