Kommentar |
Die Faszinationskraft der Essais von Michel de Montaigne (1533-1592) hält über alle Jahrhunderte in der europäischen und weltweiten Literatur an. „Dass ein solcher Mensch geschrieben hat”, so urteilt Friedrich Nietzsche über Montaigne, „dadurch ist wahrlich die Lust auf dieser Erde zu leben vermehrt worden”. Montaigne gilt als der Erfinder der Gattung des Essays. Die Essais stehen am Anfang der aphoristischen Schreibweise der Moralistik; im klassischen Zeitalter werden sie von Pascal, Descartes und Malebranche intensiv gelesen
Montaigne lebt in einer Epoche kultureller Umwälzungen. Die konfessionellen Auseinandersetzungen und die Religionskriege sowie die Entdeckung der Neuen Welt bilden einschneidende Erfahrungen, die Instabilität und Gewalt erzeugen. Die Essais erscheinen zunächst 1580 in zwei Bänden und 1588 um einen dritten Band erweitert. Sie dienen der autobiographischen Selbstdarstellung („car c’est moy que je peins”) und bekräftigen in der Rezeption antiker und zeitgenössischer Autoren eine Erfahrung von Welt, die von dem Einzelnen Urteilsvermögen (jugement) verlangt, um sich in der Welt zurechtzufinden. Mit der neuen literarischen Form des essai erfindet Montaigne im Widerstand zu der ihn umgebenden Welt eine Sprache der Toleranz. Die Essais sind eine Reflexion über die gesellschaftsbildende Macht der Sprache und menschlicher Kommunikation. Sie sind ein Remedium gegen Gewalt und Zensur.
Anhand ausgewählter Essais werden wir – auch in Absprache mit den TeilnehmerInnen und ihrem Interesse – im Seminar u.a. folgende Themen erarbeiten: die Wissens- und Erkenntnistradition, in die sich Montaigne u.a. mit „Des livres” stellt, die Rezeption der Antike und die Entdeckung der überseeischen Welt („Des cannibales”), die autobiographische Selbstdarstellung und den besonderen Stil der Essais.
|
Literatur |
Zur Einführung empfohlen:
Michel de Montaigne, Von der Macht der Phantasie, mit einem Nachwort von Karin Westerwelle, München3 2017.
Friedrich, Hugo, Montaigne, Tübingen; Basel3 1993.
Starobinski, Jean, Montaigne en mouvement, Paris 1993 [11982].
Westerwelle, Karin, „Michel de Montaigne. Les Essais“, in: Joachim Leeker (Hg.), Renaissance, Tübingen 2003, S. 213-236.
Zur Anschaffung empfohlen:
Michel de Montaigne, Les Essais, éd. de Jean Balsamo, Michel et Catherine Magnien, Paris 2007 (Pléiade).
In den Taschenbuchausgaben greifen Sie bitte auf die Herausgeber: Pierre Villey, Jean Céard oder Emmanuel Naya / Delphine Reguig-Naya / Alexandre Tarrête zurück.
_
|