Dozent/in: Dr. Ulrich Willems
Veranstaltungstyp: Masterkurs
Belegnummer:
Thema: Religionspolitik in Deutschland in vergleichender Perspektive
Teilgebietszuordnung:
SWS: 2
Zeit, Ort: Mi 14.00-16.00, R.121.580
Beginn: 13.04.2016
Die religiöse Landkarte der Bundesrepublik hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert und wird sich weiter verändern. Die deutlich gestiegene Zahl der Konfessionslosen in der Folge von Entkirchlichung und Deutscher Vereinigung, Zu- bzw. Einwanderung sowie die wachsende Pluralisierung und Individualisierung von religiösen Orientierungen und Wertüberzeugungen haben die Bundesrepublik im Vergleich zu den 50er und 60er Jahren, als noch weit über 90% der Bevölkerung Mitglieder in einer der beiden großen christlichen Kirchen waren, religiösen Pluralismus beschert. In der Folge dieser religiösen Pluralisierung und Heterogenisierung sind seit den 1990er Jahren vermehrt religionspolitische Fragen auf die politische Agenda gelangt: Bezüge auf religiöse Traditionen in Verfassungstexten, Werteerziehung und Religionsunterricht an Schulen, staatlich angeordnete Kreuze in bayrischen Schulräumen, das Tragen religiöser Symbole wie Kopftücher in Schulen, der Streit um die Zulässigkeit ritueller religiöser Praktiken wie Beschneidung und Schächten, die Inanspruchnahme und Geltendmachung von Religionsfreiheit und religionsrechtlichen Optionen durch Muslime, die Verleihung des besonderen religionsrechtlichen Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an minoritäre Religionsgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas und der Umgang mit neuen Religionen wie etwa der Scientology Church wurden und werden zum Gegenstand politischer und rechtlicher Auseinandersetzungen und Entscheidungen sowie öffentlicher Debatten. Die politische Regelung solcher Materien lässt sich unter den Begriff Religionspolitik fassen. Religionspolitik umfasst alle jene politischen Prozesse und Entscheidungen, in denen die religiöse Praxis von Individuen einschließlich ihrer kollektiven Ausdrucksformen sowie der öffentliche Status, die Stellung und die Funktionen von religiösen Symbolen, religiösen Praktiken und Religionsgemeinschaften in politischen Gemeinwesen geregelt werden.
Das Seminar wird die geschichtliche Entwicklung, die grundlegenden Strukturen, die Akteurskonstellationen und die gegenwärtigen Konflikte der bundesdeutschen Religionspolitik in den Blick nehmen und durch einen vergleichenden Blick auf andere Länder „best practices“ des Umgangs mit den gegenwärtigen religionspolitischen Herausforderungen zu identifizieren suchen.
Der gleichzeitige Besuch der gemeinsam vom Exzellenzcluster „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne“ und dem Centrum für Religion und Moderne“ im Sommersemester veranstalteten Ringvorlesung „Religionspolitik heute – Deutschland vor neuen Herausforderungen“ (Dienstags, 18-20 Uhr, ab dem 10.05.2016) wird empfohlen.
Zur Vorbereitung empfohlene Literatur:
Bogner, Daniel/Heimbach-Steins, Marianne (Hrsg.) (2012): Freiheit, Gleichheit, Religion Orientierungen moderner Religionspolitik. Würzburg: Ergon.
Liebl, Anna Elisabet (2014): Parteien und Religionspolitik im Kooperationsmodell der Bundesrepublik Deutschland. München: Utz.
Liedhegener, Antonius (2014): Religionspolitik in Deutschland im europäischen Kontext, in: Zeitschrift für Politik 61 (2): 123-135.
Unruh, Peter (2015): Religionsverfassungsrecht. 3. Aufl. Baden-Baden: Nomos.
Willems, Ulrich (2001). Religionspolitik in der Bundesrepublik Deutschland 1945-1999. Die politische Regulierung der öffentlichen Stellung von Religion und Religionsgemeinschaften, in: Willems, Ulrich (Hrsg.): Demokratie und Politik in der Bundesrepublik 1949-1999. Opladen: Leske + Budrich, 137-162.
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