Mit der graphischen "Abbildung" des sozialen Raumes ist Bourdieu weit über die Soziologie hinaus populär geworden. Als sein besonderes Verdienst gilt zum einen die Auflösung eindimensional-hierarchischer Vorstellungen von sozialer Struktur. Zum anderen behauptet Bourdieu eine bestimmte Form der Verknüpfung von sozialen Positionen und Lebensstilen (Homologie). Die unter Rückgriff auf die Korrespondenzanalyse vorgenommene Modellierung des sozialen Raumes scheint beide Annahmen zu stützen bzw. nahezulegen.
Dabei handelt es sich durchaus um einen trügerischen Erfolg: Auch wenn es sich bei der Korrespondenzanalyse um ein exploratives Verfahren der Datenanalyse handelt, so bedeutetet das nicht, dass sie theoretisch und methodologisch voraussetzungslos ist. Grade die Anschaulichkeit und die scheinbar einfache Interpretation bergen die Gefahr von Fehldeutungen und Fehlschlüssen. Darüber hinaus erzeugt die Korrespondenzanalyse - vor allem im Hinblick auf die Homologiethese - Eindeutigkeiten, die sich nicht unbedingt mit der sozialen Wirklichkeit decken müssen.
In diesem Seminar werden wir uns in einem ersten Schritt der theoretischen Konzeption und Bedeutung des sozialen Raumes zuwenden und zentrale, damit zusammenhängende, Begriffe bei Bourdieu behandeln. Dann soll eine Einführung in die Korrespondenzanalyse folgen, damit wir anschließend Bourdieus Vorgehen bei der Herstellung der 'berühmten' Darstellung des sozialen Raumes rekonstruieren können. Auf der Grundlage seiner Ausführungen hierzu und der von ihm zur Verfügung gestellten Daten werden wir versuchen, mittels SPSS sein Sozialraummodell zu reproduzieren. Grade vor dem Hintergrund, dass Bourdieu wichtige Maßzahlen zur Bestimmung der Qualität und des Bedeutungsgehalts der Korrespondenzanalyse nicht anführt und die letztendliche Konstruktion des sozialen Raumes bei ihm intransparent bleibt, erlaubt uns dieses Vorgehen, seine zentralen Thesen zu überprüfen und (neu) zu bewerten.
Im Anschluss hieran verwenden wir das gewonnene Wissen, um anhand neuerer Datensätze selbst ein (aktuelles) Modell des sozialen Raumes zu entwerfen. Dabei sollen auch explizit diejenigen Gruppen einbezogen werden, die bei Bourdieu kaum oder keine Beachtung finden.
Anforderungen: Auch wenn wir in diesem Seminar mit SPSS arbeiten, so werden dennoch keine SPSS-Kenntnisse vorausgesetzt - Voraussetzung ist jedoch die Bereitschaft, sich einige dieser Kenntnisse im Rahmen des Seminars anzueignen. Aus diesem Grund ist eine kontinuierliche Teilnahme unumgänglich.
|