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In den politischen Öffentlichkeiten westlicher Demokratien als auch in der normativen politischen Theorie und politischen Philosophie lässt sich seit den 1990er Jahren eine erneute grundsätzliche Debatte über die Prinzipien, Institutionen und Verfahren religionspolitischer Ordnung beobachten, die ihren Realgrund in der gewachsenen politischen Virulenz der Religion und in der Zunahme religiöser Puralität und Diversität hat.
Ein wesentlicher Teil dieser Debatte beschäftigt sich mit der Ausgestaltung des Verhältnisses von Religion und Politik, Staat und religiösen Traditionen. Hier geht es u. a. um die Fragen, (1) warum, für welche Zwecke und in welchen Hinsichten es einer Trennung zwischen Staat und Religion bedarf und wie diese Trennung prozedural und institutionell auszugestalten ist, (2) inwieweit und unter Rekurs auf welche Sorten von Gründen Staat bzw. Politik das Feld religiöser Traditionen und Praktiken regulieren dürfen, (3) ob bzw. inwieweit Religion bzw. religiöse Traditionen mit Blick auf vergleichbare nichtreligiöse Phänomene (Ideologien, Traditionen, Praktiken; kulturelle Gruppen) einer besonderen Behandlung oder besonderer Regelung bedürfen und (4) ob und, wenn ja, inwieweit Ungleichbehandlungen zwischen religiösen Traditionen, vor allem zwischen religiösen Mehrheiten und Minderheiten, gerechtfertigt sind bzw. ob und ggf. wie mögliche unvermeidbare Ungleichbehandlungen ausgeglichen werden müssen. In diesem Zusammenhang wird auch darüber diskutiert, ob das dominierende westliche Modell einer eher strikten Trennung von Staat und Kirche, Politik und Religion sowie der Gleichbehandlung von und Neutralität gegenüber unterschiedlichen religiösen Traditionen und Vorstellungen des guten Lebens universale Geltung beanspruchen kann.
Gegenstand des Masterkurses werden wesentliche Positionen der jüngeren Debatte sein. Dazu zählen zum einen die die Debatte dominierenden liberalen Ansätze, die die Prinzipien einer mehr oder weniger strikten Trennung von Staat und Kirche, Politik und Religion sowie die Gleichbehandlung von und Neutralität gegenüber unterschiedlichen religiösen Traditionen und Vorstellungen des guten Lebens auf neue Weis zu rechtfertigen versuchen (u. a. Dworkin 2013, Laborde 2017). Zum anderen ist auch eine Reihe von alternativen Modelle entwickelt worden wie „vernünftiges Entgegenkommen“ (Bouchard/Taylor 2008), „assocional governance of religious diversity“ (Bader 2007), „politischer Säkularismus“ (Bhargava 2016), „moderater Säkularismus“ (Modood 2016) oder die Herstellung von „deep equality“ (Beaman 2017).
Einen Überblick über die Debatte verschaffen die drei folgenden Sammelbände:
Cohen, Jean L./Laborde, Cécile, (Hrsg.) (2016): Religion, secularism, & constitutional democracy. New York: Columbia University Press.
Laborde, Cécile/Bardon, Aurélia, (Hrsg.) (2017): Religion in liberal political philosophy. Oxford: Oxford University Press.
Levey, Geoffrey Brahm/Modood, Tariq, (Hrsg.) (2009): Secularism, religion and multicultural citizenship. Cambridge et al.: Cambridge University Press.
erwähnte Literatur:
Bader, Veit (2007): Secularism or democracy? Associational governance of religious pluralism. Amsterdam: Amsterdam University Press.
Beaman, Lori G. (2017): Deep equality in an era of religious diversity. Oxford: Oxford University Press.
Bhargava, Rajeev (2009). Political secularism: why it is needed and what can be learnt from its Indian version, in: Levey, Geoffrey Brahm/Modood, Tariq (Hrsg.): Secularism, religion and multicultural citizenship. Cambridge et al.: Cambridge University Press, 82-109.
Bouchard, Gérard/Taylor, Charles (2008): Building the future. A time for reconciliation. o. O.: Commission de consulation sur les pratiques d'accomodement reliées aux différences culturelles.
Dworkin, Ronald (2013): Religion without god. Cambridge/London: Harvard University Press.
Laborde, Cécile (2017): Liberalism's religion. Cambridge/London: Harvard University Press.
Modood, Tariq (2010): Moderate secularism, religion as identity and respect for religion, in: The Political Quarterly 81 (1): 4-14. |