Kommentar |
Die Vorstellung von Knappheit und Bedürfnis ist eine der größten Selbstverständlichkeiten unserer Zeit. Kaum jemand bezweifelt heute noch, dass Güter, Zeit, Zuneigung oder Wissen knapp sind. Wie sind menschliche Verhältnisse beschaffen, damit sie Knappheit und damit Bedürfnisse erzeugen? Wie verhält es sich im Gegenzug mit den Bedürfnissen? Sind sie Ausgeburten der Überflussgesellschaft oder deren Erzeuger? Knappheit ist nach Marianne Gronemeyer „die Macht, die das Leben vieler Menschen beherrscht.“ Indem die Macht Knappheit schafft, erzeugt sie Bedürfnisse nach ebenjenen knappen Gütern. Durch die menschliche Konkurrenz bekommt die Knappheit zusätzlich Bedeutung, da gerade die knappen Güter am meisten begehrt werden. Demzufolge entsteht die Knappheit aus dem Gefühl des Neids, der früher als Laster galt, heute aber als wichtiger Motor der Wirtschaft zählt. Interessant erscheint, dass viele klassische Kulturkreise dieses Problem nicht kannten, obwohl sie keineswegs über diese Auswahl an Gütern, wie unsere heutige Gesellschaft sie kennt, verfügten. In den archaischen Gesellschaften war das in der gegenseitigen Konkurrenz wurzelnde Problem der Knappheit nicht vorhanden, da Mängel durch gegenseitige Hilfe ausgeglichen wurden. Die Versuchung, darüber nachzudenken, wie der Kriegszustand der Knappheit, die den Zweifrontenkrieg erstens gegen die Natur und zweitens aller gegen alle auslöste, in die Welt kam, ist groß. Dieses Seminar wird deshalb den Versuch wagen, sich diesen Fragen zu widmen und lädt alle Interessierten herzlich zum gemeinsamen Nachdenken darüber ein. Vorkenntnisse sind nicht nötig.
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Literatur |
Gronemeyer, Marianne (2009 [1988]): Die Macht der Bedürfnisse. Überfluss und Knappheit. 2. Auflage. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Gronemeyer, Marianne (2012): Das Leben als letzte Gelegenheit. Sicherheitsbedürfnisse und Zeitknappheit. 4. Auflage. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Gronemeyer, Marianne (2000): Immer wieder neu und ewig das Gleiche. Innovationsfieber und Wiederholungswahn. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Gronemeyer, Marianne (2006): Simple Wahrheiten und warum ihnen nicht zu trauen ist. Darmstadt: Primus Verlag.
Gronemeyer, Marianne (2012): Wer arbeitet, sündigt. Ein Plädoyer für gute Arbeit. Darmstadt: Primus Verlag.
Illich, Ivan (1982): Vom Recht auf Gemeinheit. Hamburg: Rowohlt Taschenbuchverlag.
Über weitere Literatur wird im Kurs beraten. |